Kultur:Jazz aus der Trickkiste

Kultur: Die Band Organ Explosion zeigt bei Jazz am See in Feldafing, was sie drauf hat. Und das ist eine ganze Menge.

Die Band Organ Explosion zeigt bei Jazz am See in Feldafing, was sie drauf hat. Und das ist eine ganze Menge.

(Foto: Ulfers)

Die drei Musiker von Organ Explosion überzeugen in Feldafing durch ihre lustvolle Art zu musizieren

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Am Anfang stand das Instrumentarium aus den 1970er Jahren. Die Tasteninstrumente B4-Hammond-Orgel, Fender Rhodes, E-Piano Wurlitzer und Moog-Synthesizer, die Hansi Enzensperger bändigte. Manfred Mildenberger setzte sich ans Ludwig-Schlagzeug und Ludwig Klöckner nahm den Fender-Bass in die Hand. Das ist deshalb so wichtig, weil daraus nicht nur eine gewisse Stimmigkeit resultiert, sondern auch die ganz besondere Klangcharakteristik von Organ Explosion. Und um die ging es in erster Linie beim Konzert der 2011 gegründeten Formation bei Jazz am See im Feldafinger Rathaus-Bürgersaal.

Nachdem die angekündigten Gäste Peter O'Mara und Tim Collins nun doch nicht wollten, zog sich das Trio in sein ureigenes Metier zurück. Damit ist aber keinesfalls ein nostalgisches Nachempfinden legendärer Zeiten gemeint, auch wenn im Repertoire bisweilen immer wieder auch alte Nummern zu hören sind. Es geht der Band vielmehr darum, aus den (selbst nicht erlebten) alten Zeiten heraus einen gänzlich neuen, eigenen Ansatz zu kreieren. Die drei Musiker überzeugen dabei in erster Linie mit ihrer lustvollen Art zu musizieren, unentwegt darauf bedacht, mit neuartigen Klängen zu überraschen, mit Wendungen Entdeckerlust zu wecken, aber auch im satten Laufenlassen mit einem ordentlichen Drive mitzureißen.

Organ Explosion versteht es darüber hinaus, ungeheuer fesselnde dramaturgische Verläufe zu kreieren. Meistens weit gedehnt und auf rhapsodische Art in einem stark ausgeprägten Auf-und-Ab gekonnt in Spannung gehalten. So ein Stück kann mit zarten Klangspuren beginnen, etwa mit einem Hauch von fernen Soundscapes, sukzessiv klarer konkretisiert mit trockenen Perkussionsgeräuschen: Eine reizvolle Irritation. Dann setzt der plastische Bassklang eine räumliche Fülle darunter und die Musik rückt näher. Zunächst leicht, lässig und vergnügt, bis sich die Struktur verdichtet, die Thematik intensiviert und der Motor allmählich an Fahrt gewinnt. Zuletzt setzt markant rhythmisiert auch die Klang- und Substanzfülle zum nicht selten rockigen Höhenflug an und die drei Musiker spornen sich in Virtuosität gegenseitig an, bis zum explosiven Höhepunkt. Aber dann ist noch lange nicht Schluss: Ein Break markiert einen Neuanfang. Und die emotionale Wirkung einer solch weiten Rücknahme ist enorm.

Die Kreationen des Trios sind überaus inspiriert und erfindungsreich. Im Zentrum des Experimentellen standen hier die Tasteninstrumente, die schon ein beachtliches Klanglabor darstellten, zumal Enzensperger trotz Gipsbeins es verstand, seine Instrumente miteinander geschickt zu kombinieren und gar die merkwürdigsten Synthesizer-Klänge in ein stimmiges Ganzes einzubinden. Aber auch seine Mitspieler griffen in die Trickkiste. Mildenberger mit einem Drum-Computer, der so schräg daher kommen konnte, dass es überaus originell wurde. Selbst Klöckner fand am Bass Möglichkeiten, im Spiel mit der Elektronik überraschende Effekte hervorzuholen. In dem er etwa die Tonabnehmer am Bass als Mikrofon verwendete und stimmliches Material für Verfremdungen nutzte.

Die Jungs zeigten in ihren Effektspielen zudem Humor. Besonders im Rückgriff auf die Klangästhetik von Computerspielen, die mit abgehetztem Geleier nach Art von Super-Mario ansetzte und sichzu Gefechten mit futuristischen Waffen emporarbeitete, um anschließend zum spaßigen Geschicklichkeitsspiel zurückzukehren. In der Gegenüberstellung steckte Ironie. Titel wie "Fuzz free", "Benz" oder "Banana" weisen darauf hin, dass der Band der Spaß am assoziativen Spiel mit dem schier grenzenlosen musikalischen Material Programm ist. Begeistertes Publikum und zwei Zugaben.

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