Eklat im Stadtrat:Abgang mit lautstarkem Echo

Lesezeit: 2 min

Bürgermeisterin Eva John verlässt ohne Stellungnahme die Sondersitzung zum Gewerbegebiet Schorn und eilt zu einem Schulkonzert. Stadträte sprechen von "völlig unangemesenem Verhalten" und "niveaulosem Umgang"

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Historie des Starnberger Stadtrats ist seit Dienstag um eine groteske Episode reicher: Das Gremium befasste sich in vierstündiger, nicht-öffentlicher Sondersitzung mit dem Gewerbegebiet Schorn. Die im Anschluss mit Spannung erwartete Sitzung des Projektausschusses Bahnhof See entfiel jedoch. Bürgermeisterin Eva John allerdings hatte die Sitzung vorzeitig verlassen, um dem Sommerkonzert des Starnberger Gymnasiums beizuwohnen. Die meisten Vertreter der insgesamt neun Stadtratsfraktionen, aber auch Zuhörer, die sich um die weitere Entwicklung um den Bahnhof See sorgen, zeigten sich empört über das offensichtliche Desinteresse der Bürgermeisterin an den wichtigsten Zukunftsthemen der Kreisstadt.

Von "Eklat", "Provokation" und "Affront" gegenüber dem potenziellen Investor für das Gewerbegebiet Schorn war am Tag nach der Sitzung die Rede. Die meisten befragten Stadträte äußerten völliges Unverständnis über das irritierende Verhalten der Bürgermeisterin, die - flankiert von ihren BMS-Fraktionskollegen Josef Pfister und Christine Lipovec - die Sondersitzung am Dienstag nach nicht einmal einer Stunde kurz vor 19 Uhr zugunsten des Konzerts verlassen hatte. Während John den Klängen lauschte, widmete sich der Stadtrat konstruktiv dem Gewerbegebiet Schorn, das zur wichtigsten Einnahmequelle der Stadt ausgebaut werden soll. Die Sitzung hatten Stefan Frey (CSU) und Johannes Bötsch (BLS) beantragt.

In den sozialen Netzwerken wurde die Nachricht noch am gleichen Abend gepostet - mit negativem Echo. Doch auch die meisten Mandatsträger nahmen kein Blatt vor den Mund. Sieglinde Loesti (Parteifreie) hatte den "vorläufigen Höhepunkt im zeitweilig ignoranten und niveaulosen Umgang der Bürgermeisterin mit ihrem Stadtrat" erlebt. Herb fiel auch die Kritik der Bürgerliste (BLS) aus: Als "selbstherrlich und rücksichtlos" bezeichnete Johannes Bötsch das Verhalten Johns. Sie habe sich "für sie unangenehmen, für Starnberg aber immens wichtigen Themen stillos" entzogen, das "Misstrauen gegenüber ihrer Person und Amtsführung wird immer größer". Eine "Unverschämtheit" gegenüber Stadtrat und interessierten Bürgern konstatierte Michael Mignoli, und für Angelika Wahmke ist nicht nachvollziehbar, warum John ein "sicherlich sehenswertes Konzert" einer für die Stadt wichtigen Sitzung vorzieht. "Der fehlende Respekt im Umgang mit den Bürgern dieser Stadt stimmt mich traurig", erklärt sie. Offensichtlich fehle John der Wille zur Transparenz und Kommunikation.

Patrick Janik (UWG) empfindet das Verhalten von Frau John als "ausgesprochen respektlos und unhöflich" gegenüber Bürgern und Stadtrat. Es zeige sich "eine fatale Geringschätzung der Bürgermeisterin für die Projekte Schorn und Seeanbindung". Als "unverantwortlich, was hier passiert", bezeichnete Stefan Frey den Vorfall. "Die Stadträte müssen die dringendsten Probleme der Stadt selbst lösen." Diese Einschätzung teilt Martina Neubauer (Grüne): Sie bezeichnete Johns Abwesenheit als "Missachtung der Gremienarbeit und Geringschätzung der demokratisch legitimierten Vertreter der Stadt." Die Gremien erarbeiten wichtigste Themen, was John aber ignoriert. Stellvertretender Landrat Tim Weidner (SPD) bezeichte Johns Verhalten als "völlig unangemessen".

Christine Lipovec (BMS) äußerte dagegen Verständnis für die Bürgermeisterin. Sie war davon ausgegangen, "dass wir in der Sitzung über den Antrag beraten", doch Frey habe das Gremium mit der Einladung externer Personen "eine länger andauernde Sitzung heraufbeschworen". Iris Ziebart erklärte, dass die FDP-Fraktion "sich grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit weder zum Verhalten der Kollegen im Stadtrat noch der Ersten Bürgermeisterin" äußert. Unkommentiert ließ den Vorfall die WPS. Und John äußerte sich nicht.

Weidner (SPD) mochte der Angelegenheit eine positive Seite abgewinnen: "Die Abwesenheit der Bürgermeisterin diente ganz offensichtlich der Verbesserung des Arbeitsklimas", stellte der stellvertretende Landrat fest. Zweiter Bürgermeister Klaus Rieskamp habe die Sitzung korrekt, sachlich und fair geleitet. Weidner: "Insofern kann die Bürgermeisterin von mir aus gern öfter fehlen." Unterstützung kommt von Janik, der noch unsicher ist, "ob ich nicht eher für häufigere Konzertbesuche von Frau John plädieren soll. Die Produktivität der Gremien würde möglicherweise gefördert". Loesti hinterfragte gar, ob Rieskamp nicht besser gleich die Rolle des ersten Bürgermeisters übernehmen sollte.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: