Kurzkritik:Seelentiefe

Lawrence Power und Antti Siirala beim Klassikforum im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Gewiss, ein so meisterhafter Musiker wie Lawrence Power holt aus jedem halbwegs tauglichen Instrument wunderbare Klänge heraus. Aber wenn auch noch ein so grandioses Instrument, wie eben die Viola von Antonio Brenzi aus Bologna von etwa 1610 zu ihm findet, dann sind einzigartige Konzerterlebnisse garantiert, wie sie das Bosco-Publikum in Gauting erleben durfte. Was auch dank der Einfühlsamkeit und hochmusikalischen Sensibilität des Pianisten Antti Siirala entscheidend profitierte. Dass der Finne die Professur von Gerhard Oppitz übernehmen durfte, drückt schon aus, welche tiefgeistigen Qualitäten zu erwarten waren. Und Siirala setzte noch weit mehr drauf, vor allem fein ziselierte Pianistik im perlenden Ebenmaß und wendiger Plastizität. Auf diese Weise vermochte er gerade in den sensiblen Werken, wie den "Märchenbildern" von Schumann und noch mehr in der Sonate Es-Dur op. 120/2 von Brahms, der überaus emotionalen Formung Powers homogen zu folgen. Gerade in Brahms' letztem Kammermusikwerk überhaupt, mit dem er als Erstbesetzung die Klarinette bedachte, doch die Bratsche als gleichwertige Alternative anbot, offenbarte das Duo Power und Siirala eine Seelentiefe, selbst in den zartesten Rücknahmen noch charaktervolle Substanz. Wie strahlend erschien hier die finale Dur-Passage, als hätte Brahms sich damit schon von der Weltbühne definitiv verabschieden wollen. Obgleich die Phantasy von York Bowen weit größere Befreiungs-Fluten produzierte, ermüdeten sie schnell in den elegischen Weiten des in die Länge gezogenen Spannungsaufbaus von pathetischer Dimension. Also weit schwächer als bei Brahms

Der Kontrast zwischen kammermusikalischen Feinheiten und orchestralen Öffnungen sollte in den Arrangements von Orchesterwerken ein zentrales Thema bleiben. Die vier Stücke aus Schostakowitschs Suite aus den Filmmusiken zu "Ovod" setzten in gewisser Weise die Märchenbilder Schumanns in großer, elegischer Form fort, wenn auch etwas pathetisch und plakativ, der sowjetischen Zensur geschuldet. Überzeugender erklangen indes Prokofjews Ballettmusiken aus "Romeo und Julia", die Power noch einmal die Gelegenheit gab, alle Register - bis hin zu raffinierten, zeitgemäßen Spieltechniken - zu ziehen und aus gesanglicher Schönmalerei über narrative Präzision bis hin zu tief empfundener Emotionalität der so menschlichen Rhetorik der Bratsche den Abend als ein Fest der Sinne zu beenden. Der bisweilen schmissig-groteske Prokofjew-Stil deutete sich hier schon deutlicher an als im orchestralen Original seiner dramatischen Szenenfolge.

Siirala vermochte dabei zwischen dem Orchesterersatz und der kammermusikalischen Partnerschaft gewandt und überzeugend zu changieren. Frenetischer Applaus in Überlänge.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: