Doppelmord in Krailling:30 Hinweise - aber keine heiße Spur

Lesezeit: 2 min

Die Ermittler haben nach dem Doppelmord in Krailling Speichelproben genommen und DNS-Material gesichert. Einen Tatverdächtigen gibt es jedoch nicht.

C. Deussing und S. Wimmer

Auf den ersten Blick ist alles wie immer im "Schabi". Der Tresen ist gut bevölkert, am Stammtisch rechts sitzen die üblichen Kneipengänger, und doch ist etwas anders. Am Samstagabend liegt eine drückende Schwere im Raum, eine Mischung aus Trauer, Wut, Misstrauen und Angst. Im "Schabernack" gibt es nur ein Gesprächsthema: den Doppelmord an den Schwestern Sharon, 11, und Chiara, 8, den Töchtern von Bedienung Anette.

Mit Blumen und Kerzen gedenken Freunde der toten Mädchen. (Foto: dapd)

Noch immer fehlt der Polizei die "heiße Spur", die bisher gut 30 Hinweise führten nicht zu einem konkreten Tatverdacht. Und die Gäste wissen: Der Täter könnte hier schon mit ihnen ein Bier getrunken haben, denn er kannte sich gut aus.

Es ist kurz vor Mitternacht. Die Tür geht auf, zwei Zivilpolizisten steuern direkt auf einen jungen Mann zu, der gelegentlich in der Kneipe verkehrt. Sie nehmen ihn mit auf die Planegger Wache, dort wird er erkennungsdienstlich behandelt, später taucht er wieder auf und trinkt weiter.

Der Mann ist einer von vielen Gästen, die die Polizei überprüft, denn das "Schabernack" ist für die Ermittler einer der Dreh- und Angelpunkte: Anette S., die Mutter der ermordeten Kinder, ist mit dem Wirt der Kneipe liiert, abends arbeitete die Fremdsprachenkorrespondentin gelegentlich im Lokal mit. Die 41-Jährige kennt alle Stammgäste und die Gäste kennen sie - und ihre Töchter Sharon und Chiara. Wer öfter dort war, der wusste, dass die Kinder alleine zu Hause waren, wenn Anette S. bediente, und dass sie aus Angst vor einem Brand die Haustüre nicht zusperrte, damit die Kinder flüchten könnten.

Gut 200 Kerzen flackern vor dem Haus an der Margaretenstraße, in dem die Kinder in der Nacht auf Donnerstag erstochen und erschlagen wurden. "Warum müssen die Kinder büßen?", steht auf einem der Zettel an der Trauerstelle. Teddybären, Bilder der Mädchen, ein Engel aus Porzellan stehen dort, immer wieder kommen Leute, die auch aus den Nachbarorten anreisen und fassungslos vor dem Haus stehen. Einer der Zettel, auf dem dem Täter gedroht wird, "mach dich auf was gefasst", ist verschwunden. Die Polizei wird auch dieser Spur nachgehen.

Stammgäste sammeln Spenden für die Beerdigung

Stammgäste und Freunde von Anette S. und dem Kneipenwirt haben sich spontan entschlossen, das "Schabernack" weiterzuführen, um dem Paar zumindest ein finanzielles Desaster zu ersparen. Seit Freitagabend ist die Kneipe wieder geöffnet, an der Türe hängt ein Zettel, auf dem die Gäste auf den Spendentopf im Lokal hingewiesen werden. Allein an zwei Abenden kamen über 1000 Euro zusammen. Mit dem Geld soll die Beerdigung der beiden Mädchen finanziert werden.

Die Polizei zeigt seit den Morden starke Präsenz in der 8000-Seelen-Gemeinde, Kontaktbeamte dienen als Ansprechpartner für verunsicherte Bürger auf der Straße, Jugendbeamte gehen an die Schulen und sprechen mit Kindern und Lehrern: Gleichzeitig wird der Ort auf der Suche nach Spuren regelrecht auf den Kopf gestellt, die Leute von der Spurensicherung suchen immer noch akribisch die Tatwohnung ab, sichern DNS, Fingerabdrücke und Fasern, die im Institut für Rechtsmedizin und im LKA untersucht werden.

Bürger, die aus irgendwelchen Gründen in das Fahndungsraster passen, werden gebeten, freiwillige Speichelproben abzugeben. Noch immer agiert die Soko "Margarete" mit 20 Kriminalbeamten, personell gesehen fast das komplette Mordkommissariat K11. Denn die Fahnder wissen eines genau: In den ersten Tagen nach der Tat ist die Wahrscheinlichkeit, den Täter zu fassen, am größten.

© SZ vom 28.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: