Gilching:Wohlklang

Das Ensemble der Musikhochschule Rostock erfreut sein Publikum

Von Reinhard Palmer, Gilching

Auch wenn dabei jede einzelne Stimme nur einfach besetzt ist, entspricht ein Nonett mit allen vier Streichinstrumenten, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn schon einem Orchester in Minimalbesetzung. Das Ensemble der Musikhochschule Rostock, das als gut besuchter Beitrag des Kulturkreises die Gilchinger Kunst- und Kulturwoche fulminant bereicherte, interpretierte zwar Orchesterwerke erst in den Zugaben, doch gerade da in Richard Strauss' "Till Eulenspiegels lustige Streiche" und Chatschaturjans "Säbeltanz" - zumal mit entfesselter Musizierlust vorgetragen - offenbarten sich die großen Potenziale der Besetzung. Sie betrafen sowohl die dynamische Bandbreite von leiser Schlankheit bis zur voluminösen Substanzfülle als auch den Reichtum an klangfarblichen Kombinationen im konsequent polyphonen Satz. Diese Eigenschaften galt es, im eigentlichen Programm des Abends mit der kammermusikalischen Sensibilität zu verbinden.

Bei Werken von Bohuslav Martinů ist dies eine besonders schwierige Aufgabe, neigte doch der tschechische Komponist dazu, seine Werke mit schnell aufeinanderfolgenden Einfällen zu überladen. Das junge Rostocker Studierendenensemble verstand es aber, in dessen Nonett Nr. 2 aus dem Todesjahr des Komponisten 1959 die Dinge sorgfältig zu entwirren, entschieden zu priorisieren und damit Ordnung sowie vor allem Schlüssigkeit in den Verlauf zu bringen. Hilfreich erwiesen sich dabei die folkloristischen Elemente, die das Ensemble immer wieder mit musikantischem Schmiss aufgriff, um den ansonsten recht unruhigen Themen und Motiven ein nahezu erlösendes Kontrastprogramm zu bieten. Im Andante des fürs Tschechische Nonett zu den Salzburger Festspielen komponierten Werkes kamen klangschöne Aufhellungen hinzu, um es trotz üppiger Farbdifferenzierung in eine wohltuende Balance zu bringen.

Der volksmusikalische Impetus sollte aber auch das Programm insgesamt verklammern und ihm einen besonderen Charakter verleihen. Bei Dvořák ist die tschechische Folklore stilbildend. Das haben die neun Musiker aus aller Herren Ländern schon deutlich verinnerlicht, war die daraus resultierende Charakteristik zwischen rundem Wohlklang und beherzter Verve deutlich exponiert.

Dass sich der Komponist von Mozarts Bläserquintett zu seiner Serenade d-Moll op. 44 inspirieren ließ und sie in nur sieben Tagen komponiert hatte, machten die beherzt agierenden Musiker schon alleine im Zugriff deutlich. Die Schnelligkeit des Komponierens mit dem Eindruck erfrischender emotionaler Spontanität. Die Reverenz an Mozart erwies Dvořák mit einer Kultiviertheit höfischer Rokokomusik, die das Ensemble in eine schöne Balance zur Folkloristik brachte. Selbst die wuchtigen musikantischen Ausbrüche im Schluss-Allegro behielten noch einen edlen Schimmer.

Roland Leistner-Mayer (geb. 1945), der zur Aufführung seines Werkes persönlich gekommen war, scheint sich - wie wohl Martinů auch - an Dvořáks Serenade orientiert zu haben. Auch Leistner-Mayer ließ es sich nicht nehmen, musikantisch-tänzerische Passagen in sein bisweilen schon ordentlich groovendes Gefüge einzuflechten. Seine gemäßigte Modernität in der Harmonik erlaubte geradezu nahtlose Übergänge, zumal auch hier die Rostocker Studierenden die Schlüssigkeit der Gesamtform sicher zu erfassen vermochten. Es galt dabei aber auch, besondere zeitgemäße Charakteristika herauszuarbeiten, allen voran eine unterschwellige Spannung, die das Werk fast durchgehend unter Strom setzt.

Dies zu erzeugen und vom ersten bis zum letzten Ton durchzuhalten, lag dem Ensemble allerdings eher als die Feinfühligkeit in Dvořáks ausgesprochen kammermusikalisch-sinnlichem Changieren, dem offenbar noch der letzte Schliff zur Geschmeidigkeit fehlt.

So kam jedoch Leistner-Mayers Nonett op. 73 absolut packend rüber. Das rhythmisch gebrochene Pochen im Scherzo, das Pattern unterlegte fließen der unruhigen Melodik im Lento, das spannungsgeladene Grooven mit nahezu aggressiven Entladungen im Kontrast zu mysteriösen Rücknahmen im Schluss-Focoso waren schon fesselnd herausgearbeitet. Das Publikum zeigte sich auch durchweg begeistert.

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