E-Autos:Vorbild Freyung-Grafenau

E-Autos: SZ-Grafik

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Der Landkreis Starnberg will die Region mit den meisten E-Autos werden, doch bei einer Fahrt nach Niederbayern mussten die Kommunalpolitiker feststellen, dass der Bayerische Wald in Sachen E-Mobilität weit voraus ist.

Von Astrid Becker, Starnberg/Grafenau

Es klingt ambitioniert: Der Landkreis Starnberg will die Region mit der höchsten Dichte an Elektrofahrzeugen in Deutschland werden. Vor kurzem muss dieses hehre Ziel wohl einen kleinen Dämpfer erfahren haben: Denn im Bayerischen Wald ist man in Sachen E-Mobilität um einiges weiter als hierzulande - aus den verschiedensten Gründen, wie bei der Kreisinformationsfahrt deutlich wurde, zu der Landrat Karl Roth einmal im Jahr Vertreter des Starnberger Kreistags, des Landratsamts, des Tourismusbüros und der Wirtschaftsförderung einlädt und die diesmal genau dorthin führte.

Der Blick in die aktuellen Zahlen des Landkreises Starnberg wirkt ernüchternd: Von insgesamt knapp 83 000 hier gemeldeten Autos werden nur 454 Fahrzeuge elektrisch angetrieben. Noch drastischer wirkt dieses Verhältnis, wenn man die Zahl der Automobile ansieht, die tatsächlich erneuerbare Energien nützen können: Das sind nur mehr 214. Denn die anderen 230, die sogenannten Elektrofahrzeuge mit kombiniertem Betrieb gehören zwar zu den landläufig als Hybriden genannten Elektroautos, gewinnen ihre Energie aber aus sich selbst, zum Beispiel nur bei Bremsmanövern. An die Steckdose zu Hause gehängt werden können sie nicht, damit fällt auch die Idee, sie ausschließlich mit regenerativen Energien wie beispielsweise aus der heimischen Solaranlage zu speisen, flach.

Im Gegensatz dazu klingt die Bilanz, die den etwa 35 Teilnehmern der Fahrt im Bayerischen Wald präsentiert wurde, geradezu mustergültig. In der ganzen Umgebung stehen allein um die 150 Ladesäulen für verschiedene E-Modelle bereit, zudem gibt es noch 600 weitere Punkte, an denen Energie geladen werden kann. Von einer derartigen Ladeinfrastruktur ist das Fünfseenland und seine Umgebung noch weit entfernt (siehe Grafik). Aber im Gegensatz zu Freyung-Grafenau gehört Starnberg auch nicht zu einer sogenannten Modellregion, von der es insgesamt in Bayern vier Stück gibt: Kempten, Garmisch-Partenkirchen, Bad Neustadt und eben die Region Deggendorf-Teisnach, wozu auch der Landkreis Freyung-Grafenau zählt.

Zusammen mit fünf Nachbarkreisen bildet Freyung-Grafenau seit 2010 eine Art E-Mobilitätsgemeinschaft. Auf einer Fläche von 7000 Quadratkilometern sind diese Kreise Teil des Verbundforschungsprojekts "E-Wald". Unter der Projektleitung und Koordinierung der Hochschule Deggendorf Wissenschaft arbeiten private Wirtschaft sowie Kommunen und Landkreise daran, zu beweisen, dass E-Mobilität auch im ländlichen Raum funktionieren kann - und zwar mit Hilfe neu entwickelter intelligenter und integrierter Ladeinfrastruktur. Das Ziel war von Anfang an klar definiert: Es sollte ein Transportsystem in der Region auf der Basis von Elektrofahrzeugen geschaffen werden. Im Mittelpunkt steht dabei ein E-Carsharing-System, dessen Flotte aus mittlerweile rund 200 Fahrzeugen besteht. Gemietet werden können diese Wagen tage-, wochen- oder monatsweise (www.e-wald.eu). Es gibt sogar die Möglichkeit für Studenten, diese E-Automobile zu recht geringen Preisen nur stundenweise zu nutzen, zum Beispiel, um Besorgungen zu machen. Per Zugangscode können die Fahrzeuge, die sich ausschließlich aus regenerativer Energie speisen und je nach Modell Reichweiten zwischen 70 und 450 Kilometern aufweisen, an Bahnhöfen, Hotels, Behörden und zentralen Parkplätzen reserviert und abgeholt werden.

Die Fahrzeuge, die auch mit Navigationssystemen ausgestattet sind, sind über Funkverbindung mit einem zentralen Steuerungssystem verbunden. Sie zeigen ständig Informationen über Standort, Ziel, Akkuladung und Ladestationen an. Ein Angebot, das vor allem auch im Bereich Tourismus bestens eingesetzt werden kann, wie Anton Achatz von der E-Wald betonte, der das Projekt der Starnberger Delegation in Grafenau vorstellte .

Der Grünen-Kreisrat Peter Unger hätte ihn am liebsten sofort angestellt: "So jemanden wie Sie, den brauchen wir bei uns." Allerdings würde sich hier die Frage stellen, wer Kräfte wie Achatz bezahlen könnte. Denn E-Wald ist seit 2012 eine GmbH, an der sich 89 Kommunen mit jeweils rund 15 000 Euro finanziell beteiligt haben. Die sechs Kreise leisteten einmalig eine Einlage in Höhe von jeweils 50 000 Euro. Zudem gab es von Anfang an auch noch ein paar private Anteilseigner. Mit dem so generierten Geld und einer Förderung des Freistaates wurden die ersten 75 E-Autos für das E-Carsharing gekauft. Die restliche Flotte konnte bereits ohne jegliche Förderung gekauft werden.

Im Kreis Starnberg hingegen ist Elektromobilität erst seit etwa zwei Jahren verstärkt ein Thema. Unter der Federführung der Verkehrsmanagerin Susanne Münster hat sich die Initiative E-Start gebildet mit derzeit acht Teilnehmern: dem Landratsamt Starnberg, dem Rathaus Starnberg, der Energie-Genossenschaft Fünfseenland, dem Verein Energiewende Landkreis Starnberg und den Firmen E-Ruda, L-3 Magnet Motor GmbH, der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg sowie der Wunjoo GmbH. Sie hat bereits E-Foren, E-Mobilitätstage oder auch Ladesäulentouren veranstaltet - die nächste ist für den 16. Juli geplant. Der Landkreis dümpele beim Thema E-Mobilität keineswegs vor sich hin, betont Landrat Karl Roth: "Wir haben in der kurzen Zeit schon einiges erreicht." Bis sich allerdings sein größter Wunsch in dieser Sache erfüllt, wird es noch dauern: "Es wäre schon schön, wenn wenigstens jedes Zweitauto ein Elektroauto wäre."

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