Kurzkritik:Reich beschenkt

Dem zehnjährigen Bestehen des Gautinger Kammerchores St. Benedikt war diese musikalische Vesper gewidmet. Den zweiten Anlass verschwieg der Komponist und musikalischer Leiter Johannes X. Schachtner: seinen 30. Geburtstag. Der war entscheidend dafür, dass es eine Art Porträtkonzert mit eigenen Werken wurde, aber auch mit Bearbeitungen oder von Schachtner instrumentierten Kompositionen älterer Meister. Wohl als Geburtstagsgeschenk hatte Schachtners Vater, der Leiter der Kirchenmusik in St. Benedikt, die Einstudierung der Werke übernommen.

Schachtner Junior hegt eine Vorliebe für Beziehungen zwischen Neuer und älterer Musik. Allzu weit ging er allerdings diesmal nicht mit den Rückgriffen, dafür stellte er in Programmblöcken knisternde Kombinationen her. So zumindest mit seinem "... in cruce pro homne...?", das sich aus Mozarts "Ave Verum" entwickelt. Dabei ging es ihm auch um ein räumliches Erleben der Musik. Im Kirchenraum in Kreuzform verteilt, kommentierten zwei Trompeten (Maja Stucky links und Kilian Dicke-Stucky rechts) sowie ein zum Teil brachial mit Karfreitagsratsche und Tempelblock agierender Schlagwerker (Balthasar Schachtner hinten) das Geschehen im Chorraum mit dem Kirchenchor St. Benedikt sowie dem Orchester der dortigen Kirchenmusik. Dieses akustische Raumerleben machte Schachtner in der Uraufführung seiner "Liturgischen Musik" geradezu zum Hauptthema. Den Orgelimprovisationen von Wolfgang Gesierich setzten hier Frauenstimmen des Jugendchores in vier Gruppen sich wiederholende Phrasen entgegen, während die Chorgruppen gegenläufig den Kirchenraum umkreisten. Umso mehr als Monolith erschien "Epitaph" für Violine solo mit Karlis Norde, der ein wunderbares Kraftfeld zwischen aggressiver Spannung und klangsinnlicher Rücknahme bis hin zu zartesten Klangspuren kreierte, die mit düsterem Lamento verebbten. Wie versöhnlich und extrem romantisch erklang dagegen "In Paradisum" von Théodore Dubois, das Schachtner von einem Orgelstück in eine Sopran-Arie mit großem Chor und Kammerorchester verwandelt hatte. Sopranistin Verena Schmid brillierte mit klarer, lyrischen Stimme, die sie wirkungsvoll im weiten Bogen über allem schweben ließ.

Das Konzept war dramaturgisch glänzend arrangiert. Der Einstieg in den breiten Klangkörper des Chores von schillernden Sopranhöhen aus in Schachtners "Ave Maria" fesselte vom ersten Ton an. Mendelssohns "Verleih und Frieden" in Schachtners düsterer Instrumentation bog sogleich in Ernsthaftigkeit ab. Zum Finale sollte die Reihenfolge umgekehrt vom festlich barock angelegten "Christus Vincit" mit Pauken und Blechbläsern von Julius van Nuffel ausgehen. Einen kleinen Gag scheint Schachtner in seinem "Pater Noster" versteckt zu haben: Während die Männerstimmen rezitativisch das Gebet sangen, glitt der Kontrabass unentwegt auf und ab, als ginge es um den gleichnamigen Aufzug, der mit ostinatem Snare-Drum-Puls ratterte. Und auch hier setzte Schachtner - souverän am Pult im Differenzieren der stilistischen Unterschiede - auf überraschende Wirkung. Nach seiner recht spröden Kantate ergoss sich Josef Rheinbergers Abendlied in Schachtners Bearbeitung für Chor und Orchester (Uraufführung dieser Fassung) in voller Seelentiefe. Lang anhaltender Applaus.

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