Bürgerbegehren oder Ratsbegehren?:Die große Angst vor dem nächsten "Monster"

Bürgerbegehren oder Ratsbegehren?: Ein dreiteiliger Gebäudekomplex mit Läden im Erdgeschoss ist an der Bahnhofstraße in Gauting geplant. Per Bürgerentscheid will eine Initiative diesen Neubau verhindern.

Ein dreiteiliger Gebäudekomplex mit Läden im Erdgeschoss ist an der Bahnhofstraße in Gauting geplant. Per Bürgerentscheid will eine Initiative diesen Neubau verhindern.

(Foto: Georgine Treybal)

Zur SZ-Berichterstattung über den geplanten Neubau auf dem alten Schulgrundstück in Gauting.

Zur SZ-Berichterstattung über den geplanten Neubau auf dem alten Schulgrundstück in Gauting:

"Das wird teuer" (SZ vom 1. Dezember)

So wird Bürgermeisterin Brigitte Kössinger zitiert. Dem kann man nur zustimmen. Denn der Preis, den Gauting für die geplante Bebauung zahlt, wird hoch sein: programmiertes Chaos an einem jetzt schon neuralgischen Punkt. Hunderte Verkehrsbewegungen auf dem Parkplatz und zum P&R-Gelände am Pausenhof der Grundschule. Drei fünfstöckige Gebäudefassaden an einem der markantesten Punkte des Ortes. Luxus- statt Familienwohnungen. Ein Baumonster statt eines Treffpunkts. Investorenoptimierte Planung auf dem Filetstück der Gemeinde. Getrieben vom "Macher-Image" der Bürgermeisterin bringt sich die Gemeinde um die Planungs- und Gestaltungshoheit über einen ihrer zentralen Zukunftsorte - auf einem Grundstück, für das die Gemeinde dank explodierender Grundstückspreise viel mehr erlöst hat als vor sechs Jahren geplant.

Der Investor, ein finanzstarker Immobilienprojektentwickler, hat zwangsläufig nur ein Interesse: möglichst lukrative Kapitalanlagen in Immobilien. Ob Bauvorhaben ins Ortsbild passen, ist zweitrangig. So auch bei Sontowski, der mit Hilfe der Gemeinde das zu bebauende Areal bis auf den letzten Quadratmeter ausquetscht und der die daraus resultierenden Verkehrs- und anderen Probleme der Gemeinde überlässt. Nun, wo ihm das Bürgerbegehren in die Quere kommt, hebt er mit dem irreführenden Slogan "Zukunft statt Stillstand" auf den Überdruss der Bürger über den jahrelangen Streit um das Grill-Grundstück ab, der sich nicht zuletzt daraus erklärt, dass dessen Verkäufer unter der damaligen Bürgermeisterin nicht das gewünschte, lukrative Baurecht erhielten und daher in Ruhe die Entwicklung der Immobilienpreise abgewartet haben.

Kein Zweifel: Die Bauprojekte müssen angepackt werden. Es ist gut, dass etwas geschieht. Aber nicht ohne Plan und Konzept: keine Verkehrsplanung, keine Schulwegplanung, keine Ortskernplanung. Durchgedrückt innerhalb kürzester Zeit von der Bürgermeisterin und ihrer Gemeinderatsfraktion, die nach dem Motto agieren: "Hauptsache, es passiert was und das Grundstück wird meistbietend versilbert". Der Preis, den alle zahlen, wenn das Monster erst einmal steht, wird sehr hoch sein. Eine grundlegend kluge Überplanung muss jetzt schnellstens her. Ansonsten werden vom Sommer 2018 an Fakten betoniert, die das Leben in Gauting auf Jahrzehnte negativ beeinflussen. Das sollten sich die Bürger vor Augen führen und nicht von unfundierten Drohszenarien abspringender Investoren, ungenehmigter Haushalte oder "Alternativlosigkeit" beirren lassen. Sie sollten sich nicht, wie der Gemeinderat, von Investoren und Bürgermeisterin Sand in die Augen streuen lassen. Dr. Eckhard Müller-Guntrum, Gauting

Noch eine Million draufgelegt

Der SZ-Kommentator ("Verhindern bringt Stillstand", 8. Dezember) irrt: Niemandem geht es ums Verhindern des Bauprojektes auf dem alten Grundschulgelände. Wir wollen nur nicht noch so ein Monster wie am Hauptplatz. Auch dort hatte die SZ gegen die angeblichen Verhinderer angeschrieben, die doch nur ein besseres, ortsverträgliches Gebäude wollten. Die CSU bekam vom Eigentümer riesige Wahlplakate gesponsert, gleich nach der Kommunalwahl wurde das Projekt durchgezogen. Komisch, dass der gleiche Kommentator jetzt von einem "misslungenen Bau" und einem "abschreckenden Beispiel" schreibt.

Das Bürgerforum wurde vor über 50 Jahren gegründet, als am Hauptplatz der Traditionsgasthof "Würmbad" durch das Tengelmann-/Edeka-Gebäude ersetzt wurde. Dem wurde jetzt das Monster zugesellt. Leider konnten wir keine zahmere Version erreichen. Wir sind übrigens deutlich mehr: die 12 Mitglieder des Bürgerforums sind nur die Aktiven, die sich regelmäßig treffen. Seltsam auch, wie der Kommentator die "ehemalige Unternehmensberaterin" und Initiatorin des Bürgerbegehrens anmacht, die "gerade Kapazitäten frei" habe.

Zum Glück gibt es außerhalb der "Baufraktion" noch Bürger, die sich für ein lebenswertes Gauting einsetzen. Hoffen wir, dass auf dem alten Grundschul-Areal nicht ein zweites Monster entsteht, sondern ein ortsverträgliches Projekt. Gerne mit Supermärkten und Wohnungen an diesem zentralen Standort - aber ohne überdimensionale Gebäude und ohne das zu erwartende Verkehrschaos an der künftigen "Doppelkreuzung" am Kriegerdenkmal.

Die Behauptung, dass es nur Stillstand gäbe, wenn das jetzige Projekt nicht durchgezogen würde, ist auch nur Popanz: in der aktuellen Situation auf dem Baumarkt reißen sich Investoren um solche Filetgrundstücke. Der aktuelle Investor kam nur zum Zuge, weil die Gemeinde ihre eigene Ausschreibung in den Papierkorb warf, als einer die Bedingungen ignorierte und für mehr Baurecht noch schnell 'ne Million drauflegte. Das Bürgerbegehren ermöglicht den Ausweg aus dieser abgekarteten Situation. Kein Wunder, dass die Bürgermeisterin angesichts des großen Zuspruchs für ein Bürgerbegehren in Panik gerät und den alten Trick anwendet, es mit einem Ratsbegehren konterkarieren zu wollen. Hans Herde, Gauting

Kapitaler Fehler

Zukunft statt Stillstand: Sontowskis entzückender Spruch sagt sehr viel darüber aus

wie eine - ausschließlich auf Gewinn programmierte Firma - mit Schlagworten versucht, den Bürgern etwas vorzugaukeln. Ganz abgesehen davon, dass dieser Satz keine Logik hat, die Bürger wissen es längst selbst: Der Stillstand ist nicht erst in der Zukunft, sondern täglich und für jeden erfahrbar, der an der Bahnhofstraße unterwegs ist. Egal, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder gar mit dem Auto. Wo soll sich die Zukunft da noch beschleunigen?

Es ist ja fast verständlich, dass es einer Bürgermeisterin und ihren Gemeinderäten schwer fällt, einen so kapitalen Fehler zuzugeben. Ein Innehalten und Einbeziehen der Öffentlichkeit wurde ja bereits ganz am Anfang des Verfahrens verweigert. ("CSU duldet keinen Aufschub"; SZ v. 8. Dezember). Statt nun endlich hinzuhören, was schon lange in der Gemeinde rumort, wird wieder nur die Drohkulisse noch höher aufgebaut, ganz im Sinne, was wenig informierte Bürger beeindrucken könnte: millionenschwere Verluste, jahrelange Brache mitten im Ort, Kürzungen von Zuschüssen. Dazu das schmucke Bildchen einer von oben fotografierten niedlichen Puppenstubenarchitektur, die vollends in die Irre führt. Der Bürger soll ja nicht merken, was ihm droht.

Nebenbei bemerkt: Die Gemeindekasse wird von allen Gautinger Bürgern gefüllt. Wenn kulturell und sozial engagierte Bürger nicht wagen, das Bürgerbegehren zu unterschreiben, weil sie fürchten müssen, für ihren Verein keine Zuschüsse mehr zu bekommen, dann sagt das sehr viel über das Klima in einem Ort aus, in dem sich viele Bürger ehrenamtlich engagieren. Was sagt das über eine Bürgermeisterin und ihr Demokratieverständnis aus? Da kann leicht die Vermutung aufkommen, dass sich hinter diesen Drohgebärden ein veraltetes Gesellschaftsmodell mit autokratischen Herrschaftsstrukturen verbirgt.

Es ist sicher einfacher, einem Investor zu Rendite zu verhelfen, als sich der Ansehnlichkeit seines Wohnortes verpflichtet zu fühlen oder das Vertrauen der Bürger zu gewinnen, indem sie am Planungsprozess beteiligt werden. Da kann man freilich eine Fahne ans Rathaus hängen: "Frieden beginnt in meiner Gemeinde." Dr. Ulla Ziegler, Prof. Mechthild Lobisch, Vorsitzende Bürgerforum Gauting e.V.

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