Gasthaus Schauer in Possenhofen:Trauriger Schlussverkauf

Das ehemalige Gasthaus Schauer in Possenhofen ist Geschichte. Das Inventar wird auf einem Flohmarkt verkauft. Die Leute reißen sich um Tischdecken, Teller und Besteck

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Possenhofen

Etwas wehmütig steht Johannalore Kehl vor dem riesigen Gusseisenherd mit den wunderschön verzierten Türen in der Großküche des ehemaligen Gasthofs Schauer in Possenhofen. "Das war mein Reich", sagt sie. 40 Jahre lang hat Johannalore Kehl in dem Traditionsgasthof mit Hotel "Zum Fischermeister" gearbeitet, das vor knapp 100 Jahren zu den feinsten Adressen am Starnberger See zählte. Nun steht es seit Jahrzehnten leer und gehört seit einigen Jahren der Gemeinde Pöcking. Die will das Ensemble in einer der exponiertesten Lagen in der Region sanieren.

Wochenlang haben Pöckinger Gemeinderäte das Inventar in ehrenamtlicher Arbeit gesichtet, sortiert und nach Angaben von Bürgermeister Rainer Schnitzler etwa 20 Container Müll entfernt. Alles, was an lohnenswerten Andenken vorhanden ist, wie etwa die sehr gut erhaltene Bauernstube oder Geschirr mit dem Emblem des Gasthofs, soll zur späteren Verwendung eingelagert werden. Der Rest wird an diesem Sonntag auf einen Flohmarkt verkauft. Der rund elf Meter lange Verkaufsstand vor dem Gasthaus biegt sich unter Tischdecken, Tellern, Besteck, Nippes und Ölgemälden mit kitschigen Bergansichten. Sogar ein röhrender Hirsch ist darunter.

Die Besucher drängeln und schubsen, wie in den besten Schlussverkaufszeiten an den Ramschtischen. Zweiter Bürgermeister Albert Luppart und Gemeindemitarbeiter Günther Drexler betätigen sich als Marktverkäufer und haben alle Hände voll zu tun. "Ein einmaliges Andenken für nur 50 Cent", ruft Drexler und hält eine Postkarte vom Gasthof hoch. Die Maßkrüge gehen für je acht Euro weg, wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln und auch Teller und Tischdecken finden reißenden Absatz. Eine Frau beschwert sich, dass das Silberbesteck schmutzig ist. "Sie können nicht erwarten, dass wir auch noch spülen", gibt ihr Luppart schlagfertig zur Antwort. Ein Mann meckert herum, dass sich die Leute gefälligst hinten anstellen sollen. Luppart und Drexler lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Mehrere Gemeinderäte sorgen für Nachschub, sobald eine Lücke auf den Tischen zu sehen ist. "Haben Sie auch ein Brauerei-Schild", ruft jemand, der in dem Gedränge nicht zu sehen ist. Es gibt eine gerahmte Urkunde, die dem Wirts-Ehepaar Karl und Philippine Schauer 1970 von Hacker-Bräu verliehen wurde für "60 Jahre Bezugsjubiläum". Spontan entscheidet Bürgermeister Schnitzler, dass diese Urkunde keinesfalls verkauft werden darf. Stattdessen preist er einen Auerhahn aus Kunststoff an, der doch "wunderschön fürs Wohnzimmer" sei. Andere Besucher versuchen dem Gedränge zu entgehen und versuchen über den Hintereingang in den Gasthof hinein zu kommen. Doch die Türe bleibt zu.

Spontan entschließt sich Helfer Manfred Schiffer Führungen anzubieten. Kaufinteressenten können ein Gebot für die Möbel in den ehemaligen Hotelzimmern abgeben. Schiffer notiert sich die Gebote. Gemeinderätin Ute Nicolaisen-März bekommt die Aufgabe, das jeweilige Höchstgebot herauszusuchen und die Kunden in den nächsten Tagen zu verständigen. Die meisten Besucher, die in fünf Gruppen durch die Räume geführt werden, wollten sich jedoch nur umsehen. Zahlreiche Gebote liegen aber für die Tische in der Gaststube vor.

Johannalore Kehl blickt noch einmal auf ihr Reich zurück, erzählt von ihrem Chef Karl Schauer, der streng darauf achtete, dass der Ofen stets blitzblank war und die Gusseisenpfannen nicht verwechselt wurden. Sie erinnert sich an die Stammgäste und wo sie saßen. Sie deutet auf einen Tisch in der Ecke. Dieser Tisch sei immer für den Staatsschauspieler Kurt Stieler reserviert gewesen, sagt sie. Nach drei Stunden haben Luppart und Drexler mehr als 1700 Euro eingenommen. Das Geld geht an die Stiftung für Pöcking.

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