Gauting:Hommage an Pina Bausch

Gauting: Bosco Tanz 60+

Ungewöhnliches Requisit: Auch ein Rollstuhl kam auf der Bühne für die pantomimischen Darstellungen zum Einsatz.

(Foto: Nila Thiel)

Bettina Fritsche zeigt ihr Tanztheaterprojekt mit Laien. Es geht dabei auch um Krankheit und Sterben

Von Katja Sebald, Gauting

"Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten", so lautet einer der berühmtesten Verse von Hilde Domin. Er stand im Zentrum und gleichsam auch als Überschrift über dem "Tanztheaterprojekt mit Menschen ab 60", das die Tanzpädagogin Bettina Fritsche am vergangenen Wochenende im Gautinger Bosco auf die Bühne brachte. Der eigentliche Titel des Programm lautet freilich schlicht "No.3" und verweist darauf, dass es sich um den dritten Teil einer - anfänglich allerdings nicht geplanten - Trilogie handelt. Nach "Bewegtes Leben 2068" im Jahr 2014 und "Gratwanderer" im Jahr 2015 hat Fritsche nun noch einmal ein Programm mit 21 tanzbegeisterten Laien im Seniorenalter einstudiert - diesmal allerdings nicht ausgehend von "persönlichen Erlebnissen und Empfindungen", sondern von der "Musik, aus der die Geschichten wachsen" sollten, wie Fritsche erläuterte.

Als ausdrückliche "Hommage an Pina Bausch" wollte die Choreografin den Einzug der Tänzerinnen und des einzigen Tänzers als kecke Revue durch den Saal verstanden wissen: Zu den unverwüstlichen Zitherklängen des "Dritter-Mann"-Motivs marschierte das Ensemble auf die Bühne. Freilich, nicht nur diese Eingangsszene, den ganzen Abend hätte es ohne die Inspiration der großen Pina Bausch nicht gegeben. Den gängigen Schönheits- und Jugendidealen absprechen, beim Tanzen nicht in erster Linie alles "richtig" zu machen, sondern "Neues entdecken, erleben und erfahren", das wollte wohl auch Fritsche ihren Tänzern abfordern - herausgekommen ist dabei ein Tanzabend, der in immer wieder neuen Variationen das Älterwerden thematisiert.

Zu der höfischen Musik des Louis XIV-Zeitgenossen Jean-Baptiste Lully und nach dem einleitenden "Gebet des älter werdenden Menschen" der heiligen Theresia von Ávila, das aus dem Off eingespielt wurde, entfaltete sich entlang einer langen weißen Tafel ein Reigen des gesellschaftlichen Lebens, des paarweisen Miteinanders und des Auseinanders, der Konventionen und des "Aus-der-Reihe-Tanzens". Schließlich ging es auch um das Alleinsein, das Gebrechlichsein, das Kranksein und das Sterben, das Trauern und das Weiterleben. Auch ein Rollstuhl und ein Gehstock kamen als durchaus eindrückliche Requisiten für die pantomimischen Darstellungen zum Einsatz. Erfrischend war dabei die Betonung der Individualität durch den weitgehenden Verzicht auf synchrone Bewegungsabläufe.

Auch die "Kostüme" der einzelnen Tänzerpersönlichkeiten, die nur in ihrer dezenten Rose- und Naturfarbigkeit aufeinander abgestimmt waren, hoben hervor, wie jeder - oder jede - einzelne sich zeigen wollten: schlicht und zurückhaltend, sportlich wie zur Gymnastikstunde gekleidet, clownesk, mädchenhaft oder ladylike oder gar als nimmermüder Vamp.

Ganz in Blau- und Grautöne gekleidet schufen die durchaus mutigen Tänzer dann im zweiten Teil des Abends zu klangmalerischen Kompositionen des Finnen Einojuhani Rautavaara bewegte Bilder: Es schien nun um Naturerleben zu gehen, aber auch wieder um das eigene Leben und den Tod, um Erblühen und Verwelken, um müde und mühsame Bewegungen, die noch einmal an das eindringlich gesprochene "Nicht müde werden" erinnerten. Schließlich aber auch um die Darstellung kollektiver Gefühle und Erlebnisse und schließlich die individuelle Befreiung aus den eigenen Grenzen.

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