Fasching in Starnberg:Verregnetes Vergnügen

Faschingstreiben in Starnberg, Unterbrunn, Pöcking und Machtlfing: Ausgelassene Stimmung will vielerorts aber nicht so recht aufkommen

Von M. Berzl, O. Fritscher und C. Deussing, Starnberg

Es ist Viertel vor zwei, und der Bus, der die Wittelsbacher Straße entlang fährt, ist genauso menschenleer wie der Kirchplatz. Eigentlich sollte hier das Faschingstreiben steigen, aber Stadt und Perchalla haben am Vormittag entschieden, wegen des schlechten Wetters in die Schlossberghalle umzuziehen. Aber auch dort sieht es eher nach einer Stehparty aus, gerade mal 50 teils maskierte Besucher, zumeist Kinder, warten, was passieren wird. Andreas Denk, Präsident der Perchalla, schaut besorgt drein, und sagt: "Weiß noch nicht, ob ich die Garden auftreten lasse, ist ja wie beim Training hier, ohne Zuschauer." Als es dann gegen 15 Uhr doch wohl 100 Besucher sind, schickt er die "One Million Dollar Girls auf die Bühne", die sich zu einer Schlagerrevue von einer Putztruppe in Glamourgirls verwandeln. Spärlicher Applaus. An den Tänzerinnen liegt es nicht, eher an der mauen Stimmung. Aber die Perchalla hat mit noch ganz anderen Schwierigkeiten als dem Wetter zu kämpfen, in diesem Faschingsendspurt.

Ein Prinz ohne Prinzessin, das geht eigentlich nicht, und im Fasching schon zweimal nicht. Und doch hat genau dieses Los Benedikt I. getroffen, den 21-jährigen Gekrönten der Perchalla. Dutzende Auftritte hatte Benedikt Greif, wie er ab Aschermittwoch wieder heißen wird, schwungvoll mit seiner Patricia I. (Wiegand) absolviert, bis es Ihre Lieblichkeit dann am Wochenende übel erwischte. Ein böser Magen-Darm-Virus legte die 23-jährige Starnbergerin über das Wochenende flach, sie hing sogar am Tropf. Auch am Rosenmontag musste Patricia I. pausieren, fünf Auftritte absagen. Doch was ein echter Faschingsprinz ist, der ist natürlich flexibel. "Wir haben immer eine Dame aus dem Publikum ausgewählt, die wie eine Prinzessin oder so verkleidet war", sagt Denk. Diese durfte dann mit Benedikt den Prinzenwalzer tanzen.

Am Faschingsdienstag ist Patricia beim Endspurt in der Schlossberghalle überraschenderweise doch dabei, wenn auch trotz Schminke ein bisschen blass. "Immerhin steht sie wieder", sagt Präsident Denk und lacht. Bis Mitternacht will sie fit bleiben, dann wird der Fasching, und mit ihm das Prinzenpaar, beerdigt.

Doch noch ist es nicht so weit. Auf dem Vorplatz der Halle trotzen die Perchalla, die Schützen der FT, und die Wasserwacht der Kälte, sie verkaufen Glühwein statt Prosecco an die Besucher. Drinnen kalauert Stadtrat Winfried Wobbe, dass "heute in der Schlossberghalle besseres Theater geboten wird als in einer Stadtratssitzung." Und Stadtrat Gerd Weger, der mehr als 30 Jahre lang das Faschingstreiben organisiert hatte, bis er es wegen eines Zerwürfnisses mit Bürgermeisterin Eva John aufgegeben hatte, kommt mit einem Feuerwehrhelm herein. "Stadtrats-Rauchwarnmelder" steht auf dem Helm. "Ich greife ein, bevor es brennt", sagt Weger.

In Pöcking ziehen trotz des trüben Wetters zehn Faschingswagen ihren Weg durch den Ort. Auch der Faschingsclub warmit Prinzenpaar und Garden auf den Beinen; sehr politisch ging es nicht zu.

Drinnen mühen sich derweilen die Garden der Perchalla ab. So rechte Stimmung will aber nicht aufkommen. Es ist seit Menschengedenken das erste Mal, dass das Faschingstreiben nicht auf dem Kirchplatz stattgefunden hat. Wie zum Trotz bleibt es am Nachmittag trocken. "Nicht einmal Fasching können sie in Starnberg", sagt ein enttäuschter Besucher und zieht ab.

In Unterbrunn wird der Starnberger Tunnel zur Lachnummer. Nach all dem Gezänk in der Kreisstadt, nach Streit und gegenseitigen Vorwürfen darf man sich hier endlich amüsieren über das Dauerproblem in der Nachbarkommune. In Bauarbeitermontur und mit einem Helm auf dem Kopf schaufelt Hermann Geiger im Faschingszug am Dienstag Hackschnitzel auf die Straße und plärrt dazu unermüdlich: "Wir sind im Verzug. Unser Zeitplan ist hintendran". Währenddessen wedelt Peter Schröfl mit einer Bauzeichnung, und ein Helfer hantiert mit einer Messstange. Als Referenzen sind der Flughafen in Berlin, Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie auf einer Papptafel notiert.

Der Tunnel ist nur eine von mehreren Vorlagen aus der jüngsten Vergangenheit, die sich die Unterbrunner diesmal vorknöpfen. Auf die Flucht einiger Rinder aus dem Stall des Landwirts Georg Führer in Hausen machen sie sich ihren eigenen Reim: "Die Jäger sitzen auf der Lauer, doch Führers Kälber waren schlauer." Und dazu hoppeln Unterbrunner im Tierkostüm über die Straße und lassen sich in einen Anhänger treiben. Auch das ist ein Gag, der beim Publikum besonders gut ankommt. Selbst Schneeregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt können die Unterbrunner nicht davon abhalten, sich den Umzug am Faschingsdienstag anzuschauen. Etwa 400 kommen diesmal, die meisten kostümiert.

Ein gutes Dutzend zu Bühnen umfunktionierten Wagen fährt mit Musik begleitet durch den Ort. Außer Donald Trump und den Sicherheitsvorkehrungen beim Oktoberfest sind es vor allem Themen aus der Umgebung, die hier zum Gaudium werden. Zum Beispiel die chronische Unzuverlässigkeit der Post in Gauting, die seit Monaten wegen Personalmangels immer wieder tageweise geschlossen ist. Von der "Wundertüte Post" ist daher auf einer Aufschrift zu lesen. Der CSU-Gemeinderat Stephan Ebner in der Rolle eines Beamten knobelt, ob nun geöffnet wird oder nicht. Die Schließung der VR-Bank im Ort im Januar kommentieren die Unterbrunner mit einem umformulierten Werbeslogan: "Wir machen den Weg weit."

In Machtlfing musste die "Dorfgemeinschaft" den geplanten Zug wegen zu wenigen Wagen absagen. Die strengen Auflagen des TÜV hätten dabei auch eine Rolle gespielt, sagt Vorsitzender Martin Popp. Weil auch das Wetter nicht mitspielt, findet das "Faschingstreiben" im spontan geschmückten Feuerwehrhaus und nicht auf dem Dorfplatz statt. Rund 70 Besucher sind gekommen und manche schießen vor dem Haus auch noch auf eine Torwand.

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