Gauting:Meister der Verwandlung

Gauting: Beherrschen viele Nuancen: Die Musiker des Minguet Quartetts und Gérard Caussé (links).

Beherrschen viele Nuancen: Die Musiker des Minguet Quartetts und Gérard Caussé (links).

(Foto: Arlet Ulfers)

Das Minguet Quartett und Gérard Caussé beherrschen viele Nuancen

Von Reinhard Palmer, Gauting

Streichquintett-Ensembles mit zwei Bratschen gibt es kaum. Das Repertoire ist wohl zu klein, um damit über Jahre hinweg spannende Programme zu kreieren. Bedauerlich, dass diese Gattung nicht den Stellenwert bekommt, den sie verdient hätte; doch die wenigen Meisterwerke sind ein einziges Plädoyer für diese Besetzung. Das gilt erst recht, wenn ein überaus musikalisch formendes Ensemble wie das Minguet Quartett von einem so seelentief empfindenden Bratscher wie Gérard Caussé ergänzt wird. Seine Viola von Gasparo da Salò aus dem Jahr 1560 steuerte ein unmittelbar ansprechendes, warmtoniges wie charaktervolles Timbre bei.

Dass die herausragende Besetzung das Bosco nicht gänzlich zu füllen vermochte, lag wohl am Streichquartett Nr. 1 "Métamorphoses nocturnes" von György Ligeti. Es gehört offenbar zu diesen Werken des 20. Jahrhunderts, die mit ihrer Modernität noch immer einige Kammermusikfreunde abschrecken. Letztendlich erwies sich aber gerade dieses Stück als der mit den meisten Ovationen bedachte Programmpunkt. Das konzentriert, doch eng mit dem Publikum verbunden agierende Quartett interpretiert generell überaus intensiv und den Sinnenfreuden zugetan. Ligetis Werk gibt dazu weit mehr gestalterische Möglichkeiten an die Hand, als die Werke von Mozart und Brahms. Ligetis Variationsfolge über ein aphoristisches Thema mit gerade einmal vier Tönen, die zudem chromatisch angeordnet einen extrem reduzierten Tonraum umfassen, hebt vor allem die künstlerische Imagination des Komponisten hervor. Mit allen spieltechnischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts ausgestattet - die das Minguet Quartett mit höchster Präzision und Sorgfalt einsetzte - wurde das oft cluster-artig geführte Geschehen zur fesselnden Erzählung von extremen Emotionen zwischen zart sinnierendem Hauch und aggressiven Ausbrüchen in geradezu brüllender Intensität.

Dieses ereignisreiche Werk stand in extremem Kontrast zum vorangegangenen Mozart-Quintett C-Dur KV 515. Es wäre zwar möglich, diese reife Komposition mit mehr Kraft und energischeren Pointierungen, zu spielen - wie es das Ensemble tatsächlich auch in der Wiederholungszugabe tat. Doch zogen es die Musiker zunächst vor, im geschmeidigen Duktus des 18. Jahrhunderts zu bleiben und den Reichtum an klanglichen Kombinationen feinsinnig auszukosten: Also eher fließende Pinsellasuren statt pastosem Spachtelauftrag, doch keinesfalls zaghaft. Was die Qualität der Interpretation aber vor allem ausmachte, war der Sinn für die weitläufigen Entwicklungen der überdimensionierten Komposition, die von enorm vielen kleinen Schritten lebt. Anders das Streichquintett G-Dur op. 111 von Brahms, der in seinem Werk nicht nur viele Bilder unterbrachte. Was das Ensemble hier so schlüssig darbot, war auch nicht per se stimmig. Wiener Walzer im Kopfsatz, ungarische Folklore im Adagio, Mozartsches Echo im Scherzo, entfesselter Csárdás im Schlusssatz: Das Mingeut Quartett und Gérard Caussé fanden dafür dennoch einen übergreifenden inhaltlichen Bogen. Jeder Themenkomplex wandelte sich trotzdem unentwegt, um jede noch so feine Facette mit einer eigenen Charakteristik auszustatten. Frenetische Ovationen.

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