Fünfseen-Filmfestival 2017:Das Gulasch-Paprika-Klischee

Ungarn ist das Gastland des Fünfseen-Filmfestivals. Hier wird Kunst und Kultur gepflegt - sogar in der Küche

Von Astrid Becker

Wer an Ungarn denkt, dem kommt vielleicht die Puszta in den Sinn. Vermutlich in diesem Kontext dann auch noch der Plattensee, weil man damals, in der Blütezeit der Jugend, dort so billig Urlaub machen konnte. Dem einen oder anderen mag sogar noch der Tanz "Csárdás" ein Begriff sein oder "Ich denke oft an Piroschka", ein Filmklassiker aus dem Jahre 1955 mit Lieselotte Pulver und Gunnar Möller, der heuer am 16. Mai gestorben ist. Noch viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass die meisten Menschen Paprikapulver, Gulasch, Salami und eine gewisse Schärfe mit Ungarn verbinden. "Nur Klischees", sagt Ildikó Hajtó. Sie ist die Frau, die für das diesjährige Fünfseen-Filmfestival den preisgekrönte Regisseur István Szabó nach Starnberg geholt hat.

Ungarisches Essen 3

Ildikó Hajtó kocht gern - zum Beispiel ungarische Erbsensuppe.

(Foto: Astrid Becker)

Ildikó Hajtó kennt Szabó über ihren mittlerweile gestorbenen Bruder. Als sie mit ihm und ihrem Mann 1965 von einem Aufenthalt in Marseille nicht mehr nach Ungarn zurückkehrte, brachte der spätere Oscar-Preisträger der geflohenen Familie immer wieder Hab und Gut aus der Heimat mit. All das erzählt die Zahnärztin, die in Starnberg lebt, zunächst bei der offiziellen Pressekonferenz zum Filmfestival und dann später noch einmal beim Mittagessen in ihrem Haus. Denn Hajto ist eine Frau, die nicht nur von Kunst und Kultur eine Menge versteht, sondern auch vom Kochen und vor allem von der ungarischen Küche. Daher ist es ihr ein Anliegen, auch in diesem Punkt mit einigen Vorurteilen aufzuräumen.

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Palatschinken mit Pörkölt als deftige Speise.

(Foto: Astrid Becker)

Punkt Nummer eins ist die Sache mit der Paprika. Gewürz wie Frucht spielen zwar eine nicht gerade untergeordnete Rolle in den Kochtöpfen der Magyaren. Aber weitaus wichtiger seien Zwiebeln. "Eine Menge davon", sagt Hajto. Es gebe praktisch kein ungarisches Gericht, das ohne viel Zwiebeln, meist recht grob geschnitten, auskomme. "Wer sie nicht verträgt, hat ziemliches Pech in Ungarn", sagt sie. Allerdings würzt der Ungar als solcher auch gern mit Kümmel, was zum einen die Bekömmlichkeit der zwiebelreichen Kost steigert, wohl aber auch eng mit der osmanischen Vergangenheit des Landes zu tun haben dürfte. Ohne Kümmel geht jedenfalls fast nichts. Zum Beispiel im Gulasch. Wobei das, was hierzulande unter Gulasch verstanden wird, so gar nichts mit dem ungarischen "gulyás" gemein hat, einem Gericht, das nach dem Hirten, dem "gulyás", benannt wurde und nichts anderes ist als eine Suppe oder auch Fleisch- und Gemüseeintopf, der in einem großen Kupferkessel auf offenen Feuer zubereitet wurde.

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"Vogelmilch" wird als Dessert serviert.

(Foto: Astrid Becker)

Das, was in hiesigen Breitengraden Gulasch meint, heißt in Ungarn "pörkölt". Und trotzdem ist Pörkölt nicht mit deutschem oder gar bayrischem Gulasch gleichzusetzen. Denn hierzulande wird das Fleisch dafür angebraten, in Ungarn hingegen schmort man es einfach mit. Paprika darf hier natürlich nicht fehlen, wenngleich recht häufig nicht die scharfe Variante zum Einsatz kommt, sondern die süße, Rosenpaprika also - wie in der Paprika-Tomatensauce, die der Ungar zu Hortobagy Palatschinken reicht: Das sind hauchdünne Pfannkuchen, die mit Pörkölt gefüllt werden. Oder auch bei Kohlrouladen, dem "Töltott Káposzta". In keinem Haushalt fehlen darf übrigens Kolbász, eine Wurst, die man wohl am ehesten mit der spanischen Chorizo oder der italienischen Salsiccia vergleichen könnte - auch in ihrem Einsatz in der Küche. Gegessen werden kann sie kalt als Aufschnitt, oder warm - zum Beispiel als Zutat in "Lecsó" (Letscho), dem Ratatouille der Magyaren.

Doch es gibt auch eine ganz Reihe von Gerichten in Ungarn, die mit Paprika und gar Schärfe nicht in Berührung kommen. Eine spezielle Erbsensuppe gehört dort beispielsweise zu den absoluten Lieblingsgerichten für den Sommer. Zubereitet wird sie aus frischen Erbsen, Milch und viel Petersilie, garniert mit Eiernockerln. Am besten passt dazu übrigens ein Glas Wein. Aus Ungarn, versteht sich.

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