Flüchtlingssituation:"Eine große Herausforderung"

Der Landkreis muss bis Ende des Jahres zweieinhalb Mal so viele Asylbewerber aufnehmen wie momentan

Von Michael Berzl, Starnberg

Plötzlich stehen zwölf Asylbewerber etwas verloren auf dem Tengelmann-Parkplatz in Tutzing. Sie sind mit einem Bus aus München gebracht worden und wissen zunächst nicht, wohin. Bis Mitarbeiter des Starnberger Landratsamts eintreffen, kümmern sich schon ehrenamtliche Helfer um die Menschen und bringen sie zur Flüchtlingsunterkunft. Das ist am Donnerstag passiert. Eine kleine Panne nur, ohne schlimme Folgen, aber es zeigt, dass die Behörden am Rand ihrer Möglichkeiten sind, und wie wichtig die Arbeit der Helferkreise ist. "Das ist eine große Herausforderung für uns", sagte Landrat Karl Roth, als er über die aktuelle Situation berichtete. Dass er Zahlen ständig nach oben korrigieren muss, ist er schon gewohnt, doch nun erreicht die Aufgabe neue Dimensionen. Die Bezirksregierung macht Druck. Die Kreisbehörde stellt sich darauf ein, dass bis Ende des Jahres mehr als 1200 Flüchtlinge im Fünfseenland leben werden. Derzeit sind es 484.

Bisher sind Asylbewerber gekommen, wenn der Landkreis gemeldet hat, dass er Platz für sie gefunden hat. Die Zeiten sind vorbei, die Regierung von Oberbayern arbeitet nun mit Zwangszuweisungen. Jede Woche schickt sie 20 Asylbewerber. Darum muss ein ehemaliges Fabrikgebäude an der Koempelstraße in Feldafing als Übergangseinrichtung dienen. Damit die Menschen dauerhaft hier leben können, reicht eine Wohnung hier und ein Häuschen dort nicht mehr aus, das ist nur zu schaffen mit großen Containeranlagen, die bis zum Herbst auf dem Festplatz in Gilching und im Starnberger Gewerbegebiet stehen sollen. Die provisorischen Unterkünfte sollen Platz für insgesamt bis zu 340 Menschen bieten. Solche Notlösungen gibt es auch andernorts, Container sind gefragt, die Hersteller haben mittlerweile Lieferzeiten von bis zu fünf Monaten, weiß Sabine Neumann, die Teamleiterin Asyl im Landratsamt.

Die Kreisbehörde wird jetzt gezwungen, zu handeln und die von der Bezirksregierung vorgeschriebene Quote annähernd einzuhalten. Bisher ist das Soll bei weitem nicht erfüllt, eigentlich müssten schon viel mehr Asylbewerber hier untergebracht sein. Der Nachbarlandkreis Wolfratshausen hat sein Soll erreicht, die Fürstenfeldbrucker haben sogar viel mehr Menschen unterbringen können, als sie müssten, weil dort eine ehemalige Kaserne zur Verfügung steht.

Starnberg wird seine Bemühungen verstärken müssen. Roth appelliert in Bürgerversammlungen, Wohnungen zur Verfügung zu stellen, zuletzt am Donnerstagabend in Berg. Sabine Neumann ist vollauf damit beschäftigt, Häuser oder Wohnungen zu finden, zu besichtigen und herrichten zu lassen. Etwa 50 Objekte hat die Behörde bisher gemietet, "aber der Markt gibt nicht mehr viel her", weiß Landrat Roth. In der Kreisbehörde sind acht Mitarbeiter damit beschäftigt, die Unterbringung der Flüchtlinge zu organisieren, dazu sind zwei Hausmeister permanent unterwegs.

So weit der Part der Behörden. Eine mindestens ebenso wichtige Arbeit leisten die Helferkreise. "Die Herzenswärme, die Willkommenskultur: Das könnten wir gar nicht leisten", sagt Roth. Beim Landratsamt sind 150 Ehrenamtliche gemeldet; inoffiziell dürften es noch viel mehr sein. Wer sich in dem Bereich engagieren will, kann sich unter der Telefonnummer 08151/148-397 bei Iana Fröse melden.

Hunderte Flüchtlinge warten nun auf den Abschluss ihres Asylverfahrens. Wer anerkannt wird, kann aufatmen, weil ihm keine Abschiebung mehr droht. Zugleich taucht aber ein neues Problem auf, denn nach den Kategorien der Behörden wird er nun zum "Fehlbeleger"; in einem Asylbewerberheim ist er schließlich fehl am Platze. Eine andere Bleibe zu finden, ist aber schwierig, für Sozialwohnungen gibt es jetzt schon lange Wartelisten. Hier blühen den Gemeinden neue Herausforderungen. "Das wird die zweite Welle", weiß Landrat Roth.

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