Gauting:Ort intimer Geheimnisse

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Alexandra Hähr in ihrer "Wäschetruhe", die nun nach 35 Jahren schließt. (Foto: Georgine Treybal)

Die "Wäschetruhe" schließt nach 35 Jahren, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt

Von Blanche Mamer, Gauting

Es wird etwas fehlen im kommenden Jahr in der Bahnhofstraße in Gauting ohne die "Wäschetruhe". Nach 35 Jahren wird Alexandra Hähr das Wäschegeschäft aufgeben, das ihre Mutter Elfriede Hähr 1981 eröffnet hat. Seit 22 Jahren ist Alexandra Hähr die Chefin. "Es waren schöne Jahre, doch an Heiligabend ist Schluss", sagt sie. Dann wird die Tür zugesperrt und erst wieder geöffnet, wenn sich ein seriöser Interessent findet. Sie wolle auf jeden Fall, dass ein Einzelhändler die Räume übernimmt.

"Es kommt definitiv kein Bestattungsinstitut rein, kein Frisör und kein Bäcker", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Das sei nämlich das erste, was die Kunden ihr gesagt hätten. Mit zwei möglichen Interessenten für den Laden sei sie im Gespräch gewesen. "Zuerst wollten sie, doch dann haben sie sich doch nicht getraut."

Der Abschied fällt ihr nicht leicht. Ihre Stammkunden vermisst sie jetzt schon. Alexandra Hähr ist in Gauting aufgewachsen und zur Schule gegangen, hat hier gewohnt, dann in Buchendorf, wo die Familie auch ihre Reitpferde stehen hatte. Auch als sie nach Landsberg gezogen ist, "wegen meines großen Hundes", spielte ihr Leben weiterhin in Gauting. Ihre Mutter lebte hier bis zu ihrem Tod 2013. Hähr war im Gewerbeverband und hat vor 15 Jahren als Parteifreie auf der FDP-Liste für den Gemeinderat kandidiert.

Warum sie aufgibt? Ihre Antwort kommt prompt: Das Einkaufsverhalten habe sich sehr verändert. Vorbei sei die Zeit, als die Mütter mit den Töchtern kamen, um den ersten BH zu kaufen und die Töchter dann wieder zu treuen Kundinnen wurden. Heute bestellten sich die Mädchen, wenn überhaupt, ihre BHs übers Internet, und mal bei dem einen, mal bei dem anderen Anbieter, bedauert sie. Das Kundenverhalten werde sich immer weiter zu Ungunsten der kleinen Einzelhändler bewegen. Das könne man in Gauting ganz gut beobachten, findet sie. In den vergangenen Jahren hätten einige Modegeschäfte im höheren Preissegment geschlossen, es gebe nun nur noch zwei, drei exklusive Geschäfte. Gekommen seien die Ketten und die Billigläden. Und wenn die Gautingerin für ein Kleid oder einen schönen Pulli nach München oder eine der Nachbargemeinden fahren müsse, dann kaufe sie dort auch gleich ihre Unterwäsche und nicht in der Heimatgemeinde.

"Ich war meinen Kundinnen immer sehr nah. Unterwäsche ist etwas sehr Persönliches, Intimes, und beim Anprobieren schütten die Frauen ihr Herz aus. Über die Jahre habe ich viele Geheimnisse erfahren und könnte viele Geschichten erzählen", sagt sie. Ihr Herz hänge nicht nur an der Kundschaft, sondern auch am Ambiente. Sie habe schon mehrere Anfragen wegen der großen Kommode mit den zahlreichen Schubfächern. Doch das hat sie längst geklärt: Da sie an ihren Erinnerungen hängt, wird sie das maßgefertigte Möbelstück mitnehmen. "Auch das Ladenschild, für das ich damals, als ich anfing, lange gespart habe, geht mit mir mit ", erklärt sie. Ein neues Projekt hat sie nicht. Mit 52 ist sie schließlich zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, aber noch jung genug, um sich ein paar Jugendträume zu erfüllen. Sie werde sich erst mal ein "Sabbatical" gönnen, sich Zeit für sich nehmen, reisen, eine Zeitlang im Süden leben, auf einer italienischen Insel vielleicht. Später will sie bei ihrem Bruder im Marketing mitarbeiten. Er besitzt eine Schreinerei in Landsberg. Auf die Frage nach der Finanzierung gibt sie freimütig zu, dass sie sich die Auszeit nur leisten könne, weil sie das Haus geerbt habe.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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