Starnberger Stadtrat:Hoffen auf besseres Klima

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Die Stadträte wollen künftig mehr auf ihre Umgangsformen achten - zumindest haben sie sich das für den Neubeginn nach der Wahl vorgenommen. Beherrschendes und entzweiendes Thema bleibt aber weiterhin die Verkehrsfrage.

Von Peter Haacke, Gauting

Die Machtverhältnisse im Starnberger Stadtrat haben sich gedreht, entscheidend für das Ergebnis der Neuwahlen am Sonntag war wieder einmal die seit Jahrzehnten strittige Verkehrsfrage. Künftig wird eine Koalition aus Bündnis Mitte Starnberg (BMS), Wählergemeinschaft pro Starnberg (WPS), Bürgerliste (BLS) und FDP mit 16 Mandaten den Ton angeben gegenüber dem bisherigen Block der Tunnel-Befürworter aus CSU, UWG, Grüne und SPD, die 14 Sitze eroberten. Doch wie werden sich die neue Kräfteverhältnisse auf die Arbeit im Stadtrat auswirken? Eine Umfrage ergibt: Die Erwartungshaltungen bei den jeweiligen Parteien und Gruppierungen sind durchaus unterschiedlich. Einzig in einem Punkt herrscht Einigkeit: Dass im Stadtrat künftig wieder ein besseres Klima mit angemessenen Umgangsformen herrschen möge.

CSU-Ortsvorsitzender Stefan Frey räumte am Wahlabend unumwunden "ein bitteres Ergebnis" für seine Partei ein. Angesichts der Herausforderungen und "turbulenter innerparteilicher Zeiten" - gemeint dürften die Parteiausschlussverfahren gegen Bürgermeisterin Eva John sowie vier weitere BMS- und WPS-Mitglieder sein - hält Frey die sechs Mandate aber für respektabel. Er hofft auf Änderung und Entspannung im Stadtrat "insbesondere bei gewissen älteren Herrschaften". Der B2-Tunnel sei zwar in weite Ferne gerückt, sollte aber als Option bestehen bleiben, zumal eine Umfahrung derzeit weiterhin nur "eine vage Idee" darstelle. Die CSU will ihr Profil schärfen, ihre Rolle als "Motor im Stadtrat" beibehalten, Positionen suchen und auf andere Gruppierungen zugehen.

Da dürfte er richtig sein bei der Bürgerliste: Walter Jann hat sich zwar mehr als zwei Sitze erhofft, aber "mehr war nicht drin". Auch der BLS-Chef hofft auf "einen anderen Ton" im Stadtrat. Jann will insbesondere Kontakt zu CSU und UWG aufnehmen. Zwar dürfe sich die "Allianz nicht zerfleischen", aber in Sachfragen will die BLS Selbstständigkeit bewahren und schließt die Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen nicht aus. "Ich möchte das Kriegsbeil begraben", sagt Jann - auch wenn die politische Arbeit nicht einfacher werden wird. Dabei beharrt er auf seiner ortsfernen Umfahrung; alle anderen Varianten - auch der Tunnel - sollen überprüft werden.

Will das Kriegsbeil im Stadtrat begraben: Bürgerliste-Chef Walter Jann. (Foto: Georgine Treybal)

Die Wähler kürten das BMS, die Gruppierung von Bürgermeisterin John, zur stärksten Gruppierung, Spitzenkandidat Josef Pfister sammelte die meisten Stimmen (4866) aller 240 Kandidaten - eine Überraschung, die auch dank eines Bürgermeister-Bonus zustande kam. Freilich interpretiert Pfister das Ergebnis als "Anerkennung der Arbeit unserer Bürgermeisterin": Es sei gelungen, die Starnberger von den Positionen des BMS zu überzeugen. Pfister erklärt, er freue sich auf die Zusammenarbeit im neuen Stadtrat, überdies habe man "immer schon das Gespräch mit allen Parteien und Gruppierungen gesucht". Veränderungen hätten sich aber bereits vor einem Jahr eingestellt. Ansonsten freue man sich darauf, wenn alle neuen Stadträte aktiv am 2014 beschlossenen Verkehrsentwicklungsplan mitarbeiten.

Die FDP ist mit ihren zwei Mandaten "sehr glücklich über das Wahlergebnis", lässt Iris Ziebart wissen. Ihr Versprechen für die nächsten Jahre: "Fairness und eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Parteien und Gruppierungen", um die dringendsten Aufgaben in Starnberg zu lösen. Eher enttäuscht ist dagegen die SPD: Tim Weidner glaubt, dass sich für die Sieger der Wahl die "Material- und Schlammschlacht" entscheidend ausgewirkt habe. Seiner Ansicht nach ist "der Tunnel tot und die Seeanbindung mit Gleisverlegung auch". Gespannt ist Weidner darauf, wann Bürgermeisterin John dies auch dem Bundesverkehrsminister mitteilen wird. Zwar hofft Weidner auf einen professionelleren Umgang untereinander, doch er weiß auch: "Manche können nicht raus aus ihrer Haut und werden ihren aggressiven und verletzenden Ton beibehalten." Ansonsten werde die SPD ihrer Linie treu bleiben - auch zum Bau der Westumfahrung , wenn der Tunnel nun entfallen sollte.

Im Gegensatz dazu wollen die Grünen den Wegfall der Westumfahrung fordern, der ihrer Ansicht nach ohne Tunnel keinen Sinn mehr macht. Drei Mandate entsprechen durchaus den Erwartungen - auch wenn ein viertes noch besser gewesen wäre. "Krönchen richten, weitermachen", hat Martina Neubauer als Parole ausgegeben. Trotz kleinen Budgets und beschränkter Mittel habe man einen guten Wahlkampf gemacht. Gespannt ist man nun auf Vorschläge der Anti-Tunnel-Allianz, wie es weitergehen soll. Zweites wichtiges Thema ist die Seeanbindung. Neubauer hofft auf "sachliche Auseinandersetzungen", das Klima im Stadtrat möge sich positiv ändern.

Erzielte das beste Wahlergebnis aller Kandidaten: Josef Pfister (BMS). (Foto: Georgine Treybal)

Die UWG (drei Sitze) zählt zu den Verlierern, und Patrick Janik weiß: "Einfacher wird's nicht". Allerdings verspürt seine Fraktion keinen Druck mehr, etwas tun zu müssen. Janik: "Wir verharren in entspannter Erwartungshaltung." Zwar werde man aus dogmatischen Gründen nicht jegliche Zusammenarbeit verweigern und auf Konfrontationskurs gehen, aber die UWG will den Finger "in die Wunde legen": Friedlicher zugehen wird es, so Janik, im Stadtrat nicht. Der erhoffte Baubeginn des Tunnels binnen der nächsten drei Jahre sei zwar hinfällig, aber das Projekt sei mit Blick auf die Kommunalwahlen 2020 nicht gestorben: "Der Tunnel ist kein Starnberger Projekt, sondern ein Bundesprojekt."

Der als zentrales Argument beworbene Bau einer Umfahrung ist für WPS-Chef Günther Picker dagegen nunmehr nur noch eine Glaubensfrage: "Wir glauben, dass jede Umfahrung besser ist als der Tunnel für diese Stadt", sagte er dem Bayerischen Rundfunk am Sonntag. "Wir glauben, dass wir hier für die Bürger mit der Umfahrung eine Verkehrslösung finden können auf die nächsten Jahrhunderte."

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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