Feldafing:Ein Kulturerbe, das keiner sieht

Der Historiker Christoph Hölz plädiert dafür, nicht nur die Pfahlbauten, sondern die ganze Roseninsel unter Schutz zu stellen

Gerhard Summer

Wer wissen will, warum dieses Eiland Weltkulturerbe ist, muss mit dem gläsernen Boot kommen oder besser noch mit der Taucherbrille. Die 2400 bis 4000 Jahre alten prähistorischen Pfahlbauten an der Roseninsel, die nach Ansicht der Unesco so erhaltenswert sind, liegen unter Wasser, teils freigelegt, teils unter Schlamm. Sie bleiben dem gewöhnlichen Besucher also verborgen - eine archäologische Sensation mit Tarnkappe. Der Historiker Christoph Hölz vom Förderverein Roseninsel findet das "für das Publikum enttäuschend, weil nichts zu sehen ist". Seiner Ansicht wäre es sinnvoller, die komplette Roseninsel samt Casino zum Weltkulturerbe zu ernennen, zumal sich ihre Historie in der Architektur der königlichen Villa widerspiegelt. "Dieser Ort verdient es, mit seiner mehr als 2000-jährigen Geschichte gewürdigt zu werden", sagt er.

Der 2,56 Hektar große Flecken Land im Starnberger See, der einst Insel Wörth hieß, hatte im frühen 19. Jahrhundert der Fischerfamilie Kugelmiller gehört. 1850 kaufte König Maximilian II. die Insel für damals 3000 Gulden. Er und sein Sohn Ludwig II. bauten sie zum privaten Refugium um. Richard Wagner war hier zu Gast und die russische Zarin Maria Alexandrowna. Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm landete an, und zuweilen eilte aus Possenhofen Kaiserin Elisabeth von Österreich herbei. Angeblich liebte Sisi genauso wie der Kini die Einsamkeit.

Das Casino, die königliche Villa, entstand in den Jahren von 1850 bis 1853. Die Gartenanlage entwarf Peter Joseph Lenné. Mit dem Hausbau beauftragte Maximilian den Architekten Franz Jakob Kreuter (1813 bis 1899). Seine Abrechnungen führten zum Zerwürfnis zwischen den beiden. Denn Kreuter, ein weltoffener Mann, der mit dem Wintergarten der Residenz den ersten Glaseinzelbau in Bayern schuf, wollte das Casino mit Möbeln aus Paris und teurem Parkett bestücken. Damit wären die Kosten aufs Doppelte, wenn nicht Dreifache gestiegen. Der König ließ das Projekt lieber sparsam fertigstellen und wechselte Kreuter durch Eduard Riedel aus.

Wie der Kunst- und Architekturhistoriker Hölz sagt, seien die Bezüge auf die Inselgeschichte freilich Kreuters Verdienst: "Er zeigt die Antike, meint aber die Gegenwart." Und diese Verschränkung zwischen Rom und Bayern, Villa und Gebirgshaus gebe dem Casino seine Doppelbödigkeit. Eine Wand des Gartenhauses stammt von der mittelalterlichen St. Michaelskapelle, Kreuter hatte den Bau an die Ruine gesetzt. Am Casinodach erinnern Figuren, die Meereswesen zeigen, an einen Tempelgiebel. Im Obergeschoss finden sich aus Tannenholz gebaute pompejanische Säulen. Und der Dekorationsmaler Johann Georg Hiltensperger, der auch Fresken in der Alten Pinakothek schuf, stattete das Untergeschoss mit pompejanischen Malereien aus. Hölz zufolge sind sie in Bayern eine Seltenheit: Denn im Gegensatz zu den berühmten Arbeiten in Schloss Ismaning oder in der Residenz sind sie nie erneuert, sondern immer nur gereinigt worden. Einzig Regisseur Luchino Visconti ließ bei den Dreharbeiten zu seinem Ludwig-Film schon mal einen Nagel in die Wand schlagen, um Dekorationen aufzuhängen. Aber womöglich kann man auch das als Querverbindung zwischen Italien und Oberbayern durchgehen lassen.

Laut Landesamt für Denkmalpflege sind drei Objekte in Bayern als Teil des Denkmals prähistorische Pfahlbauten in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen worden, neben der Roseninsel die Siedlungen Pestenacker und Unfriedshausen im Landkreis Landsberg am Lech. Und da interessierten eben weder das Casino noch mittelalterliche Siedlungsreste: "Das gehört dazu, ist aber nicht das Thema", sagt Landeskonservator Sebastian Sommer, der auch keine Chance sieht, daran etwas zu ändern. Dass das Welterbe unsichtbar bleibt, ist seinen Worten nach bei einem Bodendenkmal "systemimmanent". Würde man die Pfahlbauten ausgraben, wären sie ein- für allemal zerstört.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: