Gautinger Konzert:Gipfelsturm

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In Höchstform: die von Dorian Keilhack geleitete Orchestervereinigung beim Zusammenspiel mit dem Gelius-Trio. (Foto: Nila Thiel)

Die Orchestervereinigung erreicht bei ihrem Konzert in der Realschule professionelles Niveau

Von Reinhard Palmer, Gauting

Musik braucht Raum, deutlicher hätte dies hier nicht vorgeführt werden können. Ein so großer Orchesterapparat, zumal mit drei Solisten, hätte im Bosco den baulichen und akustischen Rahmen krachend gesprengt. In der Aula der Gautinger Realschule konnte indes eine gute Balance zwischen Bühnenraum und Publikum erreicht werden. Zum Glück, denn die erweiterte Orchestervereinigung Gauting unter der Leitung von Dorian Keilhack strebte auf höchste sinfonische Gipfel zu. Beethovens Trippelkonzert C-Dur op. 56 - hier mit dem Gelius-Trio im Solistenpart - und Tschaikowskys h-Moll-Sinfonie "Pathétique" op. 74 sind für die meisten Laienorchester im Grunde ein schier unerreichbares Ziel. Doch um es vorweg zu nehmen: Das Ergebnis klang so professionell, dass der Schlussapplaus enttäuschend ausfiel. Ovationen wären unbedingt angebracht gewesen. Mindestens!

Wie das Orchester mit dem komplexen Solopart zurechtkam, war eine nahtlose, überaus stimmige Angelegenheit, obgleich es im Grunde um eine schwierige Dreierbeziehung ging. Die beiden Solostreicher - besetzt mit den Konzertmeistern der Münchner Philharmoniker, Sreten Krstič (Violine) und Michael Hell (Violoncello) - ergeben ein sich ergänzendes, brillant-virtuoses Duo. Das Klavier indes (im Gautinger Konzert mit Micaela Gelius) hat eine meist eigene Rolle zu spielen. Das Ineinandergreifen der Stimmen vollzog Keilhack mit energischem Dirigat geradezu nahtlos. Was besonders hervorzuheben ist, da gerade der Kopfsatz überreich nuanciert ist und eine Vielzahl diverser Farbkombinationen fordert.

Keilhack verstand es auch, die Führung in den solistisch dominierten Passagen sachte in die Hände der Solisten zu legen, um ein intuitives Mitfühlen des Orchesters zu ermöglichen. Ein sehr wichtiger Faktor vor allem im Largo, das hier auch wunderbar atmosphärisch dahinfloss und den sich nur hauchdünn über den Klangkörper erhebenden Solistengesang in Samt und Seide bettete.

Große Kunst bewies die Orchestervereinigung mit der Gestaltung zwischen den effektvollen Extremen. Gemeint sind die vielen Mezzoforte-Passagen, die vordergründig nur wenig ereignisreich sind, aber in ihrer Musikalität einen enormen Einfluss auf den Gesamteindruck haben. Dazu zählte zweifelsohne das sensible Hell-Dunkel-Changieren bei Beethoven, aber vor allem bei Tschaikowsky die vielen erzählerischen Passagen, die ja tatsächlich eine Geschichte in sich tragen, hatte doch der Komponist der Sinfonie ein Programm hinterlegt, auch wenn er nie verriet welches. "Das Programm ist voll von subjektiven Gefühlsregungen", schrieb Tschaikowsky dazu. Und er habe häufig weinen müssen, als er das Werk komponierte, verriet er. Den wehmütig-melancholischen Charakter setzte das Orchester wunderbar um, kontrastierte beispielsweise im zweiten Satz (Allegro con grazia) die streicherschillernde Tanzseligkeit mit der Zurücknahme des Schwungs und schwelgerischem Klang der Holzbläser. Dem atmosphärischen langsamen Satz Beethovens entsprach am ehesten das Finale bei Tschaikowsky, das mit "Adagio lamentoso" bezeichnet ein ungewöhnliches Finale darstellt.

Aber das Orchester vermochte auch die schnellen, spritzigen Sätze und Passagen nicht nur schönmusikalisch, sondern erstaunlich präzise in den Details und rhythmisch exakt umzusetzen, sodass trotz des riesigen Orchesterapparats straffe Leichtigkeit möglich wurde. So begann der vorletzte Satz bei Tschaikowsky mit einem ruhelosen Flirren und Tänzeln in vorantreibendem Duktus, abgelöst von scharf geschnittener Rhythmik. Mehr Substanz und Verve forderte bei Beethoven der Polacca-Schlusssatz, der sich aus dem Mittelsatz entwickelte und aufgrund der allmählichen Beschleunigung und Verdichtung kaum von ihm abgesetzt ist. Die Einsätze der wunderbar einfühlsam musizierenden Solisten blieben kantabel, was einen besonders leidenschaftlichen Charakter auf den Plan rief. Ein großartiges Konzert.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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