Gauting:Rückkehr der alten Dämonen

Gauting Bosco Neujahresempfang CSU mit Charlotte Knobloch

Die demokratischen Kräfte haben bei der Eindämmung der rechtsradikalen Bewegung versagt, meint Charlotte Knobloch.

(Foto: Nila Thiel)

Charlotte Knobloch warnt beim CSU-Neujahrsempfang vor einem neu aufkeimenden Antisemitismus

Von Blanche Mamer, Gauting

"Ich komme immer gern nach Gauting, denn ich habe eine besondere Beziehung zu ihrem Ort", sagt Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, am Dienstag. Sie ist Ehrengast beim Neujahrsempfang der Gautinger CSU im Bosco. Weil zeitgleich im Rathaus die Gemeinderatsdiskussion um das Bürgerbegehren stattfindet, sind nur einige CSU-Vertreter gekommen. Die Einladung stand schon länger fest, ein neuer Termin war nicht möglich, bedauerte der Ortsvorsitzende Stephan Ebner die Überschneidung. Gekommen sind jedoch Landrat Karl Roth, sein Vize Georg Scheitz und die Kreisvorsitzende Stephanie von Winning, die mit großem Interesse der Einschätzung von Charlotte Knobloch zum neu aufkeimenden Antisemitismus lauschen.

Sie beginnt mit dem eigenen Erleben und berichtet, wie sie als Sechsjährige in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 an der Hand ihres Vaters, nach einer anonymen Warnung, die Wohnung in München verlassen hatte. Die beiden irrten durch die Straßen, vorbei an der rauchenden Synagoge und den zerstörten jüdischen Geschäften. Sie berichtet von den wütenden und enthemmten Leuten, die ihrem Hass freien Lauf ließen, sie berichtet, wie jüdische Menschen aus ihren Wohnungen gezerrt und in dunkle Fahrzeuge gestoßen wurden. Darunter auch bekannte Gesichter und geliebte Menschen.

Vater und Tochter flohen zu Fuß nach Gauting, wo der Vater gute Bekannte hatte: Herr und Frau Kasselmann. Dort fanden sie Schutz und verbrachten die Nacht. Das Ehepaar half nicht nur in dieser Nacht, es rettete dem Vater Fritz Neuland das Leben. Der Anwalt hatte als Zwangsarbeiter in einer Fabrik in München Batterien herstellen müssen, wobei er in der Folge sein Augenlicht fast vollständig verlor. Nachdem er von seinem Deportationsbefehl erfuhr, fand er erneut Unterschlupf bei Kasselmanns. Sie versteckten ihn bis Kriegsende auf ihrem Speicher und riskierten damit ihr Leben. Das werde sie nie vergessen, "das ist meine Beziehung zu Gauting", sagt Knobloch. Ihr Vater, der spätere bayerische Senator, habe alles getan, um "unser Land, die Demokratie, den Rechtsstaat mitaufzubauen". Anfangs habe sie die Hoffnung nicht geteilt, sie wollte das sogenannte Land der Mörder verlassen. Doch mehr und mehr zeigte sich, dass jüdisches Leben wieder selbstverständlich werden konnte.

Nun allerdings, da die Ära ohne Zeitzeugen naht, sind in den USA und in Europa die alten Dämonen erwacht, allen voran Nationalismus und völkische Eigensucht. "Leider haben die demokratischen Kräfte bei der Eindämmung der rechtsradikalen Bewegung versagt. Ich wünsche mir parteiübergreifende Strategien und Einigkeit gegen die braune Gefahr." Indes droht nicht nur Gefahr von rechts, sondern auch von links und von Muslimen, aber auch aus der Mitte der Gesellschaft. Antijüdische Ressentiments, Straf- und Gewalttaten nehmen zu. Das weitgehende Tabu antisemitischer Äußerungen sei längst durch eine Gewöhnung an judenfeindliche Tiraden ersetzt worden. Die gängige Form des Antisemitismus trete unter dem Deckmantel einer Ablehnung der Politik des Staates Israel auf. Bestes Beispiel: die weltweite Kampagne BDS, die den Boykott Israels auf allen Ebenen fordere. Doch nun gehe es darum, den Aufstieg der AfD zu stoppen und den Einzug in den Bayerischen Landtag zu verhindern.

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