Dießen:Zeitreise in drei Etappen

Eine Ausstellung im Taubenturm erinnert an den von Fritz Winter geförderten Maler Helmut Zimmermann

Von Katja Sebald, Dießen

Es ist mehr als eine Rückschau, es ist eine Zeitreise in drei Etappen: Eine Ausstellung im Dießener Taubenturm erinnert an den 2015 verstorbenen Künstler Helmut Zimmermann, der viele Jahre in Dießen lebte. Der Bildhauer Janos Fischer hat sie kuratiert, der Hamburger Galerist Albert Ritthaler, selbst ehemaliger Dießener, hat sie bestückt. "Ich wollte Zimmermann noch einmal hierher zurückholen", sagt der Kurator in Erinnerung an eine Ausstellung im Jahr 1978, die am selben Ort stattfand.

Helmut Zimmermann wurde 1924 im böhmischen Aussig geboren. Nach Kriegsteilnahme und nach der Vertreibung aus der Tschechoslowakei ließ er sich in Dießen am Ammersee nieder. In der Ammerseeregion lebten und leben besonders viele Künstler und Kunsthandwerker. Bis 1988 lebte und arbeitete er in einem Häuschen im Ortsteil Neudießen, unterbrochen von zahlreichen Reisen und Arbeitsaufenthalten in Venedig, Ischia und New York. Die letzten Jahre verbrachte er in Passau. Nicht zuletzt dank der Förderung durch den großen Fritz Winter hatte sich auch für ihn eine internationale Karriere angebahnt, die er jedoch nicht weiter verfolgte. Vielmehr zog er sich immer wieder für mehrere Monate in sein einsam gelegenes Haus auf der kleinsten der Liparischen Inseln zurück, um seine künstlerische Entwicklung als "Individuationsprozess" voranzutreiben. "Malen heißt sein", pflegte er zu sagen: Das Malen war für ihn eine heilige Handlung, der er in einem streng geregelten Tagesablauf und in einem ganz in Weiß eingerichteten Raum nachging. Das auch für ihn selbst unaussprechliche Thema seiner Malerei verfolgte er beharrlich und mit großer Konzentration bis in die letzten Monate seines Lebens.

Zimmermann-Bilder im Taubenturm

Verschlungen: Ein in Neudießen entstandenes Werk des Künstlers Helmut Zimmermann.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Dießener Ausstellung ist thematisch geordnet, versammelt aber insgesamt fast ausschließlich Arbeiten aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren. "Ich wollte Bilder zeigen, die man in Dießen noch nicht gesehen hat", sagt Janos Fischer, der mit Helmut Zimmermann freundschaftlich verbunden war und am Vernissagenabend von gemeinsamen Erlebnissen und den Eigentümlichkeiten des Künstlerfreunds zu berichten wusste.

Der erste Raum ist der Figur gewidmet. In äußerst reduzierter Formensprache fügen sich breite Pinselstriche zu tanzenden Paaren oder zu Fußballspielern im Gerangel um den Ball. Die Bildfläche wird in großer Heftigkeit von schwarzen oder roten Diagonalen durchschnitten. Trotz der Sparsamkeit seiner Mittel erzielt der Maler doch mit wenigen Linien den größtmöglichen Ausdruck, alles ist dynamisch und ganz auf die Bewegung fokussiert.

Erscheint diese Werkgruppe noch von seinem Mentor Fritz Winter überschattet, so sind ein Stockwerk höher Bilder zu sehen, die eher dem Einfluss des amerikanischen Expressionismus verpflichtet sind. Linien, kurze und immer kürzere Pinselstriche, Flecken oder Punkte verdichten sich in der Bildmitte, streben zu den Rändern auseinander, als wären Tausende von Lichtpunkten oder Himmelskörper in Bewegung. Es entstehen ebenso vielschichtige wie filigrane Bildräume, in denen sich bald symmetrische Anordnungen und eine Ausrichtung auf einen Mittelpunkt finden. Schließlich lichtet sich das Zentrum, die "leere Mitte" wird ein bildbestimmendes Thema.

Zimmermann-Bilder im Taubenturm

"2 Figuren in tänzerischer Haltung": Eines der Zimmermann-Bilder, das unter dem Einfluss von Fritz Winter entstand.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im obersten Turmstübchen sind Skizzen und Zeichnungen, aber auch einige Arbeiten aus späteren Jahren zu sehen, der Betrachter darf sich hier dem suchenden Künstler ein wenig annähern - verstehen wird er ihn wohl kaum: Zu vielfältig und komplex ist das Werk, zu klein ist der Ausschnitt, den diese Ausstellung zeigt. Neben Gemälden und Zeichnungen aus unterschiedlichen Schaffensphasen sind im Nachlass auch Künstlerbücher und eine Vielzahl von gezeichneten Filmen erhalten.

Die Ausstellung ist noch am 17. und 18. September jeweils von 12 bis 18 Uhr zu sehen.

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