Kurzkritik:Tastenflüsterer

Pianist Andrei Korobeinikov im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Es dauerte eine Weile, bis die Verbindung zum Publikum im Gautinger Bosco stand. Und das lag diesmal eher an den Zuhörern selbst, die wohl Zeit brauchten, sich mit dem etwas ungestümen, ja hölzernen Auftritt des Pianisten Andrei Korobeinikov anzufreunden. Vor allem Bild und Ton in Übereinstimmung zu bringen.

Korobeinikov schien mit dem Flügel zu ringen, blieb nah an der Klaviatur, krümmte seine Finger zu mächtigen Hämmern, die tatsächlich auch in der Lage waren, aus den Fingergelenken heraus Donnertöne zu erzeugen. Um so größer war die Überraschung, wenn sich plötzlich die Hände entspannten und zarteste Klangspuren aus den Tasten streichelten. Größer kann man zumindest das Spektrum der Dynamik nicht spannen.

Und das war schon deshalb ein Qualitätsmerkmal, weil es mit komplexen Werken von Schumann und Prokofjew vor allem darum ging, Klarheit und Transparenz im Text zu schaffen. Und selbst in der nahezu maschinell konzipierten Toccata op. 11 von Prokofjew vermochte Korobeinikov im präzisesten Hacken in die Tastatur noch feinsinnige Nuancierung zwischen den einzelnen Abschnitten zu meistern. Noch in diesem rasant-virtuosen Wirbelsturm war damit ein sorgfältiges Changieren in der Charakteristik verbunden.

Im Ausdrucksspektrum setzte Korobeinikov ebenfalls auf Kontraste und entschiedene Färbungen. Diffuses kam darin nicht vor: Korobeinikov weiß exakt, wie er seine gestochen scharfen Bilder zu malen hat. Das sorgte in den "Etüden in Form freier Variationen über ein Thema von Beethoven" WoO 31 bei der Anreihung der jeweils nur im Kerngedanken ausgearbeiteten Variationen schon für eine Bilderfolge, wie sie geradezu einer Fantasie hätte gerecht werden können. Dass Schumanns Fantasie op. 17 folgte, ergab also nicht nur wegen der inhaltlichen Verbindung durch Beethoven-Zitate eine schlüssige Programmgestaltung, zumal sich Prokofjews Toccata auf das Vorbild einer Schumann-Toccata stützt.

Andrei Korobeinikov brachte aber auch das rhapsodische Erzählprinzip ins Spiel. Und das sorgte in Prokofjews Sonata op. 84 aus der Sonatentrias der Kriegsjahre letztendlich für eine überzeugende Erfüllung der schon von den Schumann-Werken angestrebten poetischen Form. Korobeinikov blieb auch in dieser vielschichtigen Komposition stets Herr der Lage, dirigierte souverän sein spieltechnisch begnadet vielseitiges Fingerorchester zu einer Transparenz, die es ermöglichte, dass die vielen thematischen Bezüge auch satzübergreifend mühelos nachvollzogen werden konnten.

Eine großartige Vorstellung, die das am Ende frenetisch klatschende Publikum gerne noch über die nicht minder opulenten drei Zugaben (Werke von Beethoven, Rachmaninow, Tschaikowsky) hinaus ausgedehnt hätte.

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