Gauting:Von Breslau nach Burdapest

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Dieter Hildebrandt attackiert in Gauting bunte Blätter, Politiker, das Fernsehen und alles, was ihn sonst noch nervt. Das Publikum ist begeistert von Programm und Elan des 85-Jährigen.

Gerhard Fischer

Dieter Hildebrandt war an zwei Abenden in Gauting, und natürlich war der Große Saal des Bosco zweimal ausverkauft. Das Publikum liebt diesen grundsympathischen Mann, es hört ihn gerne nuscheln, es mag sein Zögern und Stolpern, wenn er redet und schimpft. Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

GautingDieter Hildebrandt liebt den Sport. Er mag den TSV 1860, er spielte lange Fußball und Tennis, und er sitzt oft vor dem Fernseher, um Sport zu gucken, Biathlon zum Beispiel. Hildebrandt nennt das "Ski-Schießerei". Formel 1 mag er offenbar nicht so gern, und deshalb hat der Kabarettist einen Vorschlag: "Formel-1-Fahrer sollten alle 20 Kilometer anhalten und schießen. Aufeinander! Dann wären wir diese Sportart bald los."

Dieter Hildebrandt war an zwei Abenden in Gauting, und natürlich war der Große Saal des Bosco zweimal ausverkauft. Der 85-Jährige hat die meisten Besucher ein Leben lang begleitet, er hat sie erheitert und belehrt, er hat sie aber auch getröstet, wenn der Frust wegen der Obrigkeit - meistens war es die CSU - sehr groß gewesen ist. Hildebrandt stand immer auf der richtigen Seite, er kämpfte gegen Rassismus und Dummheit, für Toleranz und Empathie - und er ist ein Sozi-Sympathisant, der vor allem die anderen attackiert: CDU, CSU und FDP. Das gefällt den meisten Kabarett-Fans. Sich gegenseitig zu bestätigen, dass man richtig liegt - das war und ist eine Säule, die Hildebrandts Vorstellungen trägt. Und natürlich liebt das Publikum diesen grundsympathischen Mann, es hört ihn gerne nuscheln, es mag sein Zögern und Stolpern, wenn er redet und schimpft. Dieter Hildebrandt, das ist für sie: Geborgenheit.

Und er, Hildebrandt, erfüllte in Gauting alle diese Erwartungen. Seehofer, sagte er, ernähre sich im Wahlkampf von Kreide, bei Dobrindt könne man "die Dummheit orten", und bei von der Leyens Stimme denke er an Fliegeralarm. Typen wie den "Frauenflüsterer Brüderle" hasse er seit seiner Kindheit, und über Niebel würde Herbert Wehner sagen: "Niebel, in Ihnen steckt etwas, schauen Sie, dass Sie es los werden." Überhaupt, die Politiker: Er stöhne auf, wenn er höre, dass es zwischen zwei Kandidaten ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" gebe. "Ich weiß, das sind doch nur zwei Arschlöcher." Früher, wenn Brandt, Wehner oder Geißler im Parlament gesprochen hätten, habe er das Essen stehen lassen, um sich das im Fernsehen anzusehen. "Wenn heute einer ans Pult tritt, koche ich mir etwas."

Hildebrandt beließ es nicht dabei, bloß die Politiker zu kritisieren, natürlich nicht. Er griff alles an, was ihn nervt, etwa das Fernsehen, dessen Gürtellinie "auf Sockenhöhe" angelangt sei, oder die bunten Blätter von Burda. Er habe schon vor Jahren vorgeschlagen, das damalige Burda-Hauptquartier Offenburg in "Burdapest" umzubenennen.

Manchmal gab er auch nur wieder, was er gehört hatte und was er gar nicht besser erfinden könnte. Etwa, dass ein Reporter gesagt hatte, Wulff habe "viel einstecken müssen". Da horcht man hinterher. Selten hat ein Reporter so etwas Lustiges unabsichtlich gesagt. Oder Hildebrandt erzählte Witze, wie den von dem Schlesier, der an einen Bahnschalter geht und sagt, er wolle von Gleiwitz "auf Breslau" fahren. Der Bahnbeamte antwortet: "Wir haben nur nach Breslau." Da sagt der Schlesier: "Gut, dann laufe ich das Stück halt zurück."

Dieter Hildebrandt wird im Mai 86 Jahre alt, aber das sieht man nicht. Er tänzelte fast auf die Bühne, setzte sich auf einen Stuhl und knallte einen Packen Papier auf den Tisch. Manchmal guckte er drauf, vielleicht war es eine Gedächtnisstütze, aber es fiel nicht weiter auf. Hildebrand redete manchmal so schnell, dass es dem Publikum fast schwer fiel, seinen Gedanken zu folgen. Am Ende gab es donnernden Applaus und drei Zugaben. Man hörte die Zuschauer sagen, es sei "brillant" und "unglaublich" gewesen, einer sagte auch: "Und das mit 85."

Muss man das: sein Alter erwähnen, um die Leistung zu würdigen? Man kann. Aber es sollte nicht einfließen in die Bewertung des Programms, da ist es egal, ob einer 25 ist oder 85. Und Hildebrandts Programm war gut.

© SZ vom 31.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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