Flüchtlinge:Allein gelassen im Container

Bürger besichtigen Flüchtlingsheim ; Flüchtlingsunterkunft an der Petersbrunner Straße

Die vom Landratsamt gebauten Unterkünfte betreibt nun die Regierung von Oberbayern. Die Kreisbehörde wird die Helferkreise aber weiter unterstützen.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Seit die Regierung nach und nach die Unterkünfte im Landkreis Starnberg unternimmt, machen sich Ansprechpartner rar. Eine neue Firma ist nun für die Betreuung zuständig. Helferkreise bedauern das

Von Astrid Becker, Starnberg

Die Liste, die allein an der Containeranlage in Krailling hängt, ist lang. Mindestens 30 Namen stehen darauf. Bewohner der Unterkunft, die auf diese Weise aufgefordert werden, ihre Post abzuholen. Die meisten von ihnen werden dazu aber kaum in der Lage sein: Sie gehen bei einer Firma im Landkreis einer Beschäftigung nach, absolvieren ein Praktikum oder besuchen die Berufsschule. In der einen Stunde, in der das Büro in dieser Anlage besetzt ist, sind sie längst nicht mehr in ihrem vorläufigen Zuhause in Deutschland. Mit oft fatalen Folgen für sie: Denn die Post, um die es hier geht, besteht zumeist aus amtlichen Schreiben, die mit Fristen versehen sind, die die Asylbewerber einhalten müssen. Zum Beispiel, wenn es um Befragungen und Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge geht. "Ein Unding, was da abgeht", finden Vertreter der betroffenen Helferkreise.

Die Vorwürfe der Ehrenamtlichen sind allerdings keineswegs an das Landratsamt adressiert, sondern an den Freistaat. Die Regierung von Oberbayern hat sechs der Anlagen im Landkreis Starnberg übernommen und fungiert nun dort als Betreiber. Offiziell ist von einer "Entlastung der Kommunen die Rede", wie Sozialministerin Emilia Müller im April in einer Pressemitteilung der Staatskanzlei verkündet hatte.

Ursprünglich, so ist es aus dem Landratsamt zu hören, hätte die Regierung von Oberbayern die Containeranlagen, die der Landkreis gebaut und vorfinanziert hat, von Anfang an selbst führen sollen. Doch dazu kam es nicht, nach Informationen der SZ wohl aus organisatorischen Gründen. Deshalb waren die Anlagen bis vor kurzem in der Hand des Landratsamtes. Die Kreisbehörde hatte für die Betreuung der Objekte die Firma "Jonas Better Place" engagiert, die sogenannte Sozialberatung wurde vom Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" übernommen, der vom zuständigen Sozialministerium ohnehin für diese Aufgabe auserkoren war. Mit "Hilfe von Mensch zu Mensch" hatte das Landratsamt darüber hinaus eine eigene Kooperationsvereinbarung geschlossen, um genau festzulegen, was die Kreisbehörde von diesem Verein erwartet.

Bislang hat dieses System offenbar bestens funktionierte, zumindest stellen viele der ehrenamtlichen Helfer sowohl Jonas Better Place als auch "Hilfe von Mensch zu Mensch" gute Noten aus. Seit allerdings die Regierung von Oberbayern die Objekte betreibt, tauchen immer neuen Probleme auf.

Derzeit führt die Regierung laut Landratsamt Unterkünfte in sechs Kommunen: in Andechs, die Anlage an der Ammerseestraße in Gauting, in Gilching, in Krailling, in Inning und in Herrsching. Alle weiteren, in 2015 gebauten Anlagen sollen sukzessive Anfang nächsten Jahres übergeben werden. Stets auf ordentliche Weise, wie Landratsamtssprecher Stefan Diebl betont: "Wir machen richtige Übergabetermine mit allen Beteiligten." Ob allerdings jemand einer Einladung Folge leiste und wirklich daran teilnehme, sei jedem selbst überlassen, sagt er. Konkret bedeutet eine solche Übernahme folgendes: Jonas Better Place gibt die Betreuung des Objekts an seinen Nachfolger European Homecare ab.

Nach Auskunft der Regierung von Oberbayern hat diese Firma Anfang dieses Jahres ein Ausschreibungsverfahren für sich entscheiden können und sei seither in der Region der Rahmenvertragspartner. Als privater Dienstleister unterstehe die Firma einem Unterkunftskoordinator. Dieser ist allerdings nicht nur für den Landkreis Starnberg zuständig, sondern auch für die Unterkünfte in den Nachbarlandkreisen Landsberg und Fürstenfeldbruck. Dass dies für einen einzelnen Koordinator recht viel ist, dürfte auf der Hand liegen.

Auch sonst scheint es seit der Übernahme der Regierung zu wenig Personal in den Unterkünften zu geben: Es fehlen zum Beispiel Hausmeister wie offenbar in Gilching. Aber auch seitens der Verwaltung gibt es personelle Engpässe. Ansprechpartner seien in allen Unterkünften nur zu bestimmten Bürozeiten erreichbar, und die sind knapp. In Krailling zum Beispiel handelt es sich dabei um genau eine Stunde täglich. Doch auch die Sache mit der Sozialberatung - für die "Hilfe von Mensch zu Mensch" vom Sozialministerium betraut worden ist - funktioniert nach Darstellung von Helferkreisen nicht mehr. Ehrenamtliche Helfer berichten, dass Sozialberater mit anderen Aufgaben an anderen Orten betraut worden seien. In Inning zum Beispiel gebe es zwar mittlerweile einen Hausmeister und eine Verwaltungsangestellte, die vier Stunden vor Ort ist, aber keinen einzigen Sozialberater. Aus Gilching ist ähnliches zu vernehmen: "Wie das hier weitergehen soll, wissen wir nicht", sagt eine ehrenamtliche Helferin. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. Die neue Hausordnung, so sagt sie, habe jeglichen Kontakt mit der Presse ohne Genehmigung der Regierung untersagt.

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