Gauting:Zauberhafter Würmfleck

Schloss Fußberg sieht gar nicht aus wie ein Schloss, ist aber die vornehmste Adresse der Gemeinde. Bald soll im Park wieder ein richtiges Café eröffnen

Von Michael Berzl, Gauting

Ein gewittriger Windstoß lässt einen Schwarm Nasenzwicker von einem mächtigen Ahorn herunterpropellern. Bunte Scheinwerfer leuchten in das dichte Blätterdach hinauf. Vorne auf der Bühne spielen die Dusty Brothers, die staubigen Brüder, aus Weßling. Während Andy Nichol seine Coverversionen von "Sitting on the Dock" singt, wippen hundert Zuhörer auf den Bierbänken im Takt mit, man plaudert, alte Bekannte treffen sich wieder. Ganz in der Nähe feiert gleichzeitig eine Hochzeitsgesellschaft im Gautinger Schlosspark. Es ist das Sommerfest der Schlosscafé-Freunde an einem dieser warmen Abende in diesem Ausnahme-August. Es ist eine dieser zauberhaften Nächte, in denen das geschichtsträchtige, ein bisschen feudale und gleichzeitig schnuckelige Fleckchen an der Würm seinen besonderen Reiz entfaltet.

Wieder ist der Schlosspark zum Leben erwacht. Für eine eingeschworene Fangemeinde ist es ein ganz besonderer Ort, von einem "spirituellen Platz" war sogar schon die Rede. Außenstehenden fällt eher auf, dass dieses Schloss eigentlich gar nicht wie ein richtiges Schloss aussieht. Keine Zinnen, kein Turm, keine Fahnen, die auf dem Dach wehen. Von der Statur her macht es nicht recht viel mehr her als die alte Weßlinger Grundschule. Ein stattliches Anwesen ist es schon, mit einem Park drumherum und Nebengebäuden, einem schmiedeeisernen Tor an der Einfahrt und einem Brunnen mit Rondell. Und im Keller gibt es sogar einen zugemauerten Geheimgang. Das schon. Das Anwesen an Gautings Top-Adresse hat zudem eine Jahrhunderte lange Geschichte, es war Hofmark und Gerichtsstandort, und zu seiner Historie gehören einige berühmte Bewohner. Aber unter einem Schloss stellt man sich eigentlich noch etwas Imposanteres vor als dieses dreistöckige Herrenhaus an der Würm, das nun seit 15 Jahren ganz profan als Firmensitz einer Unternehmensberatung dient.

Viele Eigentümer

In Urkunden aus den Jahren 1342 und 1352 finden sich die ersten gesicherten Nachweise über die "Veste Fuezberg". Gemeint ist ein achteckiger Turm, den Ritter von Fuß an der Würm errichtet hatte. Der Name blieb durch die Jahrhunderte, die Eigentümer kamen und gingen, darunter Herzog Ludwig von Teck, Münchner Patrizierfamilien wie die Ligsalz oder die Dichtl, Maria Lung von Planegg, Josef Freiherr von Hirsch und der Bildhauer Rudolf Schwanthaler, nach dem ein Saal im Obergeschoss benannt ist. Der prominenteste Eigentümer war der Abenteurer und Schriftsteller Karl Theodor Maria Freiherr von Hallberg-Broich, der das Anwesen im Jahr 1819 für 15 000 Gulden erwarb und als "Eremit von Gauting" bekannt wurde. Detailliert schildert Rüdiger von Reichert in einer 2001 erschienen Chronik die Geschichte des Anwesens. Darin sind auch die beiden bekanntesten historischen Darstellungen abgebildet: "Fuessperg" als mittelalterliche Burg auf einer Landtafel von Philipp Apian von 1568 und ein Kupferstich von Michael Wening von 1701, auf dem ein ummauertes Ensemble mit mehreren Häusern, Wirtschaftsgebäuden und zwei Türmen zu sehen ist. Das Kloster Andechs war zu der Zeit Eigentümer, Ludwig Dichtl hatte das Anwesen zuvor zum Herrschaftssitz ausgebaut. Von 1893 an gehörte Fußberg der Fabrikantenfamilie Haerlin. Erbe Heinz Mußbach verkaufte schließlich 1984 die Immobilie für umgerechnet 1,6 Millionen Euro an die Gemeinde Gauting. Die wusste damals noch gar nicht, was sie mit dem stattlichen Anwesenanfangen sollte. Zeitweise stand ein Altenheim zur Debatte. Das Gebäude wurde später aufwendig renoviert und als Museum für die Sammlung des Tutzingers Joseph Hierling hergerichtet. Auch diese Pläne zerschlagen sich, ehe im Herbst 1999 die Entscheidung fällt, Schloss Fußberg an die Unternehmensberatung Engel und Zimmermann zu vermieten.

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Verglichen mit dem Kommen und Gehen in den vergangenen acht Jahrhunderten ist das schon eine lange Zeit. Seit sich die Ministerialenfamilie Fuß in der Würmschleife niedergelassen hat, sind zahlreiche Schlossherren ein- und wieder ausgezogen. Schließlich übernahm die Fabrikantenfamilie Haerlin das Anwesen, ehe es die Gemeinde 1982 für drei Millionen Mark kaufte. Das war noch günstig im Vergleich zur Renovierung, die den Steuerzahler etwa zehn Millionen Mark gekostet hat.

Immer wieder wurde umgebaut, abgerissen, saniert. Von den Gebäuden, die auf einem gut 300 Jahre alten Kupferstich von Michael Wening zu sehen sind, ist kaum mehr etwas übrig. Es dominiert das dreistöckige Herrenhaus mit Walmdach, flankiert von dem ehemaligen Kutschenhaus auf der einen Seite und dem Salettl auf der anderen Seite; etwas abgelegen steht ein weiterer Schuppen, in dem der Bauhof Wahlplakate und Marktbuden aufbewahrt.

Der drei Hektar große Park liegt ein bisschen versteckt und abgeschieden an der Würm. Etwas Verwunschenes hat dieses Gelände an manchen Stellen schon. Gleich beim Eingang geben verwitterte Mauerreste Rätsel über ihre ursprüngliche Bestimmung auf. Rüdiger von Reichert, der eine aufschlussreiche Chronik über Schloss Fußberg verfasst hat, geht davon aus, dass die schweren behauenen Steinquader aus der Zeit der Veste stammen, also mehr als 700 Jahre alt sind. Jetzt liegen sie einfach so da am Wegesrand und dienen als Sitzgelegenheit. Außer dem Haupteingang geht es auch von der Münchner Straße aus über eine Brücke in den Schlosspark oder von Norden kommend über Stock und Stein auf einem kleinen Pfad an der Würm entlang. Ein Weg führt vom Eingangstor rund um den Park. Mächtige Buchen, Eichen und Kastanien stehen da, die für eine Statistenrolle im Film "Herr der Ringe" oder bei Alice im Wunderland allemal geeignet wären; auch Exoten wie die nordamerikanische Schwarznuss oder die japanische Lärche gibt es hier. Überall wuchert der Efeu. Plötzlich taucht das kleine Schweizerhaus auf, in dem Thomas Heyl sein Künstleratelier hat.

Von dort schaut der Spaziergänger auf das Dach der Remise mit ihren lustigen Fledermausgauben. Das ehemalige Kutschenhaus hat sich unter Federführung eines Vereins zu einem Veranstaltungssaal verwandelt. Dort tanzen Hochzeitspaare, dort treten der Tölzer Knabenchor, der Pianistenclub München oder die Geigerin Lena Neudauer auf. Einmal im Jahr gibt die Musikschule eine Open-Air-Serenade unter dem Motto "Sommernachtstraum". Es ist ein kreatives Völkchen, das sich im Schlosspark heimisch fühlt; dazu zählt auch der Puppenspieler Stefan Fichert, der für seine Werkstatt Platz in einem Schuppen gefunden. Dort hat er riesige Pferdefiguren gebaut, die dann in der Zauberflöte bei den Festspielen in Bregenz ihren Auftritt hatten.

Und mittendrin im Park prangt das Schloss selbst. Es ist mit Sicherheit der Arbeitsplatz mit dem feudalsten Ambiente in Gauting. Die hohen Räume haben Stuckdecken, eine knarzende Holztreppe führt in das erste Obergeschoss hinauf. Das Gebüsch wuchert fast bis zum Bürofenster herein, und vom Schreibtisch aus sind die Karpfen im Weiher gegenüber oder Badende in der Würm zu sehen. "Einen schöneren Arbeitsplatz kann man sich doch nicht vorstellen", schwärmt etwa Christian Wolfram, Seniorberater bei der Unternehmensberatung Engel und Zimmermann. Derzeit kümmert sich die Firma mit 35 Angestellten um etwa 60 Kunden. Dazu zählen der Baumarkt Hornbach, die Brauerei Oettinger oder die Senfhersteller Develey, Kliniken, der Ticketverkäufer Eventim oder Kabel Deutschland. Kürzlich war Hubertine Underberg-Ruder zu einer Besprechung in Gauting. Ja, die mit dem Kräuterlikör.

Etwas abseits steht der Café-Wagen, in dem Jane Höchstetter und Stefan Berchtold am Wochenende bei schönem Wetter ihre Gäste bedienen. Das ist eigentlich ein Provisorium, das vorübergehend das einst so beliebte Lokal im Erdgeschoss des Schlosses ersetzen soll.

Ein richtiges Café soll in einem Nebengebäude von Schloss Fußberg entstehen, in dem sogenannten Salettl. Den entsprechenden Beschluss hat die Gemeinde schon gefasst, der Gautinger Architekt Christian Hadlich hat einen Entwurf für den Umbau angefertigt. Beim Sommerfest hat er Besucher für seine Ideen begeistert, und in der zauberischen Sommernacht kam Vorfreude auf.

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