Gauting:Den Big Ben nach Gauting gebracht

Bahnhofsmaler Johannes Schiller hat im ganzen Würmtal seine Spuren auf vormals grauem Beton hinterlassen. Nach 25 Jahren Ortsverschönerung geht er jetzt in den Ruhestand

Von Michael Berzl, Gauting

Auch ein Bahnhofsmaler geht einmal in den Ruhestand. Seit 25 Jahren hinterlässt Johannes Schiller seine Spuren auf vielen Wänden im ganzen Würmtal. Vor allem in den Bahnhofsunterführungen: in Stockdorf und Gauting, in Krailling, Planegg und Lochham. Mit viel Farbe und Ausdauer hat er graue Tristesse in blühende Landschaften verwandelt, manchmal möglichst originalgetreu, manchmal hat er seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Stunden, Tage hat er mit dem Pinsel in der Hand zugebracht, an schwülwarmen Sommertagen und in ungemütlicher Kälte. "Es hat mir immer Spaß gemacht, aber jetzt geht es nicht mehr", sagt er.

Das Knien am Boden bei der Arbeit an den unteren Randbereichen seiner großflächigen Gemälde, um Blütenblatt für Blütenblatt auf den Beton zu tupfen - das ist ihm einfach zu beschwerlich. Mit 77 Jahren hat er sozusagen offiziell im Rathaus seinen Abschied eingereicht.

Mit einem ausgedienten Trafohäuschen in der Nähe der Würm hatte alles begonnen. Das kleine Gebäude wurde zur "Herberge zum Mühlrad" mit einer Bank davor. Das Häuschen steht nicht mehr, mit dem Abriss verschwand auch Schillers Erstlingswerk. Viele andere sind aber noch zu sehen. Und das Œuvre ist umfangreich und mannigfaltig. Die Bilder des pensionierten Bankdirektors finden sich in allen denkbaren Formaten an allen möglichen Stellen. Ein paar Beispiele: in Stockdorf ein Heiliger Florian bei der Feuerwehr, ein Teller bei der Pizzeria Casagno und Motive aus dem Ort im Schützenhaus, in Gauting Tonnenhäuser an der Grubmühlerfeldstraße und ein Fenster auf einer Hausmauer an der Hangstraße sowie eine Blumenwiese, Kühe und ein See mit Segelboot beim Montessori-Kindergarten. Für das Bauerntheater in Unterbrunn hat Schiller viele Jahre lang die Bühnenbilder gemalt, im Biergarten in Forst Kasten hat er die Bilder am Maibaum gestaltet, den Holzstufen in der Ulrichskirche bei Königswiesen hat er eine Marmor-Optik verpasst.

Kössinger verabschiedet Bahnhofsmaler Schiller

"Für jeden Geschmack habe ich etwas gemacht". Der Bahnhofsmaler Johannes Schiller besichtigt zusammen mit Bürgermeisterin Brigitte Kössinger seine Bilder in Gauting.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Am bekanntesten sind aber die Ortsimpressionen, Kirchen und Landschaften in diversen Unterführungen. Das Hauptwerk befindet sich sicherlich im Gautinger Bahnhof, wo der Hobbymaler nun als Dank für sein Wirken von Bürgermeisterin Brigitte Kössinger einen Krug bekam. "Das freut mich, dass Sie geehrt werden", sagte Heinz Ziegler, ein Bekannter aus der Seniorenwandergruppe, der zufällig beim Ortstermin dazukommt. Das habe sich Schiller wahrlich verdient, findet er. Dem fleißigen Ortsverschönerer war es wohl daran gelegen, so etwas wie ein offizielles Einverständnis aus dem Rathaus zu bekommen, eine Entlassung in Ehren. Und Kössinger hat ihm den Gefallen getan, die Arbeit gelobt, ein Geschenk mitgebracht und sich die Details erklären lassen.

Am westlichen Treppenaufgang sind diverse Kirchen in der Gemeinde zu erkennen, am anderen Ende wird es international; da sind der Eiffelturm, die Hagia Sofia, der Big Ben und andere bekannte Gebäude aus europäischen Hauptstädten. "Für die Ausländer, die hier wohnen", sagt Schiller. An einem Aufgang zum Bahnsteig Impressionen aus Würzburg, Augsburg, Nürnberg und anderen bayerischen Städten, gegenüber Berge, eine Mischung aus Tegernsee und Chiemsee, Landschaft, Abstraktes. Außerdem Erinnerungen an einen Urlaub in Montana, "viel Gras und Einsamkeit", sagt Schiller. "Für jeden Geschmack habe ich etwas gemacht. Hier: Impressionismus. Und hier: mit einem dicken Pinsel die Farbe nach oben gezogen. Und das hier, das ist mein Schmierereck."

Kössinger verabschiedet Bahnhofsmaler Schiller

Grüne Wiesen, buntes Laub und blaues Wasser: Die Wandgemälde bringen viel Farbe in die zuvor grauen Unterführungen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Vor zehn Jahren hatte Schiller schon einmal das Ende seiner großflächigen Malerei angekündigt. Jetzt noch einmal, aber offiziell. Eine Sache muss er aber wohl doch noch erledigen. Der Stockdorfer Bahnhof wird ja gerade umgebaut. Den bisherigen Zugang zum Bahnsteig werden die Arbeiter mit einer Mauer verschließen. Das ergibt eine neue freie Fläche in einer Unterführung. "Da werde ich eine Treppe hinmalen. Ich bin doch Illusionsmaler", prophezeit Schiller und zeigt mit beiden Händen, wie sie nach oben führt. Und seine Augen leuchten.

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