Gilching:Immer in Schmetterlaune

Gilching: 90 jähr. Tischtennisspielerin Trude Sontag

Auch mit ihrer Rückhand punktet Trude Sontag gerne an der Tischtennisplatte. Rückhalt spürte die agile Seniorin aber nicht immer im früheren Leben.

(Foto: Nila Thiel)

Trude Sontag ist fit und sie hält sich fit - mit Tischtennis. Die 90-jährige Gilchingerin spielt seit fast 3o Jahren im Verein. Sie will mit ihrer positiven Lebensart beispielgebend sein für andere Senioren

Von Christian Deussing, Gilching

Im langen Flur hängen Fotos, Urkunden und Medaillen ihrer Erfolge bei den Kreismeisterschaften der Senioren. Die kleine, drahtige Frau zeigt auf die Wand und lächelt ein wenig stolz. "Das gibt mir jeden Tag Kraft", erzählt Trude Sontag und setzt sich an den Esstisch. Die 90-jährige Gilchingerin spielt seit fast 3o Jahren Tischtennis im Verein und ist die älteste Seniorin, die im Fünfseenland an der grünen Platte steht und schmettert.

Sie gewinnt immer noch, am liebsten mit der Rückhand. Doch es geht der Rentnerin, die zweimal wöchentlich in der Rathausturnhalle beim TSV Gilching-Argelsried trainiert, vor allem um eines: sich zu bewegen und auch im hohen Alter noch mit Schwung und viel Spaß ein Beispiel für andere ältere Menschen zu sein, noch Sport zu treiben. Die Rentnerin erinnert sich, als ein Nachbar sie zum ersten Mal zum Tischtennis-Training mitgenommen hatte. "Anfangs hatte ich mich schon ein bisschen deppert angestellt", gibt sie zu. Seitdem hat Trude Sontag nahezu kein Training verpasst und wurde immer besser. Nur einmal, vor 15 Jahren, musste auch sie für zwei Wochen wegen einer Gallenoperation passen. Doch schon bald darauf schwang sie wieder den Schläger. Natürlich spürt die Seniorin ab und zu ihre Knie, aber das sind für sie nur Zipperlein. "Ich spüre nix, habe einen sehr guten Hausarzt und kann viel aushalten."

In der Tat: Die 90-Jährige schaut auf ein Leben zurück, das schicksalhaft in Hermannstadt (Siebenbürgen), im heutigen Rumänien, begann. Sie wurde als Findelkind in einem privaten Heim zwar noch liebevoll aufgezogen. Mit 14 Jahren kam Trude jedoch zu einem Pfarrhof, wo sie das Wirtschaften lernen sollte. "Es war aber die Hölle, ich bin dort wie eine Dienstmagd behandelt worden", erzählt die Witwe.

Zum Kriegsende wurde sie im Viehwaggon von Russen in die Ukraine verschleppt und musste in einem Bergstollen schuften. "Viele sind dabei gestorben", sagt sie. Später nahm eine barmherzige Familie in Hermannstadt die junge Frau auf, wurde Schweißerin - und Turnerin. Der Sport gibt ihr den Lebensmut zurück, der Stufenbarren wird Trudes Lieblingsgerät.

Später siedelte sie mit ihrem Mann nach München über, arbeitete lange Zeit als Gärtnerin bei Pflanzen Kölle und wurde dann in Gilching heimisch. Jetzt leuchten ihre Augen wieder. Denn sie berichtet von ihren Busreisen. Sie war an der Eiger Nordwand und am Lago Maggiore im Tessin, wo die exotische Blütenpracht ihr Herz erfreute. Die Touren führten sie auch nach Österreich und in die neuen Bundesländer - nur nicht nach Siebenbürgen. Außerdem spielt sie gerne Klavier.

Erst seit zwei Jahren fährt die junggebliebene Seniorin nicht mehr selbst Auto. Die Augen sind nicht mehr so gut. Fit ist aber die TSV-Tischtennisspielerin trotzdem noch, die regelmäßig zur Heilgymnastik geht. Sie verpasst auch kein Fußballspiel der Bayern, und wenn das Team in der Champions League antritt, sucht Trude Sontag ihren netten Nachbarn Elmar Albrecht auf und sieht bei ihm auf Sky die Spiele. "Schade nur, dass so wenig Tischtennis im Fernsehen gezeigt wird", bedauert die Gilchingerin. Aber gerade sie hat wahrlich Schlimmeres erlebt - und ist fröhlich geblieben, was auch ihre Sportkameraden zu schätzen wissen. "Ich bin bei denen wie ein Maskottchen und werde immer herzlich umarmt."

Auf dem Tisch liegen sechs gelbe "Drei Sterne"-Bälle, darauf steht jeweils "Trude". Die habe ihr der Verein zum Geburtstag geschenkt, sagt die Rentnerin. Es klingelt das Telefon. Es könnte ihre Tochter sein, die als Ärztin im Klinikum Regensburg arbeitet. Sorgen muss die sich nicht machen, so lange ihre agile Mutter die gelben Pingpong-Bälle übers Netz schmettert - und weiterhin eisern trainiert.

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