Gauting:Mecki und das Goggomobil

Lesezeit: 2 min

Der Sammler Hermann Geiger verwandelt das Gautinger Kulturzentrum Bosco in eine Insel der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Zur Ausstellung gehören alte Versandhauskataloge genauso wie eine komplett eingerichtete Küche, Ritterburg und Nierentisch

Von  Blanche Mamer, Gauting

Für den Autofahrer von heute ist das kaum zu glauben: Zu fünft ist die Familie Geiger im schmalen Messerschmitt - Kabinenroller sonntags von Unterbrunn in Richtung Alpen gefahren. Klar, dass so ein erinnerungsträchtiges Gefährt auf drei Rädern unbedingt in die Ausstellung "Sammeln macht glücklich" von Hermann Geiger gehört. Glänzend weiß mit roten Samtsitzen steht es nun im Foyer des Bosco in Gauting - quasi als Appetitmacher auf die zahlreichen Schätze aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, die der Unterbrunner Finder und Sammler im Laufe der Jahre zusammengetragen hat.

1 / 2
(Foto: Arlet Ulfers)

Typisch Sechzigerjahre: Hermann Geiger vor einem Goggomobil...

2 / 2
(Foto: Arlet Ulfers)

...sowie eine Küche im Retrolook.

Er hat alles, woran sich die 40- bis 70-Jährigen erinnern, sogar der leicht modrige Geruch von alten Möbeln und Teppichen empfängt den Besucher beim Betreten des Boschetto, wo sich dann eine wahre Wunderwelt aus Déjà-vus ausbreitet. Die Idee zu der Ausstellung über den Alltag während der Wiederaufbaujahre hatte Bosco-Vordenker Hans-Georg Krause. Es gehe darum, durch Alltagsgegenstände Heimatgeschichte begreifbar zu machen. "Nicht nur über große Politik und Kunst, sondern über das Leben der ganz normalen Menschen kann man sich Geschichte erschließen", findet er. Geiger war sofort Feuer und Flamme, zumal er bei den Ausstellungen auf dem eigenen Hof doch schwerpunktmäßig die Relikte aus dem bäuerlichen Leben zeige. "Ich bin gerade 60 geworden, und fand darum die Fünfziger- und Sechzigerjahre ganz spannend", sagt Geiger. In seinem schier unerschöpflichen Fundus - neben den drei Scheunen auf seinem Hof füllt er mittlerweile auch Räume auf dem Asklepios Klinikgelände - hat er von Kinderspielzeug bis zur Küche und Wohnzimmereinrichtung alles herausgesucht, was in den beginnenden Wirtschaftswunderjahren etwas zählte: Mecki-Figur und Puppenküche, Holzbaukasten und Mini-Elektro-Nähmaschine, Plüschtier mit dem Knopf im Ohr und Ritterburg. Außerdem Elektrogeräte, wie sie vielleicht noch bei einigen Uromas auf dem Speicher oder im Keller zu finden sind, die Schminkkommode mit dreiteiligem Spiegel, der mit Kunststofffell bezogene Hocker, die in die Jahre gekommene unverwüstliche Miele-Waschmaschine mit separater Schleuder, die schnittige Haartrockenhaube, das elektrische Bügeleisen mit Bakelit-Griff, dazu die Anzeigen aus den ersten Versand-Katalogen. Und dann erst die voll eingerichtete Küche aus den Fünfzigern, die so aussieht, als ob die Hausfrau und Mutter während des Kochens mal kurz ihren Arbeitsplatz verlassen hätte. "Rosi Zacher und Sybille Sommer von der Schule der Fantasie haben die Küchen so arrangiert, dass sie lebendig aussieht", sagt Krause.

Ebenfalls typisch Sixties: eine alte Lampe. (Foto: Arlet Ulfers)

Und dann das Wohnzimmer. Neben Nierentisch und Sofa-Sitzecke zeugen das Rattanpflanzengestell, die Radio-Musiktruhe und das Minibar-Schränkchen vom Wohlfühlgefühl der Großelterngeneration. Die üppige Grünlilie darf genauso wenig fehlen wie das Usambaraveilchen, der Asperagus und der Farn. "Und dazu gibt's schöne Musi", so Geiger. Singles von Gus Backus, Connie Francis und Vico Torriani warten darauf, dass sie auf den Pick-up kommen. "Sie werden gespielt", verspricht Geiger, die Geräte sind angeschlossen. Und als Überraschung, ein Star von damals hat versprochen, zur Eröffnung am Samstag, 15 Uhr, zu kommen. Auch die Lampen wurden alle von einem Elektriker überholt. In längst vergilbten Katalogen und Prospekten kann man nachlesen, was die verschiedenen Luxusgüter damals kosteten.

Im Gang zum Boschetto hängen Zeitungen, die von den großen Ereignissen berichten, von Atomversuchen in Sibirien oder den Plänen von Franz-Josef Strauß - der Link zur Politik. Im Foyer im ersten Stock kann man Design von damals bewundern und in der Bar Rosso, passend zum Interieur, der Traum vieler Väter von damals, ein rot glänzendes Goggomobil. Preisfrage: Wie kam der Kleinwagen in den ersten Stock?

Samstag und Sonntag von 15 bis 18 Uhr, wochentags während der Öffnungszeiten des Büro und während der Abendveranstaltungen.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: