Gauting:Gut gesichert

Bei der Maibaumwache wird zunehmend Technik eingesetzt - Bewegungsmelder und Kameras sind keine Seltenheit. Auf die berüchtigten Baumdiebe aus Unterbrunn macht dies nur wenig Eindruck.

Michael Berzl

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Ein rätselhaftes schwarzes Kästchen in der Größe einer Streichholzschachtel ist an das dicke Fußende des Stammes geschraubt. Von dort führt ein in den Hackschnitzeln am Boden verstecktes Kabel in einen Bauwagen in der Nähe. Ein weiteres graues Kabel ist mit einem kleinen Schaltmechanismus verbunden, der zwischen einem Holzbock und dem Baum eingeklemmt ist. Die Bewacher des Gautinger Maibaums verlassen sich offenbar auf technische Hilfsmittel.

Das können sie sich wohl nur leisten, weil für die Unterbrunner der eigene Gemeindebereich tabu ist. Das bayerische Brauchtum des Maibaumdiebstahls üben sie so versiert aus wie sonst niemand im ganzen Freistaat. Ihre Spähtrupps sind in diesen Aprilnächten schon wieder unterwegs, um nach leichter Beute Ausschau zu halten. Und sie sind nicht die einzigen.

Neurieder wurden mit einem Traktor beim Kraillinger Maibaum gesichtet, doch dort passt rund um die Uhr jemand auf. So haben die Feuerwehren und Burschenschaften ganz unterschiedliche Methoden, um Diebe abzuhalten. Die Wangener zum Beispiel haben ihren Baum in einer Scheune so geschickt verstaut und mit einem Container gesichert, dass ohne schweres Gerät nichts auszurichten ist. Zusätzlich haben sie noch eine Kamera installiert.

Es sind nur noch elf Tage, bis die weiß und blau angestrichenen Fichtenstämme meist mit Muskelkraft aufgerichtet werden. In etwa einem halben Dutzend Ortschaften im Landkreis Starnberg wird dieses Brauchtum am Maifeiertag mit Musik und Bier gefeiert. Bis dahin sind aber noch einige Vorbereitungen zu treffen.

Vor gut einer Woche wurde ein 32,50 Meter langer Fichtenstamm aus dem Wald bei Pentenried in die Kraillinger Ortsmitte transportiert. Viele Helfer haben sich eingefunden, um die Rinde abzuschälen, das Holz abzuhobeln und glatt zu schleifen. Zeitweise waren sie mit neun Maschinen gleichzeitig an der Arbeit. Mittlerweile hat der Maler Franz Stöberl zusammen mit seinem Enkel Kevin Valier eine weiße Acrylgrundierung mit Schimmelschutz aufgebracht. Nun haben sie mit einer Schnur markiert, wo die rechtsherum geringelten blauen Streifen verlaufen sollen.

Für den 73-jährigen Stöberl ist es schon der sechste Maibaum, den er so herrichtet. Und er weiß, dass man gut darauf aufpassen muss, bis er steht. Besonders diesmal. In der Vergangenheit diente das Gelände des Sägewerks Linner in den entscheidenden Wochen als Lagerplatz; diesmal steht das Grundstück nicht mehr zur Verfügung.

Völlig ungeschützt liegt das zweieinhalb Tonnen schwere Trumm mitten im Ort da, für jedermann sichtbar. "Herfahren, aufladen, und schon ist er weg": Stöberl weiß, wie leicht es wäre, hier zuzuschlagen. Darum sind rund um die Uhr Wachen eingeteilt; auch nachts sind sie immer zu dritt. Gegen den beliebten Trick, die Mannschaft im Bauwagen mit Zurrgurten einzusperren, sind sie gewappnet. So werden in der Nacht die Fensterläden ausgehängt, damit sie nicht jemand von außen verriegeln kann. Und zur Not liegen auch noch Brecheisen bereit.

Die Gautinger lassen dagegen ihren Baum tagsüber meist unbewacht. Hinter einem leer stehenden Bauernhof liegt der weiß gestrichene Stamm, der bis Juni in der Holzschleif stand, auf neun Holzböcken, mit Plastikplanen bedeckt. Am vergangenen Wochenende, so hatte es Otto Brandmaier von den Maibaam Buam angekündigt, sollte die blaue Farbe draufkommen, und zwar linksrum gewendelt und nicht rechts herum, wie sonst überall.

Wer mit offenen Augen unterwegs ist, entdeckt diesen Lagerplatz an der Ortsdurchfahrt sofort. Ein Raubzug wäre dennoch nicht einfach: ein schweres Rolltor mit einem Zahlenschloss versperrt die Zufahrt. Zudem steht dort ein silbergrauer Audi im Weg, um das Rangieren mit einem Anhänger zu erschweren. Zeitweise sind auch Wachen dort; das ist gut zu erkennen, denn sie haben sich gemütlich eingerichtet. Biergarnituren sind aufgebaut, Öfen stehen im Gras. Kästenweise Bier und Spezi steht in dem verlassenen Bauernhaus. Eine Flasche Himbeergeist ist schon geleert, ein Metaxa ist noch halbvoll. So lässt sich schon eine Nachtwache aushalten.

Und dann sind da ja noch die mysteriösen Kabel. "Das nimmt immer mehr zu, dass die Leute Technik einsetzen, Bewegungsmelder oder Kameras zum Beispiel", beobachtet Basti Schönberger, Sprecher der Unterbrunner Maibaumdiebe. Aber mit einem Schmunzeln in der Stimme ergänzt er: "Jede Technik ist umgehbar".

Die Gautinger jedenfalls müssen sich vor den Unterbrunnern nicht fürchten. "Die lassen wir außen vor, das ist ja die gleiche Gemeinde", sagt Schönberger. Dabei ist die Auswahl ohnehin nicht groß, bedauert er. Da Gauting und Buchendorf aus örtlicher Verbundenheit ausscheiden, kämen Wangen und Farchach, Andechs und Greifenberg, Krailling, Gräfelfing oder Neuried in Frage. Auch in Diemendorf und Dießen werden Maibäume aufgestellt. Man wird sehen, wo davor noch eine Auslöse in Form von reichlich Bier samt Brotzeit fällig wird.

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