Gauting:"Mich reizt die Gestaltung"

Gauting: "Mit Nico Gulda hatte ich meine schönsten Konzerterlebnisse": Sänger und Festivalleiter Florian Prey.

"Mit Nico Gulda hatte ich meine schönsten Konzerterlebnisse": Sänger und Festivalleiter Florian Prey.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der renommierte Sänger Florian Prey aus Krailling über seine beiden Festivals in Gauting und Bad Urach, seinen berühmten Vater und seine Leidenschaft für Film, Malerei und Fotografie

Interview von Gerhard Summer, Gauting

Allüren sind ihm fremd: Der lyrische Bariton Florian Prey gehört zu den Vertretern des besonders natürlichen Gesangs, und so ist der jugendlich wirkende 57-Jährige auch im Gespräch: nie gekünstelt, bescheiden, sehr zuvorkommend und offen. Die SZ sprach mit dem Sänger, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Gauting lebt, über sein Festival in seinem Heimatort, seine vielfältigen Talente und seinen weltberühmten Vater, den Opernsänger Hermann Prey.

SZ: Ist es für Sie Last oder Glück, dass Sie der Sohn eines Stars sind, der noch dazu im gleichen Fach gearbeitet hat?

Florian Prey: Glück insofern, als ich in diese Materie hineingeboren bin. Ich war von klein auf mit der Musik meines Vaters verbunden, ich habe ihn üben gehört, ich bin in vielen, vielen Konzerten mit dabei gewesen. Ich habe das alles in mich aufgesogen. Das war für mich natürlich ein großes Glück. Dass ich dann selbst den Beruf ergriffen habe, war eher mutig, ja.

Weil Sie sich dem Vergleich stellten?

Das ist jetzt weniger geworden. Als mein Vater noch lebte, war das mehr ein Thema.

Sie waren damals praktisch parallel auf den Bühnen unterwegs?

Ja, mein Vater war ein weltberühmter Mann, und ich habe eine kleinere Karriere gemacht und im Stadttheater gesungen.

Aber auch große Opern.

Große Opern und Rollen, klar, aber nicht an der Metropolitan Opera, sondern am Aachener Stadttheater.

Und im Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz.

Ja, aber es sind andere Dimensionen. Das war für mich auch völlig in Ordnung so.

Sie haben das nicht als Last empfunden?

Streckenweise war es auch belastend, also später im Beruf. Da haben Sie recht: Da wurde verglichen. Wobei mich das nicht sonderlich interessiert hat. Ich hatte einen wunderbaren Lehrer, Professor Hanno Blaschke von der Musikhochschule München. Und er war sich seiner Aufgabe wohl sehr bewusst, als ich als junger Mann, als Sohn des berühmten Hermann Prey, in seiner Klasse aufschlug und fragte, ob er mir Unterricht gibt. Das war für ihn eine große Herausforderung und auch Verantwortung. Und er hat mir vom ersten Tag an immer gesagt: Junge, setz' dir Scheuklappen auf wie ein Pferd und schau' nicht nach links und nicht nach rechts. Denn das Schlimmste war nicht das Publikum, das mich verglich, sondern die Kommilitonen und die Fachwelt.

Oder die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, als sie mit Schubert-Liederzyklen auf Japan-Tournee gingen, und zwar mit dem Pianisten Rico Gulda, dem Sohn von Friedrich Gulda. Die Zeitungen schrieben: Jetzt kommen die Söhne der Stars.

Das war gar nicht so schwierig für uns, im Gegenteil: Die Leute haben uns geliebt, sie waren neugierig, und ich war nicht alleine auf der Bühne. Das ist ein wunderbares Gefühl, einen Freund an der Seite zu haben, der genau das gleiche Schicksal hat. Zusammen konnten wir uns austauschen und dem Publikum begegnen, das war wunderbar. Mit Rico Gulda hatte ich meine schönsten Konzerterlebnisse. Wir planen jetzt wieder, Konzerte zu geben.

Sie führen viel von dem fort, was Ihr Vater begonnen hatte, das Musikfestival in Bad Urach zum Beispiel. Und wie Hermann Prey, der in vielen Musiksendungen auftrat, haben Sie diese Leidenschaft für den Film. Sie waren Regieassistent von Herbert Achternbusch, und Sie haben mehrere Filme gedreht, "22 KM gegen rechts", "Montag" und "Am Arsch". Worum geht es in "Am Arsch".

Der "Arsch" wurde nie veröffentlicht, es war ein Super-8-Streifen, in dem Lehrer, Künstler und Neureiche nicht so gut weg kamen. Wir haben uns als Jugendliche mit 15, 16 Jahren hinter und vor die Kamera gestellt und Filme gemacht. Das war meine große Leidenschaft.

"22 KM gegen rechts" ist vor 20 Jahren entstanden, da waren Sie 37.

Ja, stimmt. Das ist eigentlich ein interessanter Streifen, weil ich mit diesen Rechtsradikalen, die damals schon sehr bei uns spukten, abrechnen wollte. Wir wollten mit diesem Film ein Zeichen setzen. "22KM gegen rechts" lief im Münchner Stadtmuseum und anderen kleinen Programmkinos, aber er war mit 45 Minuten nicht abendfüllend.

Sie sind ein vielseitig begabter Mann. Auf Ihrer Homepage ist aufgeführt: Maler, Autor, Fotograf, Regisseur. Wie sind Sie zum Singen gekommen?

Zum Singen bin ich sehr früh gekommen. Ich habe immer schon als Junge gesungen, aber nicht in Knabenchören, das war nichts für mich. Später mit 16 bin ich in den Kirchenchor gegangen, da waren auch ein paar nette Mädels, das hat mich mehr interessiert als ein Knabenchor. Rudi Pscherer, der damalige Kantor in Gräfelfing, hat meine Stimme entdeckt und mich bei seinen Kirchenmusikprojekten eingesetzt. Dann habe ich auch mal meinem Vater vorgesungen, er meinte: "Hm, hm, ich lass dich mal prüfen". Als mein Vater in Covent Garden engagiert war und die ganze Familie nach London kam, bin ich zu dem berühmten Gesangspädagogen Eric Vietheer geschickt worden und habe ihm ein paar Vokalisen vorgesungen. Er hat mich zu Hanno Blaschke empfohlen, so bin ich an die Musikhochschule gekommen.

Man stellt sich ja eher vor, dass ein berühmter Opernsänger, dem der eigene Sohn vorsingt, sofort sagt: Ach komm, lass uns mal zusammen was üben.

Mein Vater, glaube ich, war kein so glücklicher Pädagoge. Rein technisch Gesang zu unterrichten, das war nicht seins. Wir haben versucht, technisch miteinander zu arbeiten, aber das war nicht besonders fruchtbar. Außerdem hatte er nicht so viel Zeit, er war ständig auf Achse. Wir haben aber zweimal zusammen gesungen, er wollte sogar, dass ich öfters mit ihm auftrete, aber da war ich zu scheu. Das war mir eine Nummer zu brenzlig. Aber mit ihm zusammen zu singen, das war rückblickend eine der beglückendsten Erfahrungen, die ich machen durfte.

Ihr Vater war sehr viel auf Reisen, Ihre Mutter hat ihn oft begleitet, Sie sind bei den Großeltern aufgewachsen. Aber es ist nicht so, dass Sie sagen: Was haben meine Eltern nur getan?

Nein, ich finde es wunderbar, dass sie das gemacht haben, ich bin auch sehr stolz auf meinen Vater. Er war, so darf man es vielleicht formulieren, besessen, begeistert und getrieben von seiner Arbeit und immer voller Ideen.

Sind Sie auch besessen?

Eher nicht.

Bei Ihnen verteilt sich das ja auch auf viele Leidenschaften. Ihre Gemälde zum Beispiel, die Sie auch ausgestellt haben.

Ja, das war auch so eine Episode mit der Malerei. Ich habe viele Jahre viel gemalt, vielleicht auch, um etwas zu kompensieren, um Luft abzulassen. Und mich hat das Malen deshalb so interessiert, weil ich mich darin so verlieren konnte. Ich bin ein intuitiver, ein spiritueller Maler. Ich habe keinen Plan, die Bilder entstanden beispielsweise aus der Musik und den Gefühlen heraus, die mit der Musik zu tun haben.

Meinen Sie Luft ablassen im Sinne von Ausgleich zum Beruf?

Ja, für mich war das jahrelang sehr wichtig. Dieses Alleinsein, dieses In-sich-Hineintauchen, so habe ich früher auch meine Drehbücher geschrieben. Deswegen ist das alles so eng beieinander.

Sie sagen, Singen ist eine friedliche Welteroberung, können Sie das erklären?

Ich habe mir überlegt, was manche Menschen doch für einen Dreck hinterlassen, Baulöwen etwa, die alles zubauen mit schrecklichen, unmotivierten Gebäuden, um Geld zu machen. Das Geld ist nicht einmal da, es ist irgendwo in der Luft und auf dem Bankkonto. Dieser Spruch meint: Ich mache keinen Dreck, beim Singen kommt aus meinem Hals vielleicht etwas Methan, was weiß ich, eine Kuh entwickelt mehr davon. Aber letztlich bin ich harmlos mit meinem Beruf. Das ist jedenfalls keine schmutzige Welteroberung, wo man schnell mal für 110 Milliarden Dollar Waffen nach Saudi-Arabien verkauft und Krieg macht.

Was reizt Sie an der Festivalleitung?

Mich reizt die Gestaltung. Ich leite zwei Festivals, die unterschiedlich sind: einmal das Gautinger, das ich mit meinen Vereinskollegen mühselig aus dem Nichts entwickelt habe, alles ehrenamtliche Arbeit, da fließt kein Geld für uns. Die Künstler treten gerne bei uns auf, auch ohne viel dabei zu verdienen. Zum anderen das Festival in Bad Urach, für das ich ein Budget habe. Aber da erwartet man auch, dass ich berühmte Künstler einlade, die Publikum auch durch ihre Namen generieren. Bei den Herbstlichen Musiktagen Bad Urach muss man sehr genau kalkulieren, hart verhandeln auch mit den Musikern und Agenten, aber ich habe trotzdem meine Freiheit zu gestalten. Und so entsteht auch dort, so wie in Gauting, ein sehr spannendes Festival mit immer wieder atemberaubenden Entdeckungen, reizvollen Gegenüberstellungen. Für mich ist es ganz wesentlich, dass es Festspiele sind, die eine eigene Dynamik von Exklusivität haben. Ich möchte eine harmonische Einheit zwischen Werken, Künstlern und Zuhörern schaffen und zusammen mit den Künstlern unser Publikum berühren, verzaubern, in eine andere, entrückte Welt entführen.

Kann sich Gauting nicht glücklich schätzen? Ein Förderverein erhält die Remise, und ein renommierter Sänger organisiert ein spannendes Festival. Gibt es von Gauting einen Zuschuss dafür?

Nein. Wir haben für das Gebäude immer etwas bekommen, aber für das Festival selbst nicht. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass die Kreissparkasse und das Landratsamt etwas dazu sponsern. Aber wir könnten insgesamt mehr Unterstützung gebrauchen.

Das Kleine Sommerfestival dauert bis 9. Juli. Am 5. Juni, 11 Uhr, geben Florian Prey und Wolfgang Leibnitz in der Remise von Schloss Fußberg eine Liedermatinee mit Werken von Schumann und Brahms.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: