Gauting/München:Gezockt und alles verloren

Gautinger steht wegen Betrugs vor dem Landgericht München

Von Christian Rost, Gauting/München

Jahrzehntelang hat ein 62-jähriger Journalist nebenher an der Börse gezockt und dabei gut verdient: Eine Villa in Gauting hatte er, einen Jaguar, und seine Kinder durften reiten. Inzwischen ist er nicht nur pleite, er schuldet Anlegern, die dem vermeintlichen Glückskind an der Börse ihr Erspartes anvertrauten, 2,7 Millionen Euro. 41 Fälle des Betruges wittert die Staatsanwaltschaft hinter dem Treiben von Andreas H., weswegen sie ihn angeklagt hat. Am Donnerstag begann am Landgericht München II der Prozess gegen den Mann, der zwar zugibt, eine Menge Geld verloren zu haben, aber beteuert, nichts Verbotenes getan zu haben.

Die Anklage ist sich indes sicher, dass Andreas H. unerlaubt Bankgeschäfte betrieben und Anleger übers Ohr gehauen hat. 16 Betroffene haben demnach bei ihm von 2008 bis 2011 jeweils bis zu 500 000 Euro in Investment-Zertifikaten angelegt. Der Journalist soll dabei in den meisten Fällen zehn Prozent Zinsen als Rendite "ohne Risiko" versprochen haben, in einem Fall sogar 14 Prozent. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Gelder letztlich nicht investiert, sondern für seinen Lebensunterhalt verbraucht zu haben.

Andreas H. ist ein hagerer Mann. Mit ausgewaschenen Jeans und dunklem Sakko sitzt er auf der Anklagebank. Er macht einen niedergeschlagenen Eindruck und spricht von einem "Desaster". Schließlich habe er nicht das Geld von Fremden verzockt, sondern von Freunden, "die ich zum Teil 20, 30 Jahre kenne und die mich gebeten haben, für sie an der Börse zu investieren". Beim gemeinsamen Musizieren und Kartenspielen hätten sie sich Anfang der 90er Jahre über Kapitalanlagen unterhalten und dabei festgestellt, "dass ich besser war als die anderen", so H. Nach und nach hätten ihm immer mehr Leute aus seinem Umfeld Geld gegeben, um es zu vermehren. Meist habe er acht Prozent Rendite versprochen und das Ergebnis auch erzielt. Das sprach sich offenbar rum: In der Käfer-Schenke habe ihn einmal ein Kellner um Anlagetipps gebeten, erzählt der Angeklagte. Als dann 2008 die Lehman-Pleite die große Finanzkrise einläutete, fand sich auch H. nicht mehr an der Börse zurecht.

"Nichts mehr funktionierte, auf nichts konnte man sich verlassen", schildert H. die Situation. "Während du auf der Toilette warst, sackte der DAX 100 Punkte ab." Das unberechenbare Auf und Ab bei den Kursen riss auch in sein Anlagemodell tiefe Löcher, H. merkte erst spät, "dass etwas mit der Buchhaltung nicht mehr stimmte", wie er es ausdrückt. Anders gesagt: Das Geld der Anleger war weg, der Journalist bekam viele wütende Anrufe mit immer derselben Aufforderung: "Ich will mein Geld zurück." Außerdem nahmen ihn die Steuerfahndung und die Bankenaufsicht ins Visier. In der Folge mussten das Haus in Gauting und der Jaguar verkauft werden, H. begann zu trinken und hielt sich eine Pistole an den Kopf. "Zum Glück habe ich nicht getroffen", sagt er. Der Prozess wird fortgesetzt.

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