Herrsching:Beine und Füße

Der Künstlerkreis Ammersee gibt sich in der Ausstellung "Grenzenlos" politisch und poetisch

Von Katja Sebald, Herrsching

Man kann es natürlich politisch verstehen, man darf es aber auch ganz persönlich nehmen: "Grenzenlos" heißt das Motto der Jahresausstellung des Künstlerkreises Ammersee, die jüngst im Wasserturm der Beamtenfachhochschule in Herrsching eröffnet wurde. Achtzehn Mitglieder und sechs Gastaussteller zeigen zwei Wochen lang ihre teilweise Arbeiten.

Da sind gleich als erstes die zwölf kleinen weißen Drahtvögelchen zu sehen, für jeden nicht anerkannten Staat der Welt eines, die in den Bäumen vor dem Einhang hängen geblieben sind, während die 193 weißen Papiervögel für die anerkannten Länder als großer Schwarm durchs Foyer in den Ausstellungsraum hineinfliegen dürfen. Daisy Fischer hat sich diese Installation ausgedacht.

Politisch ist natürlich auch die übermalte Seekarte von der ehemaligen jugoslawischen Küste zu verstehen, die nun von einem zwar immer noch freundlich blauen, aber längst für viele unüberwindbar gewordenen Mittelmeer dominiert wird: Für Ursula Steglich-Schaupp ist es eine "bedrohliche, amorphe Masse, die jede Möglichkeit der Verortung begräbt". Ebenso politisch darf man die Arbeiten von Marianne Schweigler interpretieren, die unter dem Titel "die Welt ist rund und vielgestaltig" eine Weltkugel mit Zeitungsschlagzeilen beklebt hat und als Symbol für die Pressefreiheit eine Schreibmaschine hinter Gittern zeigt. Ela Bauer unterstützt mit ihrer interaktiven Installation das neue "Café BlaBla" im Herrschinger Breitwand-Kino: Auf arabisch und auf deutsch steht der Satz "Freiheit beginnt im Kopf" auf T-Shirts und wird auch als Siebdruck auf Papier verkauft, ein Teil des Verkaufserlöses geht an das interkulturelle Begegnungsprojekt.

Herrsching: Die Fotoinstallation von Julius Wurst heißt "Zusammenstehen" und zeigt nackte Beinpaare.

Die Fotoinstallation von Julius Wurst heißt "Zusammenstehen" und zeigt nackte Beinpaare.

(Foto: Thiel)

Um die "grenzenlose" Freiheit des Individuums geht es in der Installation "Illusion" von Iris von Huene: Die Künstlerin zeigt als "unverkäufliches Muster" das Motorrad, Baujahr 1988, mit dem sie im Alter von 24 Jahren, den Gesellenbrief in der Tasche, ihre Freiheit auskosten wollte. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf ein Zitat aus der "Skeptischen Ethik" von Wilhelm Weischedel: "Die Freiheit ist nichts als eine große Illusion, die sich der Mensch macht, um sich eine besondere Würde zu geben."

Dann gibt es aber auch eine ganze Reihe von Arbeiten, die das Thema der Ausstellung auf eine eher verspielte und oftmals sehr poetische Art und Weise umsetzen: Der aus Georgien stammende Maler Tomike Abuladze hat das "Paradiesspiel", das Kinder zum Hüpfen auf die Straße malen, als Gemälde umgesetzt. Johannes Hofbauer hat im Freien ein riesiges, gleichwohl fragil wirkendes "Mikado-Spiel" aufgebaut. Annette Hiss hat sich selbst und ihre eigenen Grenzen fotografiert: mit Brett vor dem Kopf, mit einem Zaun, der ihr den Durchblick verstellt, oder einfach nur fest verwurzelt in der Heimat.

Herrsching: "Grenzenlos" heißt das Motto der Jahresausstellung des Künstlerkreises Ammersee im Wasserturm der Beamtenfachhochschule in Herrsching.

"Grenzenlos" heißt das Motto der Jahresausstellung des Künstlerkreises Ammersee im Wasserturm der Beamtenfachhochschule in Herrsching.

(Foto: Arlet Ulfers)

Und schließlich zeigt Julius Wurst an der hinteren Stirnwand des Ausstellungsraums eine Fotoinstallation, die unter dem Titel "Zusammenstehen" 18 nackte Beinpaare, jeweils von den Knien abwärts, abbildet - auf den ersten Blick geradezu unspektakulär, auf den zweiten, dritten und vierten Blick aber anrührend, verstörend und ja, auch wiederum höchst poetisch: Beine und Füße können weit mehr über das Schicksal und Leben eines Menschen erzählen als sein Gesicht.

Die Ausstellung "Grenzenlos" ist bis zum 19. Juni wochentags in der Zeit von 15 bis 18 Uhr und an den Wochenenden jeweils von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Zwei Führungen sind geplant: am Donnerstag, 16. Juni, von 16 Uhr an für Erwachsene und tags drauf, 15 Uhr, für Kinder.

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