Gauting:Das Gummi-Kino

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Am Boden der Baugrube liegen schwarze Gummimatten. Diese Dämmschicht ist notwendig, damit die vorbeifahrenden Züge nicht das Kinovergnügen trüben. (Foto: Nila Thiel)

Unter dem Neubau neben dem Gautinger Bahnhof werden Dämmmatten verlegt, um die Schwingungen vorbeifahrender Züge abzufedern. Bis Weihnachten soll der Rohbau stehen - wenn nichts dazwischen kommt

Von Michael Berzl, Gauting

In hohen Stapeln liegen die schwarzen Matten am Rand der Kino-Baustelle in Gauting bereit. Zum Teil sind sie schon unten in der Baugrube verlegt. Es handelt sich um Gummi-Granulat, auf dem das gesamte Bauwerk künftig steht. Dieses Material, das auch an Rutschen oder unter Klettergerüsten auf Spielplätzen eingesetzt wird, um Stürze abzufedern, dient hier als Dämmung gegen das Rumpeln vorbeifahrender Züge. Ein Verwaltungsgebäude der Bahn bei der Sternschanze in Hamburg steht zum Beispiel auf solchen Spezialmatten, beim Musiktheater in Linz, direkt neben einer U-Bahn, wurde das Material eingesetzt und auch in einem Einkaufszentrum in Ingolstadt, wo ein Kino über einer Disco geplant wurde. Auch das Gautinger Kino wird auf den Matten gelagert, damit sich die Schwingungen von den Gleisen gleich nebenan nicht oder nicht so stark in den Vorführsaal übertragen.

Je nach Belastung werden die Dämmschichten bis zu 7,5 Zentimeter dick gestapelt, erklärt Diplom-Ingenieur Roman Schaffner von dem Starnberger Architekturbüro, das den Neubau mit vier Vorführsälen für Breitwand-Betreiber Matthias Helwig konzipiert hat. Schließlich soll den Zuschauern nicht entgehen, was der Geheimagent James Bond einer seiner Gespielinnen ins Ohr flüstert, auch wenn gerade ein Güterzug vorbeikommt. Den gefederten Unterbau erhält auch das Geschäftshaus, das direkt neben dem Kino entstehen soll. Der Ainringer Immobilienunternehmer Josef Reichenberger lässt dort einen dreigeschossigen Bau mit Läden im Erdgeschoss und Büros darüber errichten.

Nach langem Stillstand kommen die Arbeiten zwischen Gautinger Bahnhof und Pippinunterführung nun voran. Gerade werden die Dämmmatten verlegt, in den nächsten Wochen kann darauf das Fundament gegossen werden. "Dann geht es schnell bergauf, dann kann man bald etwas sehen", kündigt Schaffner an. Wenn keine neuen Komplikationen auftauchen, könnte bis Weihnachten der Rohbau stehen. Darauf warten die Gautinger schon lange, schien es doch zeitweise, als würde auf der Baustelle gar nichts mehr vorangehen.

Bald nach dem Abriss von Läden und Toilettenanlagen hatte sich herausgesellt, das sich Schlacke im Untergrund befindet, die gesondert entsorgt werden muss. Dieses kontaminierte Material musste sorgfältig ausgebaggert und zunächst beim Parkplatz zwischengelagert und genau untersucht werden, ehe es abtransportiert werden konnte. Der Baufortschritt hat sich dadurch um Monate verzögert.

Nach diesen Komplikationen wagen Kinobetreiber Helwig und sein Architekt Nicolai Baehr kaum mehr Prognosen, wann der Neubau tatsächlich fertig wird. Theoretisch könnte das neue Kino mit Platz für fast 350 Zuschauer und einem Foyer bis zum nächsten Fünfseen-Filmfestival im August in Betrieb sein, "aber dann müsste alles ganz super laufen", sagt Helwig. Verlassen will er sich darauf noch nicht; ob er auch diese Spielstätte einplanen kann, wird er erst im Frühjahr entscheiden.

Über seine Vorstellungen und Sorgen, über seine Pläne für Gauting und seine anderen Breitwand-Kinos in Gilching, Starnberg, Herrsching und Seefeld spricht der 56-jährige Cineast am Sonntag im Bosco. Von 17 Uhr an unterhält sich Helwig dort im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Tee mit Sabine" mit der Journalistin Sabine Zaplin. Seit 1986 betreibt der Gilchinger seine Programmkinos; für sein Programm hat er schon vielfach Auszeichnungen erhalten. Unter anderem war das Breitwand zweimal "Bestes Kino Deutschlands", zuletzt im vergangenen Jahr. Sein Filmfest ist mittlerweile weit über den Landkreis hinaus bekannt. Zur neunten Auflage im vergangenen Sommer sind unter anderem Prominente wie Senta Berger und ihr Ehemann Michael Verhoeven gekommen; etwa 19 000 Zuschauer haben sich die Filme angeschaut, was einen neuen Rekord bedeutet.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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