Feldafing:Frühstück bei Frau Ministerin

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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kämpft, auch wenn die Tage nach dem Rauswurf der FDP ungemütlich sind

Christian Deussing

Feldafing Leutheusser-Schnarrenberger Feldafing, Frühstück bei Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

FeldafingViele Tomaten neben der Terrasse müssen heuer noch unter einer Folie wie im Treibhaus nachreifen. Für den Reporter hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einige der selbst gezogenen Früchte zum Frühstück am Freitagmorgen ins Schälchen gelegt. Ihr Esstisch ist reich gedeckt, am Rand steht noch ein "Coffee to Go"-Becher mit ihrem Konterfei. Die Politikerin hat diese Getränke vor kurzem auf dem Herrschinger S-Bahnhof verteilt. Das Telefon schrillt. "Ja, ich lebe noch", versichert die Bundesjustizministerin dem befreundeten Anrufer. Denn zur Zeit ist die FDP-Spitzenpolitikerin daheim in Feldafing kaum zu erreichen. Ihr geliebter Terrier "Franzi" ist noch bei einer Pflegefamilie, denn fürs Gassi gehen hat die Ministerin nun wahrlich keine Zeit. Ein Termin jagt den anderen, die letzte Kabinettsitzung in Berlin war am Mittwoch. Seitdem steht die Liberale stundenlang an Infoständen im Landkreis und kämpft auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl um jede Stimme - damit ihre Partei nach dem Debakel in Bayern nicht wieder an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Es wird aber am Sonntag eine Zitterpartie werden.

Sie sei "schon angespannt", habe dennoch gut geschlafen, erzählt die Spitzenkandidatin, betont aber auch: "Ich falle in kein tiefes Loch, wenn es nicht klappt. Ich wüsste mich zu beschäftigen". Sie habe jedenfalls keinen "Plan B". Sollte der FDP-GAU eintreten, würde sich die Juristin wohl ehrenamtlich im sozialen Bereich engagieren, entweder im Kinderschutzbund oder in der Flüchtlingshilfe. In den ersten vier Wochen würde sie in den Bergen wandern, um "Abstand zu gewinnen und den Kopf frei zu kriegen". Doch eigentlich soll es anders laufen und dafür tut die Liberale alles: Sie umkurvt am Freitag einen CSU-Stand am Kirchplatz in Feldafing und spricht einen Vater mit Kinderwagen an. "Sie war nett und unaufdringlich", berichtet hinterher Steffen Ernst, der sich noch nicht ganz entschieden hat.

Der 35-jährige Angestellte moniert die hohen Mietpreise in der Region, die sich eine "normale Familie hier nicht leisten" könne. Dem Starnberger macht auch Sorgen, wie stark die "Alternative für Deutschland" (AfD) geworden ist. Die Anti-Euro-Partei ist der FDP knapp auf den Fersen. "Die AfD spielt mit Ängsten, da müssen wir klare Kante zeigen", sagt dazu die Spitzen-Liberale. Ein Rentner schimpft über seine hohe Stromrechnung, zudem auf den FDP-Chef Philipp Rösler. "Der kann es nicht, seitdem der am Ruder ist, geht es mit der FDP steil bergab. Als Mediziner ist er sicher besser." Leutheusser-Schnarrenberger hört jedem zu, diskutiert gern, berührt die Leute am Arm und ist mitunter impulsiv. "Ich will immer authentisch und glaubwürdig sein", sagt die Feldafingerin, auch nach 23 Jahren in diesem politischen Geschäft.

Sie weiß, dass sie gerade deswegen ein positives Image hat und nicht unbedingt ihre FDP. Diese gilt bei vielen Wählern als "Klientel- und Funktionspartei", Kanzlerwahlverein oder gar als Partei der "sozialen Kälte". Da würde allerdings Leutheusser-Schnarrenberger energisch widersprechen, die sich seither vor allem für Bürgerrechte und Datenschutz einsetzt. Die 62-Jährige will zudem, dass Altenpfleger und Erzieher besser bezahlt werden und warnt vor der Altersarmut.

"Wir drücken die Daumen, haltet durch, ihr schafft es. Lasst euch nicht unterkriegen." Immer wieder hört die Politikerin diese Aufmunterungen an den gelben Infotischen. Das sei jedoch kein Mitleid , glaubt sie. Die FDP müsse ihr Programm und eigenes Profil vermitteln, das sei wichtig. Derweil sind ihre Helfer froh, wenn jemand stehen bleibt, zumindest einige Worte wechselt und dann einen Flyer, Luftballon oder Kugelschreiber mitnimmt - um vielleicht das Kreuzchen diesmal an der richtigen Stelle zu machen. Der FDP-Stand in der Wittelsbacher Straße in Starnberg steht im Schatten, der Wind ist eisig. Die Tage nach dem Rauswurf aus dem Maximilianeum sind ungemütlich.

Die Landeschefin muss nun ihre Mannschaft in außerparlamentarischer Opposition mit weniger Geld neu formieren. Eine Herkules-Aufgabe. Zum Glück könne sie innerlich recht schnell abschalten. "Ich entspanne mich am besten im Garten, bei der Tannhäuser Ouvertüre, frischer Luft in der Natur oder auf meiner Hütte in 1000 Metern Höhe in den Tiroler Alpen", erzählt die Politikerin beim Frühstück. Sie mag Humor und Satire, findet den Stinkefinger von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ungebührlich und "nicht witzig".

Davon aber abgesehen betont die Ministerin, dass Politiker es ertragen sollten, "mal auf die Schippe genommen zu werden". Die gebürtige Westfälin weiß, wovon sie spricht - als Mitbegründerin der Kabarettgruppe "Die Mindener Stichlinge". Bei deren 40-jährigen Bestehen hatte Leutheusser-Schnarrenberger einen Gastauftritt - natürlich als Ministerin. Das will sie auch nach dem Sonntag bleiben, bei dem es um das Überleben der FDP geht. "Amtsmüde bin ich nicht und würde gern als Justizministerin weiter machen." Die Politikerin hofft jedenfalls auf eine "Sechs vor dem Komma" bei dieser Wahl. Man wird sehen.

© SZ vom 21.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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