Gilching:Barrieren aus dem Weg räumen

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Auch ein bisschen Zirkus gehörte zum Aktionstag in Gilching. (Foto: Treybal)

Landratsamt will Anregungen vom Aktionstag für Behinderte aufgreifen und zu konkreten Vorhaben bündeln. Oft sind es ganz einfach Dinge wie fehlende Durchsagen, die ein unüberwindliches Hindernis darstellen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gilching

Menschen mit Behinderung wollen aktiv am Leben teilnehmen. Die Teilhabe ist zwar seit der Einführung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 rechtsverbindlich, doch die Praxis sieht anders aus. Auf dem Aktionstag für Menschen mit und ohne Behinderung am Samstag in Gilching gaben die Betroffenen viele Anregungen. Barrierefreiheit, Mobilität, Arbeitsleben, Bildung oder politische Teilhabe: Insgesamt zwölf Themen sind in Arbeitsgruppen erarbeitet worden. Sie sollen als Grundlage für einen Aktionsplan dienen, den das Landratsamt erstellen will, um die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen zu können.

Das Christoph-Probst-Gymnasium ist barrierefrei, es gab eine Gebärdendolmetscherin sowie eine Schriftdolmetscherin für leichte Sprache. Auf den Tischen lagen rote Karten mit dem Hinweis: "Halt, leichte Sprache". Die rund 170 Teilnehmer zeigten sich rundum zufrieden. "Es ist erst der Startschuss", stellte Doris Meszaros vom Landratsamt Starnberg fest. Sie war wesentlich an der Organisation beteiligt und freute sich über das durchwegs positive Feedback der Besucher. Zudem lobte sie, dass 50 ehrenamtliche Helfer für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung sorgten. Ob die Wahl des Sportvereins, der Arbeitsstelle oder der Wohnung, ob Kunst- und Kulturveranstaltungen oder Kino: Im Alltag gibt es noch viele Hürden zu überwinden.

Der Satz aus den 1990-er Jahren "Man ist nicht behindert, man wird behindert", gelte auch heute noch, stellte Friedrich Büttner vom Landratsamt fest. "Bewusstseinsbildung muss auf vielen Ebenen stattfinden, aber es ist ein zäher Prozess", erklärte er. Vieles könne man nur auf politischer Ebene ändern. Anna Krott von der Gilchinger Ohrmuschel wünscht sich mehr Wlan-Stationen für induktives Hören. Dies sollte ihrer Meinung nach im Medienbereich ebenso umgesetzt werden, wie im Arbeitsmarkt. Denn im Berufsleben sei für Menschen mit Hörbehinderung eine Teilhabe, etwa bei Teambesprechungen, ansonsten nicht möglich. Nach Angaben von Thomas Schwab von der Fachstelle für Senioren im Landratsamt sind es oft ganz einfache Dinge, die für Menschen mit Handicap unüberwindliche Hürden darstellen, beispielsweise beim S-Bahn-Fahren. Wenn der Aufzug ausfällt, gibt es keine Durchsagen und Menschen mit Gehbehinderung stehen vor verschlossenen Türen. Und trotz vorhandener Technik werden beispielsweise die Durchsagen bei der Bahn auf den Bahnsteigen oft nicht visuell dargestellt. Viele Betroffene benötigen eine Assistenz, um am Leben teilnehmen zu können. Doch dafür fehlen Freiwillige. Auch Blindenhunde sind sehr schwer zu bekommen. Im Alltag wird die Teilhabe zudem eingeschränkt, weil es am notwendigen Wissen fehlt. So wird beispielsweise Blindenhunden oft der Zutritt in Bäckereien verboten, obwohl es gesetzlich erlaubt ist.

Laut Sophie von Wiedersperg vom Landratsamt gibt es insbesondere bei der medizinischen Versorgung noch viel Nachholbedarf. Kliniken und die niedergelassenen Ärzte seien oft nicht eingestellt auf Menschen mit Handicap. Zudem fehlt es ihrer Erfahrung nach an Fachwissen über Medikamente, die Betroffene zur Behandlung von chronischen Erkrankungen benötigen. Eine Fortbildung für Ärzte, Klinikpersonal und Rettungssanitäter hält Wiedersperg daher für unumgänglich.

Betreuungsmöglichkeiten für Rentner mit Behinderung gibt es ebenfalls zu wenige. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen Petra Seidl lobte aber, dass die Menschen mit Behinderung bei der Erstellung des Aktionsplans einbezogen werden. "Sie sind die Experten in eigener Sache." Schon im April sollen erste Arbeitsgruppen gebildet werden, die die Schwerpunktthemen nachbearbeiten. Bis Herbst soll es bereits erste konkrete Vorschläge für den Aktionsplan geben.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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