Gauting:Merkelisch

Gauting Bosco Willemsen

Launig und facettenreich: Roger Willemsen im Gautinger Bosco.

(Foto: Georgine Treybal)

Roger Willemsens Comedy-Programm

Von Blanche Mamer, Gauting

"Ich habe für Sie gelitten, meine Damen und Herren, speziell im rektalen Bereich", erklärt der Publizist und früherer Fernsehmoderator Roger Willemsen am Donnerstag im fast ausverkauften Bosco. Die ersten Lacher! Ein Jahr lang, von der Neujahrsansprache der Kanzlerin in "futuristischer Silberweste" 2012 bis zu ihrer Neujahransprache 2013 - diesmal trägt sie einen Panzer aus Goldlamé -, hat er Tag für Tag die Debatten im Bundestag verfolgt, und für die Nachwelt notiert. Aus seinem Buch "Das Hohe Haus" hat er ein Comedy-Programm gemacht, das er zusammen mit Schauspielerin Annette Schiedeck und Hörfunk-Moderator Jens-Uwe Krause präsentiert. Willemsen geht gut gelaunt auf das Publikum ein, improvisiert, begrüßt eine Besucherin, die zu spät kommt.

Eines vorneweg: Ohne Schiedeck wäre diese szenische Lesung nicht so grandios. Die Schauspielerin hat nichts von der Kanzlerin, hat aber deren Duktus genau drauf. Schließt man die Augen, hört man feinstes Merkelisch. Klar, sie kann auch Ilse Aigner, Dorothee Bär oder Renate Künast. Ihre Kanzlerin-Worthülsen sind aber nicht zu übertreffen.

So ein Tag auf der Tribüne des Hohen Hauses kann bis tief in die Nacht hinein dauern, berichtet der geniale Beobachter Willemsen. Menschlich gehe es hier nicht zu, selbst wenn der Begriff unzählige Male pro Sitzung missbraucht werde: "Wir müssen an die Menschen denken - Schauen wir uns doch die Menschen im Lande an - Wir müssen uns fragen, wollen die Menschen das?..." Blablabla. Schnell wird klar, dass diejenigen, um die es gehen sollte, nicht vorkommen, sie werden lediglich verwaltet.

Eindeutig wird dieses abgehobene Un- menschliche in den Neujahrsansprachen der Kanzlerin, für Willemsen "Manifestationen ritueller Zwecklosigkeit". Planungssicherheit, Augenmaß, freie Marktwirtschaft, Gestaltungswille, Masterplan, Freiheit..." Worthülsen. "Sprache hat kein Zuhause im Mund unserer Kanzlerin", so Willemsen. Amüsant ist das, doch vor allem todtraurig. Eigentlich müsste man doch weinen, wenn einem klar demonstriert wird, welche Vertreter man da über sich entscheiden lässt.

Nach der Pause berichtet Willemsen jedoch von einem menschlichen Augenblick in der letzten Sitzung vor der Sommerpause, dem einzigen im ganzen Jahr. Da spricht Schiedeck für eine Abgeordnete der Grünen leise den Satz "Das Leben ist schön" und wird vom Bundestagspräsidenten ermahnt, doch bitte zum Schluss zu kommen. Zurück an ihren Platz bricht sie zusammen, erleidet einen schweren Schlaganfall.

Es war eine inhaltlich starke Performance, das Publikum war glücklich,. Bleibt zu hoffen, dass die Zufriedenheit nachlässt und das Grundsätzliche nachwirkt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: