Doppelmord von Krailling:"Eine noch nie dagewesene Tat"

Mit Messer, Hantel und Seil werden zwei Mädchen in Krailling brutal ermordet. Bald darauf wird der Onkel verhaftet - er soll aus Habgier die verstörende Tat begangen haben. Nun hat das Landgericht München die Höchststrafe gegen Thomas S. verhängt.

Anna Fischhaber

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Vorschau: Prozess um brutalen Mord an Maedchen aus Krailling

Quelle: dapd

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Mit Messer, Hantel und Seil werden zwei Mädchen in Krailling brutal ermordet. Bald darauf wird der Onkel verhaftet - er soll aus Habgier die verstörende Tat begangen haben. Nun hat das Landgericht München die Höchststrafe gegen Thomas S. verhängt. Eine Chronik des Falles.

In einer Wohnung im Münchner Vorort Krailling entdeckt eine Mutter am frühen Morgen des 24. März 2011 die Leichen ihrer zwei kleinen Töchter - die Kinder wurden brutal ermordet. Die Frau hatte den Abend in der nahegelegenen Musikkneipe "Schabernack" verbracht. Um 4:45 Uhr kommen sie und ihr Lebensgefährte heim und finden die elfjährige Sharon leblos im Kinderzimmer. Chiara, acht Jahre alt, liegt blutüberströmt im Schlafzimmer der Mutter im Dachgeschoss. Die alarmierten Polizisten und Notärzte versuchen noch die Mädchen wiederzubeleben - ohne Erfolg.

Trauer um getötete Geschwister

Quelle: dpa

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Einen Tag nach der Tat nimmt die Sonderkommission "Margarete" die Arbeit auf. "Wir haben keinen Tatverdacht, wir ermitteln in alle Richtungen", heißt es bei der Polizei. Klar ist von Anfang an nur: Der Täter muss sich ausgekannt haben - er wusste wohl, dass die Haustür, die von außen mit einem Drehknopf zu öffnen ist, nie versperrt war, wenn Anette S. die Mädchen allein zu Hause ließ. Die Ermittlungen konzentrieren sich zunächst auf die Kneipe "Schabernack", in der die 41-Jährige Fremdsprachenkorrespondentin an diesem Abend dem Wirt, ihrem Lebensgefährten, aushalf. 5000 Euro Belohnung werden für sachdienliche Hinweise ausgesetzt.

Trauer um getötete Geschwister

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Kerzen, Kuscheltiere und Fotos erinnern vor dem Haus an der Margaretenstraße an die Kinder, die hier ermordet wurden. "Warum müssen die Kinder büßen?", steht auf einem Zettel. Immer wieder kommen fassungslose Dorfbewohner vorbei. Stammgäste haben sich entschlossen, das "Schabernack" weiterzuführen, um dem Paar zumindest ein finanzielles Desaster zu ersparen. Immer wieder werden Gäste von Beamten überprüft. Ohne Ergebnis. Überhaupt zeigt die Polizei seit den Morden viel Präsenz in der Gemeinde - Kontaktbeamte dienen als Ansprechpartner für verängstigte Bürger. Der Doppelmörder läuft noch immer frei herum.

Zwei tote Kinder gefunden

Quelle: dpa

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Die Sonderkommission "Margarete" wird von 20 auf 31 Polizisten aufgestockt, die Belohnung liegt inzwischen bei 10.500 Euro. Sicher ist bislang nur: Die Mädchen wurden mit einem Messer erstochen beziehungsweise mit einer Hantelstange erschlagen. Auch eine Schlinge soll eine Rolle gespielt haben. Selbst erfahrene Ermittler sprechen von einer "noch nie dagewesenen Tat". Die Spurensicherung hat männliches DNS-Material am Tatort gefunden - zuordnen lässt sich das trotz zahlreicher Speichelproben aber noch nicht. In einem bewegenden Trauergottesdienst nehmen unterdessen mehr als 500 Menschen Abschied von Chiara und Sharon.

Mordfall Chiara und Sharon - Grabstätte

Quelle: picture alliance, dpa

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Chiara und Sharon werden in bunten Särgen auf dem Gräfelfinger Friedhof beigesetzt - im engsten Familien- und Freundeskreis. Zeitgleich nimmt die Polizei am 1. April 2011 einen Verdächtigen fest: Nachdem sie 91 Speichelproben genommen hat, gibt es endlich einen Treffer. Der mutmaßliche Mörder hatte bereits kurz nach der Tat freiwillig seine Probe abgegeben. Er habe sich in der Tatnacht verletzt - sein Blut sei am Tatort, heißt es zunächst nur. Bei seiner Festnahme leistet Thomas S. keinen Widerstand. In Krailling reagieren die Menschen erleichtert: "Gott sei Dank haben sie ihn", sagen viele. Dann wird bekannt: Der Verdächtige ist der Onkel der Mädchen, er hat selbst sechs Kinder.

Peißenberg Haus des Onkel der Kraillinger Mädchen

Quelle: Georgine Treybal

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Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Haftbefehl erlassen und immer mehr Details über den mutmaßlichen Täter werden bekannt: So wie es aussieht, ging es Thomas S. bei seiner brutalen Tat nur um eins: Geld. Der inzwischen 51-jährige Postzusteller hatte sich in einer Peißenberger Neubausiedlung einen Kleinfamilientraum mit seiner Frau und den vier Kindern aus zweiter Ehe verwirklichen wollen - doch das Haus wurde nie fertig gebaut. Die Familie zog trotzdem ein, es war ein Leben im Rohbau, im Keller stand Wasser. Als die Zwangsversteigerung droht, bittet er seine Schwägerin den Anteil an einer weiteren gemeinsamen Eigentumswohnung abzulösen. Ohne Erfolg. Daraufhin soll Thomas S. losgezogen sein, um seine kleinen Nichten zu ermorden.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Thomas S. sitzt nun im Gefängnis Stadelheim. Die Polizei beschreibt ihn als "distanziert" und "desinteressiert" bei Vernehmungen. Zunächst verwickelt er sich in Widersprüche, dann antwortet er nicht mehr auf die Fragen der Ermittler. Die Soko sucht derweil nach weiteren Spuren. Im Gespräch mit seinem Verteidiger leugnet Thomas S. die Tat - und schiebt die Blutspuren am Tatort auf ein Nasenbluten bei einem länger zurückliegenden Besuch. Doch nun findet die Polizei außerdem Hautpartikel des Mannes am Körper von mindestens einem der Mädchen. 1000 Seiten sind die Ermittlungsakten bereits lang.

Krailling: Mordfall / Tötungsdelikt an zwei Mädchen - Margarethenstrasse / Zeugenaufruf

Quelle: Johannes Simon

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Neue Indizien belasten Thomas S.: Sein Alibi ist inzwischen erschüttert, nicht klar ist, welche Rolle seine Frau zunächst bei seinem falschen Alibi gespielt hat. Die Polizei fahndet nun nach blutverschmierter Kleidung. Die Theorie der Ermittler: Pünktlich um 6:30 Uhr trat Thomas S. am Morgen nach dem Mord seinen Dienst an, falls er der Täter ist, muss er also seine Kleidung irgendwo losgeworden sein. Doch sie wird nicht gefunden. Die Polizei sucht nun auch mit Fotos des Verdächtigen nach Zeugenhinweisen. Eine Maßnahme, die manchen zu weit geht.

Doppelmord von Krailling, Prozess, Angeklagter Thomas S.

Quelle: picture alliance, dpa

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Doppelmord von Krailling:Doppelmord von Krailling, Prozess, Angeklagter Thomas S.

Die Beweise werden immer erdrückender: Die dritte Tatwaffe, ein Seil, stammt offenbar aus dem Haushalt des Tatverdächtigen. Über sein Motiv kann weiterhin nur spekuliert werden: Offenbar ist Thomas S. hochverschuldet. Die Ermittler vermuten nun, dass er es auch auf die Mutter der zwei Mädchen abgesehen hatte - aus Habgier. Er habe an das Geld der Familie kommen wollen, weil sich die 41-Jährige geweigert hatte, die gemeinsam mit ihrer Schwester Ursula S. geerbte Wohnung zu verkaufen. Die erklärt derweil, sie wolle die Scheidung einreichen. In einem Interview Mitte Juni erhebt sie schwere Vorwürfe gegen ihren Mann - der habe sie "bewusst ruhiggestellt in dieser Nacht".

Fortsetzung Prozess Doppelmord Krailling

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Die Staatsanwaltschaft München II erhebt mehr als fünf Monate nach der Tat Anklage gegen Thomas S., sie verdächtigt ihn, die beiden Mädchen heimtückisch und aus Habgier getötet zu haben. Laut den Ermittlungen war der Mord noch brutaler als bislang gedacht. Offenbar kämpften die Kinder verzweifelt um ihr Leben. Mehr als 60 Zeugen sagen in dem Prozess aus. Darunter auch die Ehefrau des mutmaßlichen Täters - die jedoch jede Angabe verweigert und nur mit Journalisten über den Fall sprechen will.

Prozessbeginn Doppelmord Krailling

Quelle: dpa

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Am 17. Januar 2012, knapp zehn Monate nach der Tat, beginnt vor der ersten Strafkammer des Landgerichts München II unter großem Medieninteresse der Prozess gegen Thomas S., der sich zum Auftakt selbstbewusst gibt. Der Angeklagte lässt über seinen Anwalt ausrichten, er wolle sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern - vielleicht aber später eine Aussage machen. Die Staatsanwaltschaft ist sich dennoch sicher, den richtigen Täter gefunden zu haben - zahlreiche Fingerabdrücke und eine Blutspur am Tatort belasten den Mann. Zeugen beschreiben Thomas S. als unangenehm und unverschämt, der Gerichtspsychiater hält ihn für schuldfähig.

Prozess um Kraillinger Doppelm

Quelle: dpa

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Ende März bricht Thomas S. plötzlich sein Schweigen vor Gericht - und überrascht damit selbst seine Verteidiger. Doch anstatt ein Geständnis abzulegen, beschwert er sich über die schlampige Arbeit der Polizei, die Lügen der Zeugen, schließlich wirft er den Ermittlern sogar Manipulation von Beweisen vor. "Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man lachen", kommentiert der Staatsanwalt die Aussage. In seinem Plädoyer fordert er schließlich lebenslänglich für den heimtückischen Mord aus Habgier. Die Nebenklage schließt sich der Forderung an, die Verteidigung verzichtet darauf, ein konkretes Strafmaß zu fordern. Am 16. April 2012, um 16 Uhr, drei Monate nach Prozessbeginn, fällt schließlich das Urteil: Thomas S. muss lebenslang ins Gefängnis. Zudem stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest - damit kann er nicht nach 15 Jahren auf eine Haftentlassung hoffen. Es ist die Höchststrafe.

© Süddeutsche.de/afis/wib/bica/hum
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