Gauting:Garçon! Musique à la carte!

Gauting Remise Konzert

Ein Chorgesang ist auch ein gruppendynamisches Experiment - meisterhaft dargeboten von der "Capella Nova" mit "Musique à la carte".

(Foto: Georgine Treybal)

Die "Capella Nova" München beglückt das Publikum beim Kleinen Sommerfestival in der Remise

Von Reinhard Palmer, Gauting

Ein Chor singt zwar in erster Linie, ist aber immer auch ein gruppendynamisches Experiment. Gelingt es, und alle Mitwirkenden finden Gefallen am Projekt, dann ist auch ein zunächst oft als spartanisch empfundener A-Cappella-Abend ein überaus kreatives und vitales Unternehmen. Steht dann auch ein erfinderischer Geist wie Roger Hefele am Pult, der zudem mit Mirko Sutter einen pfiffigen und schauspielerisch gewandten Moderator an seiner Seite hat, dann ist auch fürs Publikum Genuss garantiert. Wer ahnte schon, dass "Musique à la carte" im Gastspiel der Capella Nova München beim Kleinen Sommerfestival in der Remise Gauting eine so vergnügliche Darbietung werden würde?

Sutters professionelles Auftreten als Garçon in Kellner-Kluft mit aufrechtem Gang war ein gewichtiger Beitrag zum Gelingen des Abends, zumal er auch mit erhellendem Wissen, Übersetzungen, kulinarischen Erklärungen wie humorvollen Anekdoten aufwarten konnte. Die Idee, ein Konzertprogramm nach einem Elf-Gänge-Menü plus Weinverkostung zu gliedern, erwies sich als überaus inspirierend und im Sinne von Seelennahrung durchaus auch Gaumenfreudig. Dafür die französische Küche zu bemühen, und damit die französische Musik ins Zentrum der Darbietung zu rücken, gab konzeptuell schon viel her.

Nicht nur, weil die französische Küche, die Haute Cuisine, für delikate Köstlichkeiten berühmt ist. Vielmehr diente der Bezug dafür, metaphorisch verknüpft besonders sinnenfreudige Chorgesänge ins Programm zu nehmen. Vor allem das reiche, blühende Kolorit französischer Musik erwies sich als Appetit-Anreger höchsten Ranges. Gerade in der Chormusik kam dieses üppige Changieren in der Farbgebung von der Sprache her, die viele musikalische Qualitäten transportieren kann. In der Alten Musik überwog dahingehend das entspannt-beschwingte Wogen in gänzlich ungravitätischer Substanzfülle. Diese Musik hatte schon etwas Lustvolles an sich, so etwa die Pavane von Thoinot Arbeau aus dem 16. Jahrhundert. Es zeigte ebenso viel Witz, wie etwa Pierre Certons sein "Ja ne l'ose dire" in tickendes Staccato kleidete. Zeitlich weiter zurück ging es mit Josquin Desprez und seinem "Mille regrets". Wie er, war auch Orlande de Lassus Frankoflame. Doch lebte jener in einer früheren Zeit, die sich am weit wogenden Schönklang ergötzen konnte. Aber ebenso an vergnüglichen Lösungen, wie sie etwa Pierre Attaingnant in seinem rhythmisch markanten Renaissance-Tanz "Tourdion" präsentierte.

Gerade die direkt aus der Sprache heraus geformten Chorsätze zeigten straffe Wendigkeit wie in "Au joli jeu du pousse avant" von Clement Jannequin. Nah an der Sprache bewegten sich vor allem Komponisten jüngeren Datums, in deren Chorsätzen die Capella Nova und ihre Solisten aus eigenen Reihen sicher und ausdrucksstark mit präziser Sprachdiktion punkteten. Eine besondere Herausforderung dabei Debussys "Quant j'ai ouy le tabourin", in dem der Chor als Rhythmusgruppe unter melodiösem Sologesang zu agieren hatte, oder Ravels "Ronde" als Sprechgesang.

Dass im französischen Programm auch drei aphoristische Chorlieder von Paul Hindemith zu finden waren, war den vertonten Gedichten aus Rilkes umfangreicher französischer Lyrik geschuldet. Vom melancholischen Sinnieren über einen spritzigen Chorsatz bis hin zum kraftvollen, harmonisch reichen Raumfüller hatte Hindemith in der Kürze dennoch eine Menge Finessen untergebracht. Das Publikum zeigte sich begeistert.

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