Elektroboote:Mit Akku übers Wasser

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Auf dem Starnberger See und dem Ammersee gibt es keine Zulassungsgrenzen für Elektroboote. Ihre Zahl ist deshalb seit 2013 um 20 Prozent gestiegen - so teuer das Vergnügen auch ist

Von Armin Greune

Obwohl die Lizenzvergabe für private Boote mit Diesel- oder Benzinantrieb schon lange strikt begrenzt ist, nimmt der motorisierte Verkehr auf dem Starnberger See und dem Ammersee zu. Der Grund ist der Trend zu Elektrobooten, deren Zulassungszahlen noch nicht beschränkt werden: So kreuzen mittlerweile 432 elektrisch angetriebene Sportgefährte auf dem Ammersee und 1198 auf dem Starnberger See. Vor drei Jahren waren es dort lediglich 993 - die Zahl ist also in diesem Zeitraum um etwa 20 Prozent angestiegen. Sportbootfahren im Fünfseenland bleibt freilich ein kostspieliges, wenn nicht gar luxuriöses Vergnügen - selbst wenn man die Anschaffungskosten außer Acht lässt. Ernst Simmerding, Werft-Inhaber in Leoni, hat dennoch ein volles Auftragsbuch, obwohl eine edel mit Holz und Leder ausgestattete Elektro-Yacht bei ihm mindestens 100 000 Euro kostet: "Die Nachfrage ist da, weil die Leut' nimmer segeln wollen und es für Benzinboote kaum Lizenzen gibt."

Parallel zum E-Boot-Boom ist allerdings der Wunsch nach der Zulassung von Sport- und Freizeitbooten mit Verbrennungsmotoren etwas zurückgegangen. Musste man 2006 noch mit einer Wartezeit von 25 bis 30 Jahren rechnen, bis man eine der begehrten 255 Lizenzen für den Starnberger See erhielt (25 werden für sogenannte Sicherungsboote für Segelclubs vorgehalten), sind es nun nur noch zehn bis 13 Jahre. Um auf die derzeit 1878 Namen umfassende Warteliste zu kommen, muss eine Aufnahmegebühr von 25 Euro bezahlt werden, erläutert Barbara Beck vom Starnberger Landratsamt. Kommt man endlich zum Zug, erhält man eine Fünf-Jahres-Lizenz, eine Verlängerung sei nicht möglich: Nach Ablauf der Frist müsse sich der Hobbykapitän wieder hinten auf der Warteliste einreihen.

Für Elektroboote aber gibt es auf dem Starnberger wie auch auf dem Ammersee keine festen Kontingente oder Zulassungsgrenzen - und folglich auch keine Wartelisten. Kein Wunder also, dass inzwischen auf jedes klassische Motorboot vier mit Elektroantrieb kommen. Das Gros der Fahrzeuge auf dem Starnberger See stellen allerdings die Segler: 2476 Boote von ihnen sind mit Nummernschild zugelassen. Von der Registrierung befreit ist, wer ohne Motor oder Wohneinrichtung mit Küche und WC in einem Boot bis 9,20 Meter Länge segelt.

Neben privaten Sportbooten sind auf dem Starnberger See 365 "sonstige" Gefährte - also Dienst-, Miet- oder Arbeitsboote, etwa von Fischern - erfasst. Insgesamt sind im Landratsamt Starnberg 5000 Boote registriert, 681 davon fahren im Wörth- und Pilsensee: Auch dort steigen die E-Boot-Zulassungen jährlich um etwa zehn Prozent.

Auf dem Ammersee sind knapp zwei Drittel der insgesamt 2856 in Landsberg registrierten Boote betakelt. Das Kontingent der Sportboote mit Benzin- oder Dieselantrieb ist auf 150 beschränkt, etwa 800 Personen haben sich derzeit für eine Lizenz beworben: Mit vier bis fünf Jahren Wartezeit müsse man noch rechnen, sagt Wolfgang Müller, Sprecher des Landsberger Landratsamtes. Auch auf dem Ammersee nimmt daher die Zahl der Elektroboote ständig zu: Allein seit April dieses Jahres sind 22 dazugekommen.

Übrigens sind private Sportboote mit Verbrennungsmotor auf allen übrigen bayrischen Seen verboten - nur für Starnberger See und Ammersee gelten gesetzliche Ausnahmeregelungen mit den genannten Beschränkungen. Elektroboote für Privatpersonen sind zudem noch auf dem Waginger See und dem Chiemsee grundsätzlich gestattet. Auf dem Tegernsee hingegen dürfen nur Schwerbehinderte elektrisch fahren, am Kochelsee ausschließlich Fischer. Und am Staffelsee wiederum ist die Zahl der E-Boot-Zulassungen limitiert.

Ob Segler, Elektro- oder Verbrennungsantrieb: Auf Starnberger See und Ammersee wird nicht nach einem Führerschein gefragt, selbst wenn man mit mehreren hundert Pferdestärken unterwegs ist. Obwohl Simmerding vom Trend zum E-Boot profitiert, hält er eine Führerscheinregelung für sinnvoll: "Sie wird aber wohl über die Hintertür wegen der Versicherungen ohnehin bald kommen." Für alle Freizeitkapitäne gelten natürlich die gleichen Verkehrsregeln. So beträgt etwa die zulässige Höchstgeschwindigkeit 40 Stundenkilometer, und es müssen 300 Meter Mindestabstand zum Ufer oder Schilf eingehalten werden.

Und fast alle Bootsführer müssen mit einem weiteren Problem kämpfen: Auch Liegeplätze sind äußerst knapp und recht kostspielig. Wer sein Wassersportgerät daheim parken kann und mit dem Auto antransportiert, kann es in einer der drei öffentlichen Slipanlagen am Starnberger See in Tutzing, Ammerland und Ambach zu Wasser lassen. Doch die meisten Freizeitkapitäne sind auf Hütten, Stege oder Bojen angewiesen. Am günstigsten kommt noch eine Boje: Im Starnberger See hat die Seenverwaltung davon aber nur 750 zur Verfügung. Und ein Bewerber muss mit 12 bis 15 Jahren Wartezeit rechnen, bis er - begrenzt auf sieben Jahre - zum Zug kommt, so die Theorie. Im Ammersee gibt es 1225 Bojen, und ein Bewerber wird im Durchschnitt nach sechs Jahren berücksichtigt.

Wer alle Betriebskosten für ein Sportboot addiert, muss in fünf Jahren mindestens 4200 Euro für ein E-Boot mit zehn Kilowatt Leistung und Boje aufbringen. Eine Yacht mit 100 Kilowatt und Benzintank und Stegplatz kostet im gleichen Zeitraum 18 300 Euro - Treibstoff, Unterhalt und Versicherung kommen in beiden Fällen noch hinzu. Bei diesen Summen lohnt es sich wohl, erst einmal auszuprobieren, wie viel Spaß man am Flitzen über den See tatsächlich hat. Wer bei Peter Gastl in Leoni etwa eine "Laguna 760"-Elektroyacht mieten will, bezahlt für die Stunde 195 und für einen ganzen Tag 1150 Euro. Acht Personen finden auf dem Boot Platz, der 40-Kilowatt-Antrieb ermöglicht ein Maximaltempo von 35 Stundenkilometern. Die Lithium-Zellen setzen der Geschwindigkeit allerdings Grenzen: Pro Stunde dürfen nur 15 Prozent der Batteriekapazität verbraucht werden.

Inwiefern die Privilegierung für Elektroboote gerechtfertigt ist, wird strittig diskutiert: An ihrer Umweltfreundlichkeit im Vergleich zum Verbrennungsmotor sind Zweifel aufgekommen. Vor vier Jahren entzündete sich am Liegeplatz in Starnberg ein Lithium-Akku - und eine Luxusyacht brannte aus. Wegen der beißenden und weithin sichtbaren Qualmwolke mussten Badegäste eine Liegeweise räumen. Das Feuer konnte erst nach anderthalb Stunden gelöscht werden, und 5000 Liter kontaminiertes Löschwasser mussten als Sondermüll entsorgt werden.

Kritiker des E-Boot-Booms führen außerdem massive Sicherheitsbedenken ins Feld: Es fehle an Langzeiterfahrungen mit der hohen Energiedichte im begrenzten, schlecht klimatisierten Motorraum und mit den potenziell lebensgefährlichen Spannungen. Aus Sicherheits- und Umweltgründen hat das Umweltreferat in Kärnten deshalb bereits vor fünf Jahren nach den Zulassungszahlen für Motorboote auch die für Elektroboote auf den Seen beschränkt.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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