Gauting:"In jedem Menschen steckt in Tänzer"

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Tanz im Regen: Die Choreografin Carola von Herder bei einer Aufführung in der Ukraine. (Foto: privat)

Die Choreografin Carola von Herder aus Stockdorf bietet in Odessa ein Tanzprojekt für Deutsche und Ukrainer an

Von berthold Schindler, Gauting

- Die Tänzerin, Choreografin und Regisseurin Carola von Herder ist eine rührige Frau. Wenn sie zu erzählen beginnt, während Hündin Amber mit den bernsteinfarbenen Augen gleichsam beschwichtigend neben ihr liegt, dann hält es sie nur mit Mühe auf dem Stuhl, so viel Leidenschaft sprüht zwischen ihren Worten hervor. Sie ist in vielen Bereichen bewandert, wach und klug sind ihre Beobachtungen, die Sätze sprudeln nur so aus ihr heraus. Es geht um Bach, Gogol, Nietzsche, Picasso, Eisenstein, Tanzen als therapeutisches, spirituelles und natürliches Erlebnis sowie sinnlichen, ästhetischen Tiefgang in Abgrenzung zur reinen Unterhaltung, die sie für ihre Kunst ablehnt.

Und es geht um ein Projekt, das ihr sehr am Herzen liegt und für das sie noch Teilnehmer sucht: Tanzen in Odessa. Im Jahr 2000 brach sie dorthin auf, um auf Einladung eine Meisterklasse in modernem Tanz zu unterrichten. Aus der Berufsstation Odessa wurde der neue Lebensmittelpunkt: Acht Jahre lang blieb sie dort, ehe sie wieder zurückkehrte. Die Bande zur Hafenstadt sind jedoch nicht abgerissen. Sie fährt jedes Jahr dorthin - dass sie den Kurs "München mit Odessa" dort anbietet, ist aus ihrer Sicht "folgerichtig". Dieser sei auch für Leute, "die mit Tanz angeblich nix am Hut haben". "Angeblich", denn: "In jedem Menschen steckt ein Tänzer. Das ist meine Überzeugung." Die Teilnehmer sind zwischen 20 und 80 Jahren alt und "können alle nicht oder gut tanzen". Das Konzept ist Heterogenität: "Alle sind anders - wie schaffen wir das?", fragt Herder rhetorisch, denn freilich kennt sie die Antwort auf dieses scheinbare Dilemma: "Wir müssen die ganz natürlich Hemmung auflösen, dann kommt das Kreative und Menschliche." Letzteres ist ihr neben der technischen Beherrschung der Körperbewegungen wichtig: "Tanzen ist die eine Seite, das Kreative gehört aber auch dazu." Heterogen ist das Projekt nicht nur wegen der Verschiedenheit der Gruppe, die sich aus Studenten der Münchner Universität und aus Berlin sowie "Menschen aus dem Bürgertum", wie sie es nennt, zusammensetzt, denn es kommt in Odessa zu einer Begegnung mit den dort Ansässigen. Den größten Teil bilden ihre Tanzschüler von der Würmtaler Volkshochschule aus Gauting und Planegg.

Die Ukrainer wiederum sind Studenten für Tanz oder Tanzpädagogik, außerdem Hobbytänzer aus der Bevölkerung sowie "mindestens fünf Donezker Flüchtlinge". Herder rechnet mit etwa fünfzehn Teilnehmern in beiden Gruppen. Die vielgereiste Tanzlehrerin aus Stockdorf, die außer in der Ukraine auch schon in Frankreich und den USA gelebt hat und sechs Sprachen fließend beherrscht, hat aus ihrer jahrelangen Berufserfahrung eines gelernt: "Je heterogener die Gruppe, desto demokratischer ist sie."

Auch außerhalb der Tanzräume wird es eine Konfrontation mit Unbekanntem: Die deutschen Kursteilnehmer werden in Odessaer Gastfamilien untergebracht, die beherbergenden Familien sind ihr zufolge "kultiviert" und sprechen "ein bisschen englisch, ein bisschen deutsch, vor allem aber eine Sprache die jeder versteht: Herzlichkeit", sagt Herder. Die Sprachbarriere sei also zu überwinden: "Man muss locker bleiben und geduldig sein, auch mal sich mit Gesten behelfen." Das Tanzprojekt wird fünf Tage dauern, am Karsamstag, also am 27. März, fliegt die Gruppe ostwärts. Herder selbst wird bereits zehn Tage früher dort sein, um die ukrainischen Teilnehmer "durchzuschütteln und vorzubereiten, meine Leute von hier kennen mich ja eh schon".

Der weitere Ablauf dort: Samstag und Sonntag sind zum Kennenlernen in den Familien da, am Montag beginnt dann die Einstudierung der Choreografie für die Abschlussvorstellung. Jeden Vormittag wird trainiert, es gibt ein Warm-Up und einen Improvisationsteil, ehe sich das Konzept zusammensetzt, auch für die Leiterin selbst übrigens. Der Nachmittag ist frei für ein Kulturprogramm, ein Höhepunkt für die Teilnehmer wird der Besuch in den Katakomben der Schwarzmeerstadt. Der große Tag wird dann der 3. April, wo voraussichtlich in der Polytechnischen Universität vor einem Publikum von "800 bis 1000" Leuten die einstudierte Tanzchoreografie im modernen Stil aufgeführt wird. Der passende Titel ist auch schon gefunden: "Ich komm' zu dir. Wer bist du?" Carola von Herder hat übrigens noch ein paar Plätze zu vergeben, für 350 Euro kann man teilnehmen, Flugticket und Kursgebühren sind inklusive. Anmeldungen nimmt sie unter ihrer E-Mail-Adresse carolavonherder@gmail.com entgegen.

Die Anforderungen: "Man muss weder russisch noch tanzen können. Aber: Man braucht Freude am Mitmachen und Neugierde auf das Projekt und die andere Kultur."

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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