Gilching:Kneipenbesucher prügelt Wirt

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Prozesswende: Gastronom handelt in Notwehr

Von Christian Deussing, Gilching

Ein betrunkener Gast in einer Gilchinger Kneipe hatte sich bei seiner Zeche um 50 Euro betrogen gefühlt und klingelte kurz darauf noch in der selben Nacht an der Wohnungstür des Wirtes, der laut Polizei 1,5 Promille intus hatte. Der Kneipier soll gemäß Strafbefehl den einstigen Stammgast gewürgt, gegen das Treppengeländer geschleudert und ihn von hinten getreten haben. Im Gerangel riss noch die Goldkette ab und ein T-Shirt des Lokalbesuchers ging kaputt. Doch im Prozess am Dienstag vor dem Amtsgericht Starnberg wendete sich das Blatt zugunsten des Angeklagten, weil er offenkundig in der Tatnacht vor knapp zwei Jahren in Notwehr gehandelt hatte.

Der Strafbefehl von 90 Tagessätzen zu 40 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung wurde jetzt aufgehoben und das Verfahren ohne Geldauflage eingestellt. Der 58-jährige Wirt hatte zuvor schlüssig berichtet, dass er das Rückgeld korrekt gezahlt habe. Bald darauf sei aber der Gast vor der Tür gestanden, habe ihn schlimm beleidigt und ins Gesicht geschlagen. Er habe sich nur gewehrt, den Mann am Hals gepackt und sei mit ihm einige Treppenstufen hinunter gestürzt. Nach dem Faustschlag hatte der Wirt ein blaues und geschwollenes Auge - er konnte zwei Wochen nicht arbeiten.

Die Version bestätigte ein Nachbar in der Verhandlung. Er hatte im Lokal nur Kaffee getrunken und die richtige Rückzahlung des Wirtes bemerkt - und ebenso den Radau im Treppenhaus und den Ausruf des Angeklagten gehört, "geschlagen" zu werden. Der Zeuge erinnerte sich daran, dass der Gastronom so ausgesehen habe, "als ob ein Lkw über ihn gefahren wäre". Ein Polizist sagte aus, ein zerrissenes blutverschmiertes T-Shirt und Teile eines Goldkettchens des Gastes im Treppenhaus gefunden zu haben. Die Kontrahenten seien aber in der Tatnacht nicht vernehmungsfähig gewesen, ergänzte der Beamte.

Geladen war auch der Gast, allerdings konnte sich der 20-jährige Mechaniker im Gericht kaum noch an die Nacht erinnern. Er hatte damals zu viel getrunken. Dass der Gilchinger aber später dem Wirt in drei Raten 50 Euro als "Wiedergutmachung und Schmerzensgeld" gezahlt hat, wertete Richterin Brigitte Braun als eine "gewisse Schuldeinsicht" des Kneipenbesuchers. Zudem seien die Verletzungen des Angeklagten massiver gewesen. Der Verteidiger sprach von Notwehr und einer "angemessen Abwehrreaktion" seines Mandanten und forderte entweder einen Freispruch oder das Verfahren ohne Auflage einzustellen.

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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