Fünfseen-Filmfestival:Großes Kino

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Patricio Guzmanns Chile-Essay "Der Perlmuttknopf"

Ein Film über Wasser, Schönheit und Unmenschlichkeit, was soll das sein? "Der Perlmuttknopf" gehört zu den Produktionen, von denen man sich vielleicht nicht viel erwartet. Aber dann erweist sich der poetisch-politische Essay des chilenischen Regisseurs Patricio Guzmán als einer dieser überraschenden Festivalfunde: Großes Kino kommt manchmal eben mit geringen Mitteln aus.

Guzmann erzählt die "herrliche und blutgetränkte" Geschichte seines Landes. Er berichtet von der fast vollständigen Ausrottung der indigenen Ureinwohner im Süden und von den grauenhaften Morden und Folterungen in den 800 geheimen Gefängnissen der Pinochet-Diktatur. Von Jemmy Button, der einen Permuttknopf dafür bekam, dass er den Kapitän und Kartenzeichner Robert Fritzroy nach England begleitete. Und natürlich von den Eisenbahnschienen, mit denen vom Ende der Siebzigerjahre an etwa 1400 ermordete Oppositionelle beschwert und von Hubschraubern aus ins Meer geworfen wurden. An einem der später geborgenen Eisenteile findet sich nur noch ein Knopf. Keine Spur mehr von dem Menschen, der an der Schiene hing.

Guzmann braucht nicht viel, um den großen Bogen zu spannen: eine ruhige Erzählstimme, Interviews, alte Aufnahmen von Indios, die sich bemalen, bis sie bizarre Kunstwerke sind, und dazu die wunderbaren Bilder seines Kameramannes Katell Djian. Fast jedes könnte man aus dem Film nehmen und in einer Ausstellung zeigen. Djian verwandelt die Natur in ein Lebewesen: Berge, die wie Riesen ihr Haupt erheben, raffinierte Spiegelungen mit unendlicher Weite, Teleskope, die sich wie eine Roboterarmee drehen. Wasser sieht bei ihm mal aus wie Öl mit Goldschimmer, mal wie Silber. "Alles ist Wasser", heißt es einmal im Film, und die Indios, die Wassernomaden, hätten geglaubt, dass ihre Seelen als Sterne weiterleben. Vor kurzem, sagt der Erzähler dazu, sei ein Quasar im Weltall entdeckt worden mit unglaublich viel Wasser. Das wäre eine irreale, aber doch tröstliche Vorstellung: dass dort die Seelen der Indios ein Zuhause gefunden hätten.

© SZ vom 03.08.2015 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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