Sport:Eine fast normale Fußball-Mannschaft

Fußballtraining des Inklusionsteams; Inklusionsfußballteam

Es geht nicht nur um Sport, es geht auch um Teamgeist und gegenseitiges Verständnis.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Gautinger Inklusionsteam kicken behinderte und nicht behinderte Jugendliche zusammen. Das schult nicht nur den Sportsgeist und die Koordination, sondern fördert auch das Verständnis untereinander. Das I-Team sucht aber noch Sponsoren.

Von Tanja Buchka, Gauting

Sie rennen durch die Halle, die Augen aufmerksam auf den Ball gerichtet, der durch gezielte Pässe von einem Spieler zum nächsten rollt. "Hier, zu mir! ich stehe frei", ruft Ludwig seinem Mitspieler zu. Dieser sieht ihn, passt rüber, genau auf Ludwigs Fuß. Er holt aus, schießt und "Toooor"! Der Siegestreffer in der letzten Minute des Spiels. Die gesamte Mannschaft bricht in Jubel aus. Noch schnell die Kumpels abgeklatscht, dann geht's auch schon nach Hause. "Die eineinhalb Stunden Training gehen leider immer so schnell vorbei", bedauert Ludwig.

Klingt zunächst mal alles nach einem ganz normalen Fußballtraining einer ganz normalen Jugendmannschaft. Ist es aber nicht. Denn genau wie die Hälfte seiner Mannschaft, die aus 20 Buben und Mädchen im Alter von acht bis 18 Jahren besteht, leidet Ludwig an einer Behinderung. Die Idee eine Fußball-Inklusionsmannschaft- das sogenannte I-Team - in Gauting zu gründen, hatte der Trainer Bernd Prösler. "Mein Sohn Marvin war schwer krank und musste die Zeit zwischen seinem zweiten und siebten Lebensjahr hauptsächlich im Krankenhaus verbringen", erzählt er. Als er die schwere Zeit überstanden hatte, habe der Junge nicht mehr in einem normalen Verein trainieren können, wollte aber unbedingt Fußball spielen. Damals habe Prösler erfahren, dass es im TSV Hohenbrunn - wo die Familie damals noch wohnte - ein Fußball-Team gibt, in dem beeinträchtigte und gesunde Kinder gemeinsam trainieren und spielen. "Dort fuhr ich mit Marvin hin und es war super für den Jungen." Als sie nach Gauting umzogen, bot Prösler dem Gautinger SC an, auch dort ein I-Team zu gründen und zu leiten. "Er hat bei uns offene Türen eingerannt mit seiner Idee", sagt Fußball-Abteilungsleiter Jens Rindermann. Von dem Projekt ist er absolut überzeugt: "Viele können davon profitieren.

Und so ist es auch: Im Training , das seit November vergangenen Jahres immer dienstags von 18 bis 19.30 Uhr in der Turnhalle des Otto-von-Taube-Gymnasiums stattfindet, zeigt sich: "Die Kinder mit den verschiedensten Behinderungen bekommen durch unser angepasstes Training nicht nur die Möglichkeit, Fußball zu spielen, sondern gleichzeitig sind auch therapeutische Übungen eingebaut", erklärt der ehemalige Leistungssportler. Die gesunden Spieler - "wir nennen sie Führungsspieler" - würden Spaß daran haben, neben ihrem normalen Fußballtraining beim I-Team zu spielen und den schwächeren zu helfen. "Mir macht es Freude, den anderen etwas zu zeigen, wenn sie sich bei irgendwas schwer tun", sagt Leo, einer der Führungsspieler. Auch Trainer Prösler freut sich sehr über die Sozialkompetenz seiner gesunden Jungs. "Durch die separate Ganztagsschule werden behinderte Kinder oft automatisch vom örtlichen Geschehen abgeschirmt", sagt er. Umso schöner sei es, dass sie durch das Training den Kontakt zu nicht eingeschränkten Gleichaltrigen in Gauting regelmäßig pflegen und so viele Freundschaften entstehen. In Bayern gibt es mit den Gautingern nun neun I-Teams, in München und Umland sieben. Die Inklusionsarbeit der Vereine wird durch den Bayerischen Fußball-Verband und die Sepp-Herberger-Stiftung des DFB unterstützt.

Fußballtraining des Inklusionsteams; Inklusionsfußballteam

Kinder mit und ohne Behinderung trainieren im Fußball-Inklusionsteam in der Halle des Gautinger Gymnasiums gemeinsam.

(Foto: Franz X. Fuchs)

In Gauting soll die Sozialstiftung sozial schwächeren Familien helfen, damit sie am Training teilnehmen können. "Natürlich ist unser Training etwas anders als bei einer normalen Mannschaft", sagt Prösler. Struktur sei das A und O. Kinder mit einer Behinderung bräuchten einen geregelten Ablauf und kämen oft nicht so gut damit klar, wenn sich an diesem mal etwas ändere. "Deswegen versuchen wir auch ,das Training immer gleich aufzubauen", erklärt der 15-jährige Josua Kühn, der Co-Trainer des I-Teams. Zuerst dürfen sich alle austoben: Alle rennen durch die Halle, klettern an den Sprossenwänden hoch, dribbeln und passen sich die Bälle gegenseitig zu. An den strahlenden Gesichern und dem Freudekreischen merkt man, wie viel Spaß sie haben. "Das Auspowern ist gerade für die Kinder mit Behinderung enorm wichtig, um sich danach besser konzentrieren zu können", weiß der Trainer.

Nach einigen Aufwärmübungen geht's dann an die therapeutischen Elemente. Die Spieler setzen sich in der Mitte in einen Kreis. "Ich gehe rum und lege ihnen meine Hand auf den Rücken, dass sie gerade sitzen", erklärt der Trainer. "Sie müssen lernen, ihren Körper bewusst zu spüren." Auch Dehnübungen seien unerlässlich. "Meine Lieblingsübung ist Flugkopfball", sagt Erik, der am Downsyndrom leidet mit einem Strahlen in den Augen. "Das kann ich besonders gut." Das will er natürlich auch gleich beweisen. Er geht in die Hocke, konzentriert sich, springt, köpft gleichzeitig den vom Trainer geworfenen Ball gekonnt durch die Halle und landet auf der ausgelegten weichen Matte. "Super", "Klasse" schreien die anderen und applaudieren Erik. Leo klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter: "Das hast du wirklich super gemacht." Diese Übung schult besonders die Koordination von Augen und Fuß.

In vier Mannschaften eingeteilt, wird dann noch richtig gespielt. Leo weiß: "Wir müssen ja fleißig für die Turniere trainieren, bei denen die I-Teams gegeneinander antreten." Ungefähr zehn davon finden im Jahr statt. Das erste hat die Gautinger Mannschaft "mit sehr gutem Erfolg" bestritten, so der Trainer. Bis dahin hat die Mannschaft auch nagelneue Trikots in den Vereinsfarben gelb und blau. Das Regionalwerk Würmtal sponsort sie dem Team. Geschäftsführer Peter Drausnigg präsentierte kürzlich die ersten Entwürfe. Von ihrem zweiten Sponsor, dem Holzapfel Sportzentrum in Martinsried, bekommen sie neue Trainingsanzüge. "Wir freuen uns riesig, über die neue Kleidung", sagt Prösler. Dennoch sucht der GSC noch Sponsoren, beispielsweise für Hallenfußbälle.

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