Hechendorf:Großer Bahnhof

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Isabel Mühlfenzl hat das alte Gebäude an der Zuglinie in Hechendorf gekauft und mit Liebe zum Detail renoviert. Sie will die Räumlichkeiten insbesondere den Menschen im Dorf zur Verfügung stellen.

Von Patrizia Steipe, Hechendorf

Seefeld hat eine neue Location. Nach langen Jahren im Dornröschenschlaf wurde das alte Hechendorfer Bahnhofsgebäude am vergangenen Samstag eröffnet und die "schier unendlich lang anmutende Metamorphose eines alten Bahnhofs in ein Schmuckstück" hat ein Ende gefunden, wie Bürgermeister Wolfram Gum bei der Eröffnung sagte.

Vor etwa drei Jahren hatte Isabel Mühlfenzl den Bahnhof von der Gemeinde Seefeld erworben. Der Gemeinde gehörte er bereits seit einigen Jahren. Sie wusste aber nicht, was sie damit anfangen sollte. "Er war uns letztlich nur ein echter Klotz am Bein", erinnerte sich Gum. Im Gemeinderat habe man sogar damit geliebäugelt, den Bahnhof abzureißen und durch ein "modernes Häuschen"zu ersetzen, erzählt er. Doch schließlich hätten sich die Stimmen durchgesetzt, die das ortsprägende Relikt einer alten Zeit bewahren wollten. Die Bauherrin erinnerte sich noch gut an das Gespräch mit dem Bürgermeister im Herbst 2015. Er informierte die alteingesessene Hechendorferin, die unweit des Bahnhofs wohnt, dass das Gebäude wegen der hohen Belastungen verkauft werden sollte. Es gäbe bereits Bewerber. "Da klingelte es bei mir - wenn der Käufer nun wieder so einen bunten Betonblock daraus macht, wie er in meiner unmittelbaren Nachbarschaft entstanden ist, dann ist meine Idylle zerstört". Mühlfenzl beschloss, den Bahnhof selber zu kaufen, "dann kann ich bestimmen, was daraus entsteht". Das Konzept, das Mutter, Tochter Caroline und Enkelin Laura entwickelt hatten, überzeugte den Gemeinderat.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Architekt hat moderne Räume geschaffen und dabei Elemente des alten Warteraums aufgegriffen. Alte Fliesen wurden verwendet, moderne Fenster in die alten Halbbögen eingebaut, der alte Dachstuhl aus Holz harmoniert mit den massiven Holztischen und Stühlen. Es gibt eine abgeschlossene Küche und kleinere Nebenräume. Wandbemalungen erinnern an den ehemaligen Warteraum mit seinen Phänomenen wie der "Holzklasse" oder der "2. Klasse gepolstert".

Bis es soweit war, musste aber eine "Leidenszeit" mit einer Vielzahl unerwarteter Probleme bewältigt werden, so Gum. Er erinnert an "geheime Stromleitungsverläufe, gut versteckten Bauschutt aus den Vorkriegsjahren, unvermuteten Altrechten der Bahn und "vielfältigen Regelungsproblemem mit Planern und Handwerkern". "Wir stürzten uns in den Haifischteich der Baubranche", stimmte Mühlfenzl zu "wir haben nicht damit gerechnet, dass es in der Praxis weniger um Ideale als um schlichtes Geldverdienen geht". Viele falsche Entscheidungen hätten sie getroffen, viel zu teuer gebaut. Zwischenzeitlich war der Bauherrin sogar das Geld ausgegangen. Doch das ist jetzt Vergangenheit. Gemeinsam mit einem Team an begeisterten Helfern soll der Bahnhof nun endlich belebt werden. Es gibt bereits etliche Anfragen von Vereinen, Privatleuten und Betrieben. Am 5. März soll hier beispielsweise um 20 Uhr die neue Ortsgruppe des Bund Naturschutz Seefeld gegründet werden und die Nachbarschaft aus der Leitenhöhe wird eine "WhatsApp-Gruppe Bahnhof" bilden, um sich zu verabreden. Abends soll der "ESS-Bahnhof" für Events gebucht werden können. Bei Bedarf könnte dazu eine Weinverkostung angeboten werden. Ein- bis zweimal die Woche ist ein Gaststättenbetrieb geplant. Wolfram Gum würde am Sonntagvormittag gerne im alten Bahnhof musizieren. Bei der Einweihung hat er bereits Kulturmanagerin Brigitte Altenberger und Charlie Glass, der Loungemusik am Klavier spielte, für die Idee begeistern können. Die frühere BR-Journalistin Mühlfenzl kann aber auch auf die Unterstützung ihrer Freunde aus der Medienbranche zählen. Karikaturist Dieter Hanitzsch, der ihr zum Spaß eine Urkunde für das vorbildliche Senioren-Start-Up überreichte, möchte im Bahnhof seine Zeichnungen ausstellen und der ehemalige BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb regte an, einen "Triebwagen" aus München mit Festgästen nach Hechendorf zu schicken.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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