Flüchtlinge:Gemalte Träume in der neuen Heimat

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Ahmad Bakr Altakriti aus Syrien kam im September 2014 in Deutschland an. Er hat Glück und darf bleiben. Jetzt ist er dabei, sich in Starnberg zu etablieren. (Foto: Treybal)

Ahmad Bakr Altakriti und seine Frau Wafaa beginnen in Starnberg Fuß zu fassen. Der Syrer arbeitet als Hausmeister im Starnberger Gymnasium und eine Wohnung ist auch gefunden. Das klingt nach Erfolg

Von Katja Sebald, Starnberg

Die kleine Tochter Maria kräht in der Wiege, die stolzen Eltern sitzen daneben. Die Wohnung ist aufgeräumt und blitzsauber. Überall an den Wänden hängen Bilder. Draußen gibt es einen herrlichen Gemüsegarten, die Kartoffeln und die Tomaten sind reif, die Bohnen brauchen auch nicht mehr lange. Es sieht aus wie eine Idylle. Vielleicht ist es ja so. Zumindest ist es der Anfang eines neuen Lebens. Ahmad Bakr Altakriti aus Syrien kam im September 2014 in Deutschland an. Er darf bleiben, er hat eine Arbeit und er hat eine Wohnung gefunden. Seit einem Jahr ist auch seine Frau Wafaa da, im Juli haben sie ein Kind bekommen.

"Man darf nicht auf das Glück warten, man muss selbst etwas tun", sagt Ahmad Bakr Altakriti. Und er hat etwas getan. Er wurde 1976 in Damaskus geboren. Nach einem Studium an der Kunstakademie arbeitete er für eine deutsche Firma als Verkäufer, noch lange nicht ahnend, dass Deutschland einmal seine neue Heimat werden würde. Durch den Bürgerkrieg verlor er zuerst seine Arbeit und seinen Besitz, dann sollte er zum Kriegsdienst eingezogen werden. Für jemanden, der nicht kämpfen wolle, so sagt er, gebe es nur zwei Alternativen: Gefängnis oder Flucht. Sein Bruder war in der Haft erblindet, viele Freunde waren gar nicht mehr zurückgekehrt. Er selbst entschied sich nach langem Ringen für die Flucht: "Ich wollte meine Familie nicht verlassen, aber es ging nicht anders." Mit einem Flugticket nach Algerien machte er sich auf den Weg, von dort ging es nachts, von der Polizei verfolgt, auf einem Pickup durch die Wüste weiter nach Tunesien und dann nach Libyen. Nach einer Wartezeit von zwei Wochen und einer zweitägigen Überfahrt auf einem völlig überfüllten Boot erreichte er die italienische Insel Lampedusa. Sein Ziel war eigentlich Dänemark, denn dort wartete bereits ein Cousin auf ihn. Aber er kam nur bis Deutschland. Wenn er von seiner Flucht erzählt, ist die Erinnerung an die Strapazen und vor allem an die Angst auch nach zwei Jahren noch enorm präsent. Aber Ahmad Bakr Altakriti hat sich von dieser Angst nicht lähmen lassen. Schritt für Schritt hat er sich ein neues Leben aufgebaut.

Seit einem knappen halben Jahr arbeitet er im Starnberger Gymnasium als Hausmeister. Eine Hürde in seinem Arbeitsvertrag ist die Führerscheinprüfung, die er innerhalb einer bestimmten Frist ablegen muss. Deshalb lernt er jetzt nicht nur Deutsch, sondern auch noch für die Theorieprüfung. Neben seiner kleinen Familie und seinem Nutzgarten engagiert er sich in der Malwerkstatt im Rummelsberger Stift. Und Ahmad Bakr Altakriti findet trotz allem auch noch Zeit für seine eigene Kunst. Seine Bilder darf man wohl als gemalte Träume lesen: Träume von einem besseren Leben, von einem friedlichen Miteinander der Kulturen und von einer Rückkehr in ein Paradies, das die unterschiedlichen Religionen miteinander teilen. Tanzende Paare sind ein wiederkehrendes Motiv in seinen Bildern, sie stehen symbolhaft für Harmonie und Glück. Auch den Winter in seiner neuen Heimat hat er gemalt: zwei Eiskunstläufer, die gemeinsam ihre Runden drehen, oder die verschneiten Bäume an der Würm. In manchen der ersten Bilder, die er in Deutschland malte, befragt er sich selbst, stellt sein eigenes Gesicht dar, noch von der Flucht gezeichnet. Dazu entstehen auch eigene Texte, ebenso sehnsuchtsvolle wie nachdenkliche Betrachtungen zu seiner Situation, zur Situation seines Landes und der seiner Mitmenschen. Die Terrormeldungen der letzten Wochen und das Umschlagen der Stimmung in Deutschland erfüllt ihn mit Sorge. "Die allermeisten von uns wollen einfach nur eine Chance zum Weiterleben", sagt er, "ich hoffe, dass die Menschen hier das verstehen."

© SZ vom 23.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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