Gauting:Gedankenspiele um den Bahnhof

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Im Gemeinderat hat ein Umdenken eingesetzt. Das mehr als 100 Jahre alte Gebäude soll doch erhalten werden. Drei Architekten haben sich Gedanken über eine mögliche Nutzung mit Café, Kiosk und Räumen für Vereine gemacht

Von Michael Berzl, Gauting

Der alte Bahnhof in Gauting müsste eigentlich schon weg sein. Mit großer Mehrheit hatte sich der Gemeinderat für den Abriss ausgesprochen, und die CSU hatte vehement darauf gedrängt, diesen Beschluss möglichst bald umzusetzen. Das ist jetzt mehr als sechs Jahre her, der Backsteinbau steht immer noch, und in der Kommunalpolitik setzt ein Umdenken ein. Am kommenden Dienstag werden Architekten und Liebhaber dieses Gebäudes ihre Ideen vorstellen, was man damit anfangen könnte. Den alten Abriss-Beschluss will Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU) aufheben lassen.

Der Architekt Benedikt Sunder-Plassmann aus Greifenberg soll noch einmal seine Ideen für den Bahnhof präsentieren. Vor drei Jahren hatte er schon einmal den Gautinger Gemeinderäten erläutert, wie das mehr als 100 Jahre alte Gebäude erhalten und um einen Flachbau mit Glasfassade erweitert werden könnte, so dass dort ein Lokal Platz finden könnte. Die San Francisco Coffee Company hatte damals Interesse an dem Standort bekundet. Der Planer hat einschlägige Erfahrungen, denn unter seiner Regie wurde der Feldafinger Bahnhof aufwendig restauriert, so dass dort nun Rathaus und Bürgersaal sowie ein Café untergebracht sind.

Auch der Gautinger Architekt Christian Hadlich hat sich Gedanken über die künftige Nutzung des Bahnhofsgebäudes gemacht. Die Gemeinde hat gute Erfahrungen mit seinem Ideen gemacht, denn er hat den Umbau und die Erweiterung des Salettls im Schlosspark geplant. Das Nebengebäude von Schloss Fußberg soll nun ebenfalls als Café genutzt werden.

Anregungen kommen auch aus der Kulturszene der Gemeinde. Der Schauspieler Sebastian Hofmüller und weitere kreative Menschen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis haben sich Gedanken darüber gemacht, wie das Bahnhofsgebäude in der Hand der Kommune bleiben könnte und die Kosten gedeckt werden könnten. Dazu haben sie ein Konzept erarbeitet, das sie ebenfalls am Dienstag vorstellen wollen. Somit kommen drei Fürsprecher für den Erhalt des Altbestandes zu Wort. Die neue Linie, die mit diesen Referaten und mit der Korrektur eines alten Beschlusses deutlich wird, könnte auch zur Folge haben, dass die Gemeinde das Gebäude behält und doch nicht verkauft. Im Haushalt waren über Jahre hinweg für die "geplante Vermarktung" Einnahmen eingeplant. Zunächst waren es 600 000 Euro. Heuer steht an dieser Stelle eine Null.

Die Kurskorrektur bedeutet offenbar auch, dass die CSU ihre Ansicht geändert hat. Nach dem Abrissbeschluss hatten es ihre Gemeinderäte noch ganz eilig, vollendete Tatsachen zu schaffen. "Das alte Bahnhofsgebäude ist nicht wiederherstellbar", hieß es in einer von Fraktionssprecherin Eva Maria Klinger mit unterschriebenen Erklärung. Es müsse genauso wie die Nebengebäude abgerissen werden. "Das haben wir im Rat so beschlossen, und man kann nicht immer wieder von vorne anfangen". Kann man offenbar doch.

Die SPD war schneller umgeschwenkt, hatte zwar zunächst ebenfalls für den Abriss gestimmt, aber schon ein paar Monate danach gefordert, den Beschluss wieder aufzuheben. Die Fraktion war schon vor sechs Jahren davon überzeugt, "dass ein saniertes Bahnhofsgebäude vielfach genutzt werden könnte, etwa mit einem Kiosk, einem Café und Darstellungsmöglichkeiten für Vereine". In diese Richtung könnte es jetzt gehen. In einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung erklärt die scheidende Fraktionssprecherin Julia Ney: "Wenn wir nun auch noch den Bahnhof abreißen, werden wir Gauting in wenigen Jahren nicht wiedererkennen. Alle optischen Anker, die unser Ortsbild seit über einem Jahrhundert geprägt haben, werden dann verschwunden sein".

Während noch offen ist, was mit dem Bahnhof passiert, steht seit Mitte Dezember fest, was gleich nebenan auf dem Gelände der Grundschule geplant ist. Eine Immobiliengesellschaft will dort einen fünfstöckigen Gebäudekomplex mit Wohnungen und Läden errichten. Vertreter der Firma werden in der Gemeinderatssitzung am Dienstag ihre Pläne erläutern. Die Gautinger können dann auch erfahren, welche Geschäfte sie bekommen; ob ein Rewe oder ein Edeka dort eröffnet, ob die Drogeriekette dm oder Rossmann dort eine Filiale eröffnen. In einem Jahr könnten die Bauarbeiten beginnen, wenn die weiteren Planungen und Vorbereitungen ohne Komplikationen laufen. Das alte Schulhaus könnte in dem Fall im Herbst abgebrochen werden, sagte ein Mitarbeiter der Erlanger Immobilienfirma, der für das Großprojekt in Gauting zuständig ist.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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