Feldafinger Lenne-Park:Aus dem Dornröschenschlaf erweckt

Der Lenné-Park war als Sommersitz für König Maximilian II. geplant, der auf dem Areal um 1860 ein Schloss bauen wollte. Sein Tod wirkte wie ein Baustopp, die Anlagen verwilderten. Erst vor 20 Jahren begann man, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen

Von Otto Fritscher, Feldafing

Ein Landschaftspark, das ist keine willkürliche Ansammlung von Bäumen, Wiesen, Sträuchern, die zufällig nett und vielleicht sogar idyllisch aussieht. Es ist aber auch kein geometrisch durchgestyltes, strenges Gelände mit Ronden, Kreisen und Zirkeln wie zu Zeiten des Barock. "Ein Landschaftspark ist eine von Menschen gestaltete Landschaft, die so aussieht, als hätte die Natur sie geschaffen", erklärt Martina Graefe. Ein Musterbeispiel findet die Feldafinger Gemeindearchivarin nur wenige Meter entfernt von ihrem Arbeitsplatz im Souterrain des alten Rathauses vor: den Lenné-Park, den die meisten im Vorbeifahren auf der Hauptstraße bloß als Golfplatz wahrnehmen. Doch das ist es nicht, was die Einmaligkeit des Lenné-Parks ausmacht.

"Es geht um Situationen", sagt Martina Graefe. Situationen, die man nur "natürlich" erleben kann, also wenn man durch das fast 100 Hektar große Parkgelände streift. Erleben, und zwar mit den Augen, mit den Ohren und der Nase. Denn das Konzept, das der damalige preußische Hofgartendirektor Peter Joseph Lenné Anfang der 1850er Jahre ersonnen hat, basiert auf solchen Situationen. "Man geht auf einem Waldweg, beschattet von einer großen Allee, durch den Park. Alles liegt im Halbdunkel. Auf einmal öffnet sich das Gelände, es entsteht eine Sichtachse zum See, die von der Sonne beschienen ist. Ein Spiel mit Licht und Schatten", beschreibt Graefe das "Erlebnis Lenné-Park". In manchen Ecken des Parks herrscht auch heute noch geradezu paradiesische Stille, wenn nicht gerade ein paar Golfer mit ihren Wägelchen vorbeiziehen und vehement diskutieren, warum der Schlag doch nicht so gelungen war.

Feldafing, Archivarin Martina Graefe

Sommersitz für einen König - Maximilian II. wollte auf dem Areal ein Schloss bauen.

(Foto: Georgine Treybal)

An anderen Stellen ist das Rauschen eines kleinen Bächleins wie Musik in den Ohren. Und die Nase? Nun, wenn man im Frühjahr durch die riesigen Bärlauch-Felder geht, betört - oder belästigt, je nach Empfindlichkeit - dieses Wildgemüse den Geruchssinn. "Der Lenné-Park hat zu jeder Jahreszeit seinen ganz eigenen Charakter", schwärmt Martina Graefe. Die Feldafinger, und viele Ausflügler, und nicht nur die Golfspieler, beleben den Park rund ums Jahr.

Dabei war der Park ursprünglich als königliches Vergnügen gedacht. Bereits 1831 soll Kronprinz Maximilian von Bayern, der 1848 zum König Maximilian II. gekrönt wurde, bei einer Rast während einer Landpartie die reizvolle Landschaft auf dem Wiesenplateau über dem Starnberger See kennen- und lieben gelernt haben. Als er später einen Standort suchte für das Maximilianeum - eine Anstalt mit dem Ziel, "talentvollen bayerischen Jünglingen jeglichen Standes die Erreichung jener Stufe wissenschaftlicher und geistiger Ausbildung zu erleichtern, welche zur Lösung der höheren Aufgaben des Staatsdienstes erforderlich ist" - erinnerte er sich an Feldafing. Doch das Maximilianeum fand dann doch seinen Platz in der Residenzstadt München.

Der Park und die Nationalsozialisten

1937 nahm die NSDAP den südlichen Teil des Lenné-Parks in Beschlag. Gleich gegenüber, auf der anderer Straßenseite, errichteten die Nationalsozialisten für die Reichsschule der NSDAP, in der die junge Elite herangezogen werden sollte, acht Sturmblockhäuser. Diese sind heute noch erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Die Reichsschule, die einzige im Deutschen Reich, war zunächst auf mehrere Gebäude im Ort Feldafing verteilt, zog aber, da es an Platz fehlte, auf das Gelände, auf dem heute die Fernmeldeschule der Bundeswehr untergebracht ist. Für die Reichsschule planten die Nazis im Lenné-Park Sportanlagen riesigen Ausmaßes: Leichtathletikanlagen, Reitplätze, Tennisanlagen, eine Badeanstalt, ein Freilichtbühne und anderes mehr. "Die Anlagen hätten enorme Ausmaße annehmen sollen und den Lenné-Park unwiderruflich zerstört", sagt Gemeindearchivarin Martina Graefe. Die Bauarbeiten für Reitplätze und Badeanstalt hatten schnell begonnen, im Park wurde planiert und die Landschaft verändert. Zu Kriegsbeginn wurden die Arbeiten dann eingestellt und die Pläne ad acta gelegt. Nach dem Krieg nahmen die Amerikaner den Lenné-Park mehr oder weniger in Besitz; vor allem auf dem Golfplatz herrschte reger Betrieb. Auch der spätere amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower hat auf der Neun-Loch-Anlage gespielt, die 1962 dem Golfclub übergeben wurde, der dann eine 18-Loch-Anlage baute. of

Doch Maximilian, Sohn des Ludwig I., hatte so viel Gefallen an der reizvollen Uferlandschaft am Starnberger See gefunden, dass er den Bau eines Kronprinzenpalastes erwog. Erste Pläne des Architekten Eduard Metzger datieren aus dem Jahr 1840, doch sie wurden erst 1848 nach der Krönung aktueller. Zunächst erteilte Max II. 1854 den Auftrag für die Ausführung der Parkanlagen. Peter Joseph Lenné gilt als bedeutendster Gartenarchitekt jener Zeit, der einer neuen Gestaltungsrichtung den Weg öffnete: den Landschaftsparks nach englischem Vorbild, bei denen gärtnerische und natürliche Elemente sich zu einem "gemischten Stil" verbinden.

Der Park erstreckte sich weitläufig um das Schloss herum, war etwa 60 Hektar groß. Ein ornamental wirkendes Wegenetz durchzog das lang gestreckte Gelände zwischen Tutzinger Straße und See. Bäume wurden gepflanzt, bevorzugt an Wegekreuzungen, um den Wegen eine starke räumliche Wirkung zu verleihen. "Man hat damals riesige Bäume im Dorf ausgegraben und in den Park verpflanzt", berichtet Martina Graefe. Die Ausführung der Arbeiten oblag Carl von Effner, einem Schüler Lennés, den Maximilian II. nach Beendigung der Arbeiten in Feldafing zum königlichen Hofgärtner beförderte.

Feldafinger Lenne-Park: Reizvolle Sichtachsen zum See und kleine Teiche sollen den Flaneur erfreuen.

Reizvolle Sichtachsen zum See und kleine Teiche sollen den Flaneur erfreuen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Offensichtlich war die Gestaltung des Parks, der damals noch keinen Namen hatte, zur Zufriedenheit des Königs ausgefallen, denn auch die Pläne zum Bau des Sommerschlosses bekamen neuen Schwung. Doch grundsätzliche Zweifel und immer wieder neue Änderungswünsche des Königs verschleppten den Bau, der 1862 endlich begonnen wurde, ungefähr dort, wo sich heute der Abschlag für Loch 11 befindet. Doch der Bau war noch nicht über das Kellergewölbe, Souterrain genannt, hinausgekommen, als Max II. im März 1864 überraschend starb. Das Sommerschloss sollte auch unvollendet bleiben, denn Maximilians Nachfolger, der "Märchenkönig" Ludwig II., zeigte kein Interesse für den Weiterbau des Schlosses.

Ludwig II. ließ den Bau dann gänzlich einstellen, behauptete sogar, diesen Beschluss habe noch sein Vater gefasst. Die Baustelle wurde zugeschüttet, die Mittel für den Unterhalt des Parks auf das notwendigste Maß beschnitten. "Richard Wagner hat gegenüber seinem Freund Franz Liszt sogar einmal geäußert, Ludwig habe den Schlossbau zu Feldafing einstellen lassen, um alles Geld, das dem jungen Herrscher zur Verfügung stand, seinem Werk zuzuführen", sagt Martina Graefe. Und: "Ich würde wahnsinnig gerne an der Baustelle graben", sagt Graefe. Denn außer zwei großen Quadern, die als Ruheplätze dienen, ist nicht mehr viel übrig vom Sommerschloss im Park. Wenn man von den Grundmauern des Feldafinger Bahnhofs absieht, denn Ziegel vom unvollendeten Schloss wurden dann beim Bau des Bahnhofs verwendet, der 1865 eingeweiht wurde. "Man erkennt die Ziegel aus dem Schloss an der glatten Oberfläche. Sie wurden in den Grundmauern verwendet und sind vor allem nachts, wenn der Bahnhof mit Strahlern vom Boden aus beleuchtet ist, sehr gut zu erkennen", sagt Graefe.

Feldafing, Archivarin Martina Graefe

Die Feldafinger Gemeindearchivarin Martina Graefe zeigt anhand einer Aufnahme das landschaftliche Konzept des Parks.

(Foto: Georgine Treybal)

Ludwig II. hatte aus dem Park, an dem er kein Interesse hatte, sogar Bäume und Gehölze ausgraben und in den Park um Schloss Linderhof verpflanzen lassen. Somit begann der langsame Verfall des Parks - zumal ein Park ohne Schloss für die Herrschenden wenig attraktiv war. Nur wenige Zeugnisse gibt es aus jener Zeit. Ein Höhepunkt muss das Fest gewesen sein, das die Münchner Künstlergenossenschaft im Jahr 1893 anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums im Park feierte. Der 4. Juli jenes Jahres muss ein Tag "mit gleißendem Sonnenschein und Sommerduft" gewesen sein, wie der Chronist berichtet. Das "eiserne Dampfross" brachte Tausende Münchner aufs Land, wo in einer aus grünen Tannenbäumen und Fichten gezimmerten Halle gefeiert wurde. Die Wege waren mit Obelisken und Riesenrosen geschmückt, und Prinzregent Luitpold traf mit dem Ruderboot "Delphin" in Feldafing ein, was als die letzte Fahrt dieses Bootes gilt, das heute im Museum Starnberger See in Starnberg ausgestellt ist. Auch auf dem Wasser gab es ein riesiges Spektakel, etwa das von der Künstlergenossenschaft gestaltete Boot "Seegeist", das von einem Meeresungeheuer gezogen wurde. Eine altvenezianische Galeere brachte die Rosenkönigin samt Rosenjungfern zum Fest. Doch solche Festivitäten blieben die große Ausnahme.

Nach dem Niedergang der Monarchie in Bayern mit Ende des Ersten Weltkriegs ging der Park 1923 in das Eigentum des Wittelsbacher Ausgleichsfonds über. Dieser verpachtete die nördliche Hälfte an den Golfclub Feldafing, der dort 1926 eine 9-Loch-Anlage einrichtete. Treibende Kraft war der Feldafinger Hotelier Georg Strauch, der das Hotel Strauch führte, das heutige "Kaiserin Elisabeth". Strauch wollte mit dem Golfplatz den aufkeimenden Fremdenverkehr ankurbeln. 1937 wurde der südliche Teil der Reichsschule Feldafing der NSDAP zugeschlagen (siehe gesonderten Infokasten).

Der Park und die Nationalsozialisten

1937 nahm die NSDAP den südlichen Teil des Lenné-Parks in Beschlag. Gleich gegenüber, auf der anderer Straßenseite, errichteten die Nationalsozialisten für die Reichsschule der NSDAP, in der die junge Elite herangezogen werden sollte, acht Sturmblockhäuser. Diese sind heute noch erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Die Reichsschule, die einzige im Deutschen Reich, war zunächst auf mehrere Gebäude im Ort Feldafing verteilt, zog aber, da es an Platz fehlte, auf das Gelände, auf dem heute die Fernmeldeschule der Bundeswehr untergebracht ist. Für die Reichsschule planten die Nazis im Lenné-Park Sportanlagen riesigen Ausmaßes: Leichtathletikanlagen, Reitplätze, Tennisanlagen, eine Badeanstalt, ein Freilichtbühne und anderes mehr. "Die Anlagen hätten enorme Ausmaße annehmen sollen und den Lenné-Park unwiderruflich zerstört", sagt Gemeindearchivarin Martina Graefe. Die Bauarbeiten für Reitplätze und Badeanstalt hatten schnell begonnen, im Park wurde planiert und die Landschaft verändert. Zu Kriegsbeginn wurden die Arbeiten dann eingestellt und die Pläne ad acta gelegt. Nach dem Krieg nahmen die Amerikaner den Lenné-Park mehr oder weniger in Besitz; vor allem auf dem Golfplatz herrschte reger Betrieb. Auch der spätere amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower hat auf der Neun-Loch-Anlage gespielt, die 1962 dem Golfclub übergeben wurde, der dann eine 18-Loch-Anlage baute. of

1955 kam der gesamte Park in den Besitz des Freistaats Bayern, dafür war ein Grundstückstausch mit dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds nötig, der im Gegenzug Grundstücke am Feldafinger Höhenberg bekam. Das Parkgelände verwilderte zusehends, andere Dinge waren in der Nachkriegszeit wichtiger. 1962 erweiterte der Golfclub seinen Platz auf 18 Löcher, wobei auch etliche Eingriffe in der Parksubstanz vorgenommen wurden.

Neben der Nutzung als Golf-Areal versank der Lenné-Park in den siebziger und achtziger Jahren in einer Art Dornröschenschlaf, aus dem ihn erst Josef Schwab und Bernd Rogge von der Bayernischen Schlösser- und Seenverwaltung erweckten. Von 1994 bis 2004 ließen sie den Park umgestalten, wieder nach seinen originalen Wurzeln. Ein Prozess, der nicht nur für Begeisterung sorgte, als Bäume und Gehölz entfernt wurden, um den historischen Zustand wiederherzustellen. Sichtachsen wurden freigelegt, Wildwuchs am Seeufer beseitigt. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Knapp 100 Hektar ist das Gelände groß, damit ungefähr dreimal so groß wie das Kasernengelände jenseits der Durchgangsstraße. "Ich erinnere mich noch an die Zeit, als der Lenné-Park duster und zugewachsen war. Jetzt ist er ein richtiges Schmuckstück, das unbedingt so erhalten werden muss", sagt Martina Graefe.

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