Gauting:Auf den Hund gekommen

Der Vierbeiner "Teddy" begleitet an drei Tagen in der Woche die Kinder der Klasse 4e an der Gautinger Grundschule. Ein Besuch im Klassenzimmer

Von Carolin Fries, Gauting

Die Kinder der Klasse 4e der Gautinger Grundschule können es neuerdings sonntags kaum erwarten, dass endlich wieder Montag ist und sie in die Schule dürfen. In ihr Klassenzimmer im ersten Stock, an ihre Schulbänke, zu Teddy, ihrem Schulhund. "Der kann sogar Englisch", sagt ein Mädchen und lacht vergnügt, ein anderes erzählt: "Es ist ein schönes Gefühl. Ich fühle mich sicher." Während die Kinder erzählen, liegt Teddy schläfrig auf seiner Decke am Lehrerpult, mit der Leine ist er am Beistellschrank festgebunden. So ist das meistens im Unterricht, lediglich in den Lernpausen läuft er frei im Zimmer herum.

'Teddy' ist Schulhund in Gauting; An der Gautinger Grundschule:

Er ist erst seit kurzem mit dabei und gehört doch schon richtig dazu: Schulhund Teddy sei eigentlich der 29. Mitschüler in ihrer Klasse, so sagt ein Bub der 4e der Gautinger Grundschule.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Teddy ist der neue Gautinger Schulhund. Er gehört Kirstin Mayr. Die 33 Jahre alte Lehrerin hat ihn vor eineinhalb Jahren aus dem Tierheim geholt, "ein griechischer Straßenhund", wie sie sagt, ein Mischling. Kirstin Mayr ist mit einem Hund aufgewachsen, ein derart ausgeglichener Zeitgenossen wie Teddy war ihr dennoch neu: Er bellt nicht, er knurrt nicht, er geht einfach, wenn es ihm zuviel wird. Kirsten Mayr besuchte mit Teddy die Hundeschule. Sie hat keine Prägephase mit dem Hund gehabt, der Aufbau einer Bindung ist wichtig. Und: "Ich will einen Hund, der folgt." Nun, der Hund folgt bald so gut, dass ihr klar wird, er könnte ein guter Schulhund werden. Wie viele sogenannte Schulhunde es in Bayern gibt, wird vom Kultusministerium nicht erfasst. Grundsätzlich aber befürwortet die Bildungsbehörde tiergestützte pädagogische Arbeit an den Schulen, ganz gleich ob es sich um ein Bienen- oder ein Hundeprojekt handelt.

'Teddy' ist Schulhund in Gauting; An der Gautinger Grundschule:

Sichtlich entspannt ist Teddy auch auf seiner Hundedecke im Beisein von Frauchen Kirstin Mayr.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die meisten Hunde, die Lehrer in Schulen mitbringen, sind allerdings keine Schulhunde im pädagogischen Sinn, wie die Veterinärmedizinerin Hildegard Jung aus München sagt. Sie bildet Schulhunde aus, die dann auch in ihrem Präventions-Projekt "Beißt der?" zum Einsatz kommen können. Über dieses Projekt hat Kirstin Mayr überhaupt erst von den Schulhunden erfahren.

Die Lehrerin spricht zuerst mit der Schulleitung, schließlich mit dem Elternbeirat und den Eltern der Klasse 4e, fragt Allergien und Ängste ab. Als die letzte Prüfung mit dem Hund bestanden ist, nimmt sie ihn mit nach Gauting. Kurz vor Ostern lernen die Kinder und das Kollegium Teddy kennen, zunächst stundenweise, niemand soll überfordert werden. Seit vergangenen Montag ist der Hund dreimal in der Woche mit im Unterricht - seither sind die Montage, Mittwoche und Donnerstage die schönsten Tage in der Klasse 4e. Das behaupten zumindest die Kinder. Vier der insgesamt 15 Mädchen und 13 Buben haben zuhause einen Hund, für die meisten ist der regelmäßige Umgang mit einem Vierbeiner also neu. "Ich würde sagen, wir haben uns alle gefreut", sagt ein Junge. Mitschülerin Sophia sagt: "Es ist jetzt viel leiser in der Klasse", ein Mitschüler meint, besonders die schüchternen Kinder in der Klasse fühlten sich wohler.

Sicherheitstraining

Das Projekt "Beißt der?" vom Förderverein Sicherheitstraining Kind & Hund e.V. wurde vor zwölf Jahren entwickelt. Es ist ein interaktives Projekt für die zweite Grundschulklasse. In veränderter Form bietet es der Verein auch für die erste Klasse, die Vorschule sowie für Kindergärten an.

Die Kinder erleben spielerisch, wie ein Hund denkt und reagiert. Darauf aufbauend lernen sie, wie sie sich gegenüber bekannten und unbekannten Hunden richtig verhalten. Im Intensivtraining von typischen Alltagssituationen - unterstützt von speziell ausgebildeten und getesteten Schulhunden - erwerben die Kinder Sicherheit im Umgang mit Hunden. Das Projekt baut auf dem anglo-amerikanischen "Prevent a bite"-Programmen auf und wurde von der Veterinärmedizinerin Hildegard Jung in Zusammenarbeit mit Pädagogen modifiziert und um das Einführungstraining ergänzt. Das Sicherheitstraining wurde darüber hinaus auch wissenschaftlich evaluiert. Das Ergebnis: "Die Kinder wissen nicht nur mehr, sie verhalten sich nach dem Training definitiv umsichtiger und zeigen von sich aus das erlernte, gefahrenvermeidende, respektvolle Verhalten Hunden gegenüber."

"Beißt der?" wird von Schulen in ganz Bayern angefragt - doch nicht jeder Anfrage kann der Verein nachkommen, da es an ehrerenamtlichen Mitarbeitern fehlt. Im Großraum München sind etwa 25 Aktive mit ihren Hunden im Einsatz. frie

Fast jedes der gefragten Kinder kann einen Unterschied beim Klassenklima ausmachen, und wenn es nur der ist, dass es "jetzt lustiger ist". Teddy schimpft nicht, Teddy ermahnt nicht, ihm ist es egal, wer am besten rechnen kann und am schnellsten läuft. Er schnuppert an allen Schulranzen, lässt sich von jedem streicheln und füttern. Die Kinder mögen ihn und nehmen Rücksicht - "und werden allgemein empathischer", wie Kirstin Mayr sagt. Während sie versuchen, die Sprache des Hundes zu lesen, bekämen sie ein Bewusstsein für die Körpersprache. Im Umgang mit dem Tier wächst zudem schnell das Selbstbewusstsein: Die Kinder erzählen stolz, dass sie Teddy an der Leine geführt haben, er ihnen aus der Hand fresse. Es ist eigentlich ganz simpel, erklärt Kirstin Mayr, die Teddy auch zur Einzelförderung nutzt. Kinder, die es kaum fertig bringen, laut vorzulesen oder ungern schreiben, lesen dann dem Hund vor oder schreiben für ihn. Sie überwinden ihre Hemmungen und werden mit der Hundezeit belohnt. Die ungeliebte Tätigkeit wird im Gehirn mit einem guten Gefühlt verknüpft.

Teddy, sagt ein Junge, sei eigentlich schon der 29. Mitschüler. Wenn der Hund im Morgenkreis auf dem grünen Teppich ganz hinten im Klassenzimmer liegt, dann wollen ihn alle Kinder haben. Sie wollen ihre Hände in sein weiches Fell graben, seine feuchte Nase an ihrer Hand spüren. Keine Frage, es ist viel, was dieser Hund leisten muss, auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht danach aussieht. Kirstin Mayr achtet deshalb darauf, dass Teddy regelmäßig Pausen hat. Dann heißt es für die Kinder: Hände waschen.

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