Gauting droht Verödung:Schlechte Aussichten für beste Lage

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Wieder einmal verlässt ein Geschäft die Bahnhofstraße in Gauting. Kommunalpolitikern gefallen bisherige Interessenten für die Gewerbefläche nicht, weil sie angeblich die Attraktivität des Ortskerns gefährden

Von Michael Berzl, Gauting

Das Geschäftsleben ist ein Reizthema in Gauting. Da gibt es stets Anlass zur Klage. Gern und ausführlich wird dann lamentiert, dass viele Läden im Ort schließen, dass Geschäfte leer stehen oder die falschen eröffnen, zum Beispiel Bestattungsinstitute oder Matratzendiscounter. Aktueller Anlass für neue Besorgnis ist der bevorstehende Umzug einer Drogerie. Dann werden etwa 260 Quadratmeter Verkaufsfläche mitten im Ort frei. Für 5500 Euro pro Monat ist der Laden an der Bahnhofstraße zu haben, und es gibt auch schon einige Interessenten. Die jedoch sind nicht nach dem Geschmack der Kommunalpolitiker, und so tauchen die ersten Probleme auf. Es lässt sich absehen, dass wohl so schnell kein neuer Mieter einziehen wird.

Voraussichtlich im Frühsommer wird ein Neubau an der Starnberger Straße fertig, in den die Rossmann-Filiale umziehen will. Hier wie dort hat der Gautinger Immobilienmakler Wolfgang Bertol die Fäden in der Hand; er hat die neue Gewerbefläche und die zehn Wohnungen darüber vermittelt und sucht jetzt auch die Nachnutzer für den Altbestand. "Schwierig", ist sein erstes Wort, als er diese Aufgabe beschreibt. Damit meint er die Lage des Einzelhandels im Würmtal generell, den er in die Zange genommen sieht zwischen der großen Konkurrenz in München und diversen Billiganbietern. Außerdem ist nach seinen Erfahrungen das 260 Quadratmeter große Geschäft den Lebensmittelketten und Discountern zu klein, für manchen Einzelhändler aus dem Ort aber zu groß. Dennoch gebe es Interessenten: eine Spielothek etwa, einen Matratzenladen oder eine Gemeinschaftspraxis von Ärzten. Allein diese Aussichten entfachen nun erneut eine Diskussionen über die Gautinger Gewerbepolitik, denn denn das sind alles nicht die Nutzer, die sich die Gautinger Kommunalpolitiker wünschen.

Auch wenn es den Gemeinderäten nicht passt, eine Umnutzung der bisherigen Drogerie in Praxisräume können sie nicht verhindern, die dafür nötigen Umbauten jedoch schon. So hat der Bauausschuss am Dienstag eine Verlegung des Eingangs und den Einbau anderer Fenster abgelehnt. Auch eine Ausnahmeregelung für die Zahl der Stellplätze gibt es demnach nicht. Behandelt wurde jedoch nur eine Voranfrage, die vor allem den Zweck hat zu klären, was in dem Gebäude überhaupt möglich ist. Die eigentlichen Entscheidungen stehen wohl erst noch bevor, die Diskussionen dürften jetzt erst richtig beginnen. Zumal sich auch einige Geschäftsleute in der Nähe offenbar für die Flächen in dem Gebäude mitten im Ort gegenüber dem Rathaus interessieren.

Umgebaut werden müsse auf alle Fälle, glaubt Bertol. Das 1960 errichtete Gebäude entspricht in vielerlei Hinsicht nicht mehr den heutigen Standards. Zum Eingang sind zum Beispiel bisher noch Stufen zu überwinden; das ist nicht nur bei einer Drogerie ungünstig. Eine Verlegung des Eingangs ein paar Meter den Bahnhofsberg hinauf sei allein schon deshalb nötig, um einen ebenerdigen Zugang zu schaffen. Die Schaufenster haben außerdem nach den Worten des Maklers noch eine Einfachverglasung, die im Winter schlecht dämmt und im Sommer zu viel Hitze hineinlässt.

Unabhängig davon finden einige Gemeinderäte eine Arztpraxis an dem Standort, den der Makler als "1A-Lage" anpreist nicht ideal. Mit gewohnt drastischen Worten mahnte der parteifreie Gemeinderat und ehemalige Gewerbeverbandsvorsitzende Wolfgang Meiler: "Ich fürchte mich ganz schrecklich. Was sich da entwickelt, ist der Tod des Zentrums". Mit Spott beschrieb Ariane Eigslperger einen aus ihrer Sicht misslungenen Branchenmix im ganzen Ort: "Dann gehen wir frisch frisiert zum Arzt, wenn wir uns von der übertriebenen Bäckerauswahl erholen müssen".

Dass es Nachholbedarf gibt und viel Kaufkraft aus der Gemeinde abfließt, haben auch Marketingexperten schon in Untersuchungen festgestellt. Nun soll es ein Gewerbemanager richten. Im vergangenen Herbst hat der Gemeinderat beschlossen, diesen Posten neu zu schaffen, der dann Anlaufstelle für Geschäftsleute und Unternehmen sein soll. Seine Aufgabe wird es sein, Betriebe in der Gemeinde zu halten und neue Unternehmen zu holen. Doch diesen Ansprechpartner gibt es bis jetzt noch nicht.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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