Gauting:Retter der krummen Karotte

Joachim Schwarz und Timo Kreuzer verarbeiten Gemüse aus der Region, das nicht der EU-Norm entspricht. Für "Unser Land" stellen sie daraus in einem ehemaligen Unterbrunner Ochsenstall Bio-Suppen her

Von Astrid Becker, Gauting

Es gibt Momente, in denen Köche zu schwitzen beginnen - und das keineswegs nur, wenn es zu heiß in der Küche ist. Manchmal tropft der Schweiß auch dann von der Stirn, wenn es um neue und auf den ersten Blick recht schwierige Aufgaben geht, vor die sie gestellt werden. Bei Joachim Schwarz und Timo Kreuzer dürften es einige schlaflose Nächte, viele Tassen Kaffee und lange Gespräche gewesen sein, bis sie wussten, wie sie eine Vision der Solidargemeinschaft "Unser Land" umsetzen können: Nur aus Zutaten hiesiger Erzeuger schmackhafte Suppen zuzubereiten, die ohne Geschmacksverstärker wie Glutamat oder Hefeextrakt und Konservierungsstoffe auskommen.

Genauer gesagt sollte es dabei um krummes Gemüse gehen. Gelbe Rüben, Kartoffeln oder auch Kürbisse beispielsweise, die es nicht in den Handel schaffen und bislang stattdessen in Viehmägen und Biogasanlagen landeten - weil sie rein optisch nicht den EU-Normen entsprechen und der Verbraucher lieber zu makellosem Grünzeug greift. Bei der Idee von Unser Land ging es also darum, der Verschwendung von Nahrungsmitteln Einhalt zu gebieten. Schwarz und Kreuzer haben den Schweiß auf der Stirn gern in Kauf genommen, als ihnen eines Tages von Unser Land angetragen wurde, diese Suppen zuzubereiten.

Was sich für Laien ganz einfach anhören mag, ist tatsächlich ziemlich kompliziert. Denn ursprünglich sollten alle Zutaten aus der Region kommen. Salz, Pfeffer oder auch Curry wachsen hier aber bekanntlich nicht. Ein paar Ausnahmen mussten sich die beiden Herren also ausbedingen. Und da war auch noch ihre persönliche Vorgabe: Alle Zutaten sollten rein Bio sein. Denn "etwas anderes kommt uns nicht in den Topf", wie sie sagen.

Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass "Bio" ohnehin fest in das Konzept gehört, das die beiden Männer aus Weilheim und München mit ihrer eigentlichen Haupteinnahmequelle, der Firma "Jooti", verfolgen. Hinter diesem Namen verstecken sich vegane Bio-Fertiggerichte wie indisches Daal, Paprika-Orangen-Suppe, Chili con Carne mit Soja oder auch toskanischer Bohnensalat. Vor neun Jahren haben sich Kreuzer und Schwarz damit selbstständig gemacht - nachdem sie ein paar Jahre im veganen Restaurant "Saf" im Münchner Zerwirk gekocht haben. Schwarz und Kreuzer sind selbst zwar keine Veganer, nicht einmal Vegetarier. Aber: "Wir haben diese Art der Küche als sportliche Herausforderung empfunden." Beim Kochen ganz auf tierisches Eiweiß zu verzichten, nicht einmal Sahne, Eier, Käse oder Honig verwenden zu dürfen, das erweckte die Neugier der beiden Köche.

Row of carrots with two twisted carrots on white background PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY LRF0

Der Verbraucher bevorzugt optisch makelloses Grünzeug.

(Foto: Fotos: Imago/Ulfers)

Obwohl damals, vor etwa zehn Jahren, der Trend, vegan zu kochen und zu essen, noch längst nicht in München angekommen war , das "Saf" letztlich zu früh eröffnet und nach drei Jahren wieder geschlossen wurde, gab es immer wieder Nachfragen nach veganen Speisen zum Mitnehmen fürs Büro. "Irgendwann haben wir dann drei bis vier Läden beliefert, zum Beispiel das Bistro im Vollcorner." Daraus entstand die Idee, eine Firma zu gründen und vegane Fertiggerichte anzubieten. Zäh seien die Anfänge gewesen, erzählen die beiden Männer, die damals noch in einem Kellergewölbe in Wolfratshausen mit ihren Kochlöffeln hantierten. Viel zu wenig Platz zum Fertigen, sagen sie heute, und überhaupt seien die Arbeitsbedingungen schwierig gewesen: 24 Stufen Zutaten runter in den Keller schleppen, 24 Stufen fertiges Essen wieder nach oben. Drei Bandscheiben hat Timo Kreuzer dafür geopfert. Dann fanden sie über einen Immobilienmakler ihre neuen Räume im einstigen Ochsenstall des Gasthofs Böck in Unterbrunn.

Dort arbeiten sie nun in bester Gesellschaft - nebenan der Bio-Hundefutterhersteller Edenfood, auf der anderen Seite Schmidts Ammersee-Catering, das sich ebenfalls auf Bio festgelegt hat. 5000 Portionen dieser "Jooti"-Fertiggerichte werden an fünf Tagen in der Woche in der Küche von Kreuzer und Schwarz hergestellt , "handwerklich, also echt gekocht", wie sie sagen. Die Unser Land-Biosuppen, die sie nun schon seit drei Jahren kochen, nehmen heute etwa "ein Achtel bis ein Fünftel" der Kapazitäten in Anspruch. Ein wenig hängt die davon hergestellte Menge auch von der Jahreszeit ab: "Logisch", meinen die beiden. In der kühleren Jahreszeit esse jeder lieber etwas Heißes als im Sommer.

Das Gemüse für ihre Unser Land-Suppen bekommen sie von Biobauern aus dem Dachauer und Augsburger Land, die sie mit Kartoffeln, Karotten, Sellerie oder auch Kürbis beliefern. Bereits fertig geschnitten kommt es in Unterbrunn an, "denn wir schneiden nicht selbst, das schaffen wir nicht". Fünf verschiedene Suppen werden mittlerweile daraus gekocht und in den Super- und Biomärkten der Region angeboten : aus Kartoffeln, Karotten, Kürbis, Erbsen und Linsen.

Gauting: Krummes Gemüse landet bei Joachim Schwarz (links) und Timo Kreuzer im Kochtopf.

Krummes Gemüse landet bei Joachim Schwarz (links) und Timo Kreuzer im Kochtopf.

(Foto: Arlet Ulfers)

Vor allem die Suppen aus den Hülsenfrüchten sind etwas Besonderes. Denn sie stammen aus dem Mischfruchtanbau, einem traditionellen Anbauverfahren, das beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Dabei werden gleichzeitig verschiedene Saaten auf einem Acker ausgebracht, dadurch wird die Artenvielfalt erhöht. Kreuzer und Schwarz finden das zwar toll, doch einfach ist der Umgang mit diesen beiden hiesigen Gemüsesorten nicht: "Die Linsen, die hier wachsen, werden gern zu hart oder zu matschig."

Und dann war da ja auch noch die Frage, wie diese Suppen ganz ohne Konservierungsmittel oder dergleichen haltbar gemacht werden können. Auch darüber gerieten die beiden Herren über ihren Suppenkesseln schwer ins Grübeln, bis sie eine Lösung dieses Problems fanden. Heute füllen sie die fertigen Suppen ganz heiß in 450 Millimeter-Becher - die der Konsument sogar in der Mikrowelle erhitzen kann - und kühlen diese Becher dann ganz rasch nach unten. So kann sie der Verbraucher locker drei Wochen im Kühlschrank aufheben.

Etwa ein Jahr lang hat es gedauert, bis das Suppenkonzept für Unser Land fertig ausgetüftelt war und erstmals 2013 verkauft werden konnte. Auch wenn sich viel Zeit, viel Arbeit und viel Engagement dahinter verbirgt - die beiden Männer bereuen ihre Entscheidung, sich dem krummem Gemüse anzunehmen, nicht: "Was wir tun, ist sinnvoll. Und das macht Spaß."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: