Gewerkschaft fordert Ortszulage:Viele Polizisten brauchen Nebenjobs

Schichtdienst, Überstunden und hohe Verantwortung: Polizeibeamte haben einen anstrengenden Beruf, doch viele können sich mit ihrem mageren Gehalt das teure Leben in der Münchner Region kaum noch leisten

Von Christian Deussing, Starnberg

Polizeibeamte haben viel zu tun, besonders ihr Schichtdienst kann stressig sein. Unter Druck stehen aber auch Inspektionsleiter, die unter Personalnot leiden - wie zum Beispiel der Starnberger Polizeichef Bernd Matuschek: Er verfügt derzeit über 57 Beamte, doch sieben Stellen sind noch immer unbesetzt. Diese Kräfte fehlen und sind vor allem dann spürbar, wenn Kollegen krank sind, auf Fortbildung weilen oder versetzt werden. Das in den jeweiligen Dienstplänen zu kompensieren, sei belastend und eine "logistische Herausforderung", berichtet Matuschek, dessen Beamte im Schnitt 35 Überstunden auf ihrem Zeitkonto haben.

Starnberg Polizei Kerstin Decker und Bernd Matuschek

Kerstin Decker und Inspektionsleiter Bernd Matuschek: Zwei von insgesamt 57 Beamten der Starnberger Polizei. Sieben Stellen sind derzeit unbesetzt.

(Foto: Nila Thiel)

Diese Zahl übertrifft die Herrschinger Polizeiwache derzeit mit etwa 40 Überstunden pro Kopf. Die sogenannte Soll-Stärke beläuft sich dort auf 37 Ordnungshüter, tatsächlich sind aber nur 34 Stellen besetzt. Diese Personallücke konnte nun schon seit neun Jahren nicht geschlossen worden. Das bedauert Inspektionsleiter Erich Schilling. Andererseits betont er aber auch, "einigermaßen" mit dieser personellen Situation über die Runden kommen zu können.

Gauting

Ernst Wiedemann aus Gauting kennt die Nöte seiner jungen Kollegen.

(Foto: privat)

Als "notwendiges Übel" bezeichnet Andreas Ruch Überstunden, die Polzisten häufig vor sich herschieben müssen. Er ist Vizechef der Germeringer Wache, die überdies für Gilching und Alling zuständig ist und damit ein Gebiet mit 65 000 Einwohnern zu betreuen hat. Seine Inspektion weist schon 55 Überstunden pro Einsatzkraft aus. "Uns fehlen einige Stellen, man ist aber bemüht, uns zu helfen", sagt Ruch. Ein "Riesenproblem" sei auch die Fluktuation, denn nach oft nur zweieinhalbjähriger Ausbildung und Verweildauer ließen sich Kollegen häufig in ihre Heimat versetzen - beispielsweise nach Oberfranken. So müssten immer wieder junge Polizisten neu eingewiesen werden, was laut Ruch "Kraft und Ressourcen" koste.

Starnberg PI

Andreas Ruch von der Polizeiinspektion in Germering.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Gautinger Polizeiwache ist dagegen mit 29 Beamten in nahezu kompletter Stärke besetzt. Doch das Würmtal und die Starnberger Region sind teuer, was vor allem der mittlere Dienst spürt. Denn das Gehalt von Polizeimeistern und -obermeistern ist nicht gerade üppig. Es gebe daher nicht wenige Kollegen, die zwischen Gauting und Schwaben oder ihrem Elternhaus in Franken pendeln, berichtet der örtliche Polizeichef Ernst Wiedemann. In diesen Regionen seien Mieten und Lebenshaltungskosten eben viel niedriger. Um sich aber vielleicht auch mal "etwas mehr" leisten zu können, haben einige Beamte seiner Gautinger Wache genehmigte Nebenjobs - unter anderem als Verpacker, Fotograf oder im Fitnessstudio. "Ich bin zwar nicht so glücklich darüber, kann es aber verstehen", sagt der Inspektionsleiter. Schließlich sei die Ballungsraumzulage von monatlich 76 Euro "nur Peanuts".

Das finanzielle Problem und die eher unzureichenden Bezüge prangert vor allem die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) an. Für deren stellvertretenden Landeschef Jürgen Ascherl ist diese Zulage nur ein "Tropfen auf den heißen Stein" und gehöre daher abgeschafft. Als viel sinnvoller erachtet der Gewerkschafter hingegen eine bayernweit "gestaffelte Ortszulage" - für den hochpreisigen Münchner Großraum und das Fünfseenland etwa wäre zum Beispiel der Zuschlag von 500 Euro angemessen, der den jeweiligen Mietspiegel und Alltagkosten berücksichtigt. Und diese seien in hiesiger Region viel höher als etwa in der Oberpfalz, betont Ascherl. Im Münchner Raum hätten 15 Prozent der Polizisten einen Nebenjob, davon sei die Hälfte im mittleren Dienst tätig. Ascherl fordert deshalb höhere Bezüge und auch mehr Personal in den Inspektionen.

Nicht ganz so dramatisch wie in der Landeshauptstadt bewertet Stefan Kemptner vom DPolG-Vorstand die Personalsituation im Fünfseenland. "Aber berauschend ist sie nicht", sagt der Kripobeamte, der die Interessen von Polizisten im Starnberger Raum betreut. Kemptner verweist auf die zusätzlichen Aufgaben von Kriminalinspektionen wie Fürstenfeldbruck: Dort sei ein neues Kommissariat für fünf "Cyber-Cobs" gegründet worden, aber erst zwei speziell ausgebildete Beamte seien eingestellt worden. Das Personal fehle also auch, um die Computer-Kriminalität zu bekämpfen. Gleichzeitig befinde man sich auf diesem Sektor in Konkurrenz zur Wirtschaft, die oft besser bezahle.

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